Zusammenfassung
Hintergrund
Bei der Erfassung kausaler Faktoren männlicher Fertilitätsstörungen spielen auch Umwelteinflüsse eine bedeutende Rolle. Das Wissen um die Wechselwirkungen zwischen solchen Einflüssen und reproduktiven Funktionen des Mannes eröffnet zudem die Möglichkeit eines präventiven Ansatzes in der Andrologie.
Ergebnisse
Relevante exogene Noxen sind Genussgifte, Pharmaka, Berufsstoffe, Umweltchemikalien und physikalische Faktoren. Da die Regulation der Spermatogenese und das Zusammenspiel vielfältiger Spermienfunktionen komplex sind, liegen nur für wenige Noxen gesicherte Kenntnisse vor. Dies ist nicht zuletzt auf die begrenzte Übertragbarkeit tierexperimenteller Befunde auf die Situation beim Menschen zurückzuführen.
Schlussfolgerung
In der andrologischen Sprechstunde sollten bei Erhebung der Anamnese mögliche Expositionsrisiken erfasst und die Patienten über eine gesicherte oder mögliche Relevanz für ihre Fertilität aufgeklärt werden.
Abstract
Background
The identification of potential environmental hazards may have clinical relevance for diagnosis of male infertility. Knowledge about these factors will improve prevention of fertility disorders.
Results
Apart from drugs or factors related to lifestyle such as alcohol and tobacco smoke, various environmental and occupational agents, both chemical and physical, may impair male reproductive functions. With regard to the complex regulation of the male reproductive system, the available information concerning single exogenous factors and their mechanisms of action in humans is limited. This is also due to the fact that extrapolation of results obtained from experimental animal studies remains difficult.
Conclusion
Nevertheless, the assessment of relevant exposures to reproductive toxicants should be carefully evaluated during diagnostic procedures of andrological patients.
Ziele dieses Übersichtsartikels sind mögliche Assoziationen zwischen männlicher Fertilität und Umwelteinflüssen zusammenzufassen, die Verschiedenheit relevanter Faktoren darzustellen, einen Eindruck der methodischen Schwierigkeiten bezüglich der Bewertung solcher Umweltfaktoren zu vermitteln, Hinweise für die Beratung andrologischer Patienten zu geben und Informationen bezüglich der Diskussion über eine fragliche allgemeine Abnahme der Spermaqualität beizusteuern.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) subsummiert unter „reproduktiver Gesundheit“ die Fähigkeit von Frauen und Männern, ihre Fertilität zu kontrollieren und ihre Fortpflanzungswünsche unter Erhalt der eigenen Gesundheit, der ihrer Kinder sowie bei Zufriedenheit mit den sexuellen Beziehungen umzusetzen. In diesem Kontext wird als „Umwelt“ die Gesamtheit physikalischer, chemischer, biologischer, verhaltensbedingter und sozioökonomischer Faktoren und Verhältnisse definiert, die den menschlichen Organismus umgeben [1].
Die Erfassung von Ursachen für eine eingeschränkte männliche Fertilität wird durch mehrere Aspekte erschwert:
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Fertilitätsstörungen beim Mann können multifaktoriell sein.
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Verschiedene Ursachen führen in der Regel zu gleichen oder ähnlichen Folgen, z. B. zu einer Störung der Spermatogenese und damit zu reduzierter Spermaqualität. Ein pathologisches Spermiogramm nach den gültigen Vorgaben der WHO ist daher nur ein Symptom und erlaubt in den seltensten Fällen Rückschlüsse auf die Ätiopathogenese der Störung [2]. Das gilt damit auch für fertilitätsrelevante Umwelteinflüsse.
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Die Standardparameter eines Spermiogramms nach WHO erfassen nicht alle für die männliche Fertilität relevanten Faktoren. Die Untersuchungen von Spermienfunktionen werden aber von der WHO immer noch als experimentell eingestuft. Einflüsse von Umweltnoxen auf solche Funktionen werden somit bei den routinemäßigen Analysen nicht erfasst.
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Neben der Spermaqualität und der Spermien-Oozyten-Interaktion gibt es noch eine Vielzahl möglicher toxikologischer Endpunkte wie Libido, Sexualfunktionen, Hormonhaushalt und Beginn der Pubertät.
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Gesicherte Daten zu genotoxischen Wirkungen von Umweltnoxen liegen für den Mann in den meisten Fällen noch nicht vor; andererseits bestehen Hinweise auf eine Modulation der epigenetischen (Re)Programmierung von Keimzellen durch exogene Faktoren wie z. B. Pharmaka.
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Epidemiologisch relevante Parameter wie die Infertilitätsrate (keine Konzeption nach einem Jahr regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs), das Zeitintervall bis zum Auftreten einer Schwangerschaft („time to pregnancy“) und die standardisierte Geburtenrate (aktuelle Anzahl an Geburten im Vergleich zur erwarteten Anzahl entsprechend der Bevölkerungsstatistik) erlauben keinen eindeutigen Rückschluss auf einen andrologischen Sterilitätsfaktor, weil sie maßgeblich auch von der weiblichen Fertilität abhängig sind.
Deshalb besteht bei der Mehrzahl von Substanzen lediglich ein Verdacht auf Reproduktionstoxizität.
Trends der allgemeinen Spermaqualität
Eine mögliche Abnahme der Spermaqualität von Männern wurde schon vor mehr als 40 Jahren diskutiert [4, 5]. Zwei Jahrzehnte später erreichte diese Diskussion durch eine Studie von Carlsen et al. [6] eine breite Öffentlichkeit und ist seither immer wieder Anlass für Rückfragen von Patienten. Damals wurde anhand einer Metaanalyse von 61 Publikationen aus den Jahren 1938 bis 1990 für den genannten Zeitraum eine Abnahme der Spermienkonzentration von 113 auf 66 x 106/ml berechnet.
Die Autoren sahen einen Zusammenhang zwischen der von ihnen postulierten Abnahme der Ejakulatqualität und der Zunahme testikulärer Tumoren bzw. Kryptorchismus und Hypospadie und empfahlen weitere Untersuchungen über die mögliche Verursachung durch in die Umwelt gelangte Östrogene oder östrogenartig wirkende Noxen [7, 8]. Eine vermehrte Aufnahme von Östrogenen über Nahrungsmittel (z. B. Milchprodukte von trächtigen Kühen) als auch über das mit Östrogenen belastete Trinkwasser (z. B. in den Kläranlagen nicht entfernte Östrogene aus dem Urin von Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen) wurden in Betracht gezogen [9].
Die Studie von Carlsen et al. [6] ist aber aufgrund methodischer Probleme nicht unumstritten geblieben. Olsen et al. [10] führten als Schwachpunkte der Studie aus: a) mögliche Beeinflussung der Aussage durch Einschluss selektionierter Männer, die für ihre Population nicht repräsentativ gewesen sind; b) die Variabilität der Voraussetzungen bei der Probengewinnung, insbesondere die teilweise nicht standardisierten Abstinenzzeiten; c) der Mangel an Daten, die in den ersten 30 Jahren der Studie erhoben wurden; d) der Nichteinschluss einer Studie über 14.476 Männer, deren Ejakulate zwischen den Jahren 1966 und 1977 in einem Labor andrologisch untersucht worden waren und die keinen signifikanten Abfall der Spermienkonzentration und des Ejakulatvolumens aufwiesen [4]; e) das Unvermögen anderer statistischer Modelle, die gleiche Abnahme der Ejakulatqualität nachzuvollziehen. Darüber hinaus fällt die Mehrzahl der von Carlsen et al. [6] berücksichtigten Studien (78,7 %) und Männer (88,1 %) in die letzten 20 Jahre des Erhebungszeitraums. Werden nur diese Daten ausgewertet, war nach den Berechnungen von Olsen et al. [10] sogar ein leichter Anstieg der Spermienkonzentration zu verzeichnen. Zu einer anderen Beurteilung kamen Swan et al. [11] in ihrer erneuten statistischen Auswertung der Metaanalyse von Carlsen et al. [6]. Mit verschiedenen statistischen Modellen bestätigten sie den Abwärtstrend der Ejakulatqualität.
Im weiteren Verlauf der damaligen Diskussion wurde auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung regionaler Unterschiede der Spermaqualität von Männern hingewiesen [12–14]. Daher ist es bedeutsam zu berücksichtigen, dass in der Studie von Carlsen et al. [6] alle über 100 Männer umfassende Studien vor 1970 aus den USA und 80 % davon aus New York stammten. Dagegen wurden 80 % der nach 1970 berücksichtigten Studien in anderen Regionen der Welt erhoben.
In einer Reihe neuerer retrospektiver Studien wurde eine Abnahme der Spermienzahlen entweder widerlegt oder bestätigt [15]. Prospektive Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Niels Skakkebaek [16] zeigten keinen Abwärtstrend für die Spermiengesamtzahl im Ejakulat über anderthalb Jahrzehnte.
Ein allgemeiner, weltweiter Rückgang der Spermaqualität ist nicht belegt
Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass es in einigen Regionen der Erde Hinweise für Veränderungen der Spermaqualität gibt. Ein weltweiter Trend ist aber nicht bewiesen. Auch die Studien, die auf lokaler Ebene einen solchen Trend belegen sollen, sind retrospektiv angelegt. Erst große, prospektive Studien werden diese Frage mit ausreichender Sicherheit klären können [15, 17].
Wirkung von Umweltfaktoren beim Mann
Reproduktionstoxische Wirkungen von Umweltfaktoren beim Mann können sich prätestikulär, testikulär oder posttestikulär entfalten. Prätestikuläre Schädigungen betreffen die Hypothalamus-/Hypophysenfunktion und damit die Hypophysen-Gonaden-Achse. Hier wurden entsprechende Einflüsse u. a. durch die Exposition gegenüber östrogenartig wirkenden Umweltnoxen und Schwermetallen wir Blei beschrieben [18].
Die größte Bedeutung bei reproduktionstoxikologischen Fragestellungen haben meist testikuläre Schädigungen mit direkten zytotoxischen und genotoxischen Effekten an den Keimzellen selbst, den Sertoli- oder Leydig-Zellen mit nachfolgenden Funktionsstörungen.
Aufgrund der Komplexität der männlichen Keimbahn ist der Einwirkungszeitpunkt einer Noxe von großer Bedeutung. Schon während der Schwangerschaft bei der Mutter bestehende Expositionen können sich später beim Mann mit reduzierter Fertilität manifestieren [1, 19, 20]. Auch der komplizierte Prozess der Spermatidendifferenzierung bis zur Freisetzung der Spermien aus dem Keimepithel kann gestört werden, während die reifen Spermien vergleichsweise widerstandsfähig gegenüber exogenen Noxen sind.
Über posttestikulär wirkende Reproduktionstoxine ist beim Menschen wenig bekannt. Sie könnten Nebenhodenfunktionen, die Spermienreifung und den Spermientransport betreffen.
Physikalische Faktoren
Relevante physikalische Umweltfaktoren sind ionisierende Strahlung und Wärme. Elektromagnetische Strahlung wird von den meisten Patienten zwar viel häufiger als massive Bedrohung wahrgenommen; die Datenlage zu ihrer Beurteilung in Hinsicht auf ihre Reproduktionstoxizität ist aber noch unzureichend.
Ionisierende Strahlung
Bei den physikalischen Umweltfaktoren ist die Wirkung ionisierender Strahlen auf das testikuläre Gewebe bisher am besten untersucht worden [21, 22]. Fraktionierte Bestrahlungen führen zu einer stärkeren Schädigung als gleich hohe Einzeldosen. Mit einer vorübergehenden Oligozoospermie ist bereits nach einer kumulativen Dosis von 0,1–0,3 Gy zu rechnen. Die bei höheren Dosen auftretende Azoospemie ist nach Applikation von >3 Gy zumeist irreversibel (Tab. 1).
Wärmeexposition
Von größerer epidemiologischer Bedeutung ist der Umweltfaktor Temperatur [23]. Eine Zunahme der „time to pregnancy“ wurde bei beruflicher Hitzeexposition oder überwiegend sitzender Position in Kraftfahrzeugen beobachtet [24]. Auch eine Reduktion der Spermaqualität durch Lebensgewohnheiten wie heiße Bäder, Saunabesuche oder das Tragen enger Unterwäsche mit einer entsprechenden Erhöhung der Skrotaltemperatur wird diskutiert [25, 26]. Zweimal wöchentliche Saunabesuche mit Hitzeexposition gegenüber 80–90 °C für 15 min führt bei vorher normozoospermen Männern zur Abnahme der Spermienzahlen und Motilität sowie Störungen der Chromatinkondensation [27]. Für die jahreszeitlichen Schwankungen mit einer Abnahme der Spermaqualität im Sommer sind wahrscheinlich andere Faktoren als die Temperatur verantwortlich [28].
Elektromagnetische Strahlung
Beeinträchtigungen der Spermatogenese sind schon in den 1950er Jahren bei Soldaten der US-Armee berichtet worden, die in Radarstationen ihre Gonaden gegenüber Mikrowellenstrahlung exponiert hatten [29]. Auch unter Alltagsbedingungen hat die Exposition gegenüber Radarwellen möglicherweise Auswirkungen auf die männliche Fertilität. In einer Fragebogenerhebung unter Angehörigen der Norwegischen Marine fand sich nach Adjustierung für Nikotinkonsum und andere Confounder in den Gruppen „Telekommunikation“ (Odds Ratio, OR = 1,72) und „Radar/Sonar“ (OR = 2,28) ein erhöhtes Risiko für Infertilität, nicht jedoch in der Gruppe „Elektronik“ [30].
Durch die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen ist das öffentliche Interesse an möglichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die männliche Fertilität gestiegen. Nach derzeitigem Wissensstand ist unter alltäglichen Bedingungen nicht von einem ernsthaften Gefährdungspotential elektromagnetischer Felder (z. B. Mobiltelefone) auszugehen [31, 32].
Genussgifte
Nikotin
Der schädigende Einfluss von Nikotin auf die Spermaqualität gilt heute als gut belegt (Tab. 2). Dabei werden nicht nur im Spermiogramm erkennbare Veränderungen der Spermienkonzentration, Motilität und morphologischen Qualität, sondern auch erhöhter oxidativer Stress, Störungen der DNA-Integrität, vermehrte Apoptose sowie Störungen anderer Spermienfunktionen sowie ihrer Fertilisierungsfähigkeit beobachtet [33].
Wie bei anderen Umweltnoxen spielt auch hier der Zeitpunkt der Exposition eine bedeutende Rolle. Es gibt Hinweise, dass Nikotinkonsum sowohl der Mütter als auch der Väter vor und während der Schwangerschaft die Spermaqualität ihrer Söhne beeinträchtigen kann [34, 35].
Alkohol
Alkohol kann über Einflüsse auf die Hypophysen-Gonaden-Achse und direkte testikuläre Schädigungen des Keimepithels und der Leydig-Zellen einen negativen Einfluss auf die Spermaqualität haben [36]. Dabei ist die individuelle Empfindlichkeit aber aufgrund genetisch determinierter Unterschiede ausgeprägt. Klare Angaben zu einer Dosis-Wirkungs-Abhängigkeit können dadurch auch nicht gemacht werden.
Drogen
Über die Wirkung von Drogen wie Marihuana, Kokain oder Opiaten auf die Spermatogenese ist wenig bekannt [37].
Neuere epidemiologische Studien aus Dänemark zeigen, dass 45 % der jungen Männer, die im Rahmen einer Musterung untersucht wurden, in den letzten 3 Monaten Marihuana konsumiert hatten. Regelmäßiger Marihuana-Konsum war verbunden mit reduzierten Spermienzahlen [38].
Medikamente
Medikamente können Einfluss haben auf die Erektion, den Orgasmus, die Ejakulation, Spermatogenese, Nebenhodenfunktionen, die Spermien direkt, die Testosteronproduktion und die Gonaden-Hypophysen-Achse (s. Infobox 1, [39, 40]). Medikamente mit Blockade des autonomen Nervensystems oder α‑adrenerger Rezeptoren können zu Ejakulationsstörungen führen (trizyklische Antidepressiva, Monoaminooxidaseinhibitoren, Guanethidin, Phenoxybenzamin, Prazosin, Reserpin, Thiazide). Daneben treten Erektionsstörungen auch bei vielen psychotrop wirksamen Medikamenten (Chlorpromazin, Chlorprothixen, Haloperidol, Perphenazin, Thioridazin, Triflupromazin) und Benzodiazepinen (Alprazolam, Chlordiazepoxid, Lorazepam) auf. Tranquilizer und Antidepressiva verursachen neben Ejakulations- ebenfalls Erektionsstörungen. Neben den oben genannten Tranquilizern, Antidepressiva und Antihypertensiva müssen auch Kardiaka (z. B. Digitalispräparate), Diuretika (z. B. Chlortalidon, Hydrochlorothiazide, Spironolacton), Lipidsenker (z. B. Clofibrinsäure), H2-Blocker (z. B. Cimetidin, Ranitidin), Migränemittel (z. B. Dihydroergotamin), Antiphlogistika (z. B. Indometacin), Abmagerungsmittel (z. B. Fenfluramin), Opiate, Glukokortikoide, Östrogene und Gestagene berücksichtigt werden.
Infobox 1 Angriffspunkte von Medikamenten im Reproduktionssystem
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Störungen der endokrinen Regulation (z. B. Sexualhormone, Glukokortikoiden)
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Störungen der Androgenbiosynthese (z. B. Ketoconazol)
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Störungen des Testosteronmetabolismus (z. B. Antikonvulsiva)
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Androgenrezeptorantagonisten (z. B. Spironolacton)
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Störungen der Spermatogenese (z. B. Zytostatika)
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Störungen der Spermatozoenfunktion (z. B. Antibiotika (in vitro))
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Störungen der Emission/Ejakulation (z. B. Antidepressiva, psychotrop wirksame Medikamente)
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Störungen der Erektion (z. B. Antihypertensiva)
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Störungen der Libido (z. B. Benzodiazepine)
Die am besten untersuchten Substanzen mit direkter gonadotoxischer Wirkung sind Zytostatika. Ihre reproduktionstoxikologische Potenz ist auf eine Schädigung der Spermatogonien und Störungen der hormonellen Regelkreise zurückzuführen. Die Störung der Spermatogenese kann vorübergehend sein oder permanent bestehen bleiben. Wenn es zu einer Erholung der Spermatogenese kommt, tritt deren Reinitiierung nach frühestens 3 Monaten, manchmal auch erst nach Jahren ein [41]. Alkylantien zeigen hierbei die stärksten Effekte.
Bezüglich ihrer klinischen Relevanz noch nicht endgültig zu beurteilende Effekte sind genotoxische Wirkungen, Übertragung durch das Seminalplasma, Aneuploidien in Spermien und Störungen der DNA-Integrität. Während einer Chemotherapie sollte daher eine Schwangerschaft vermieden werden [42].
Weitere direkt die Spermatogenese hemmende Medikamente können Immunsuppressiva, Antidepressiva, Antiemetika (Metoclopramid) und Antiepileptika (Diphenylhydantoin) sowie bestimmte Antibiotika (Nitrofurantoin, Gentamycin, Cotrimoxazol) in hoher Dosierung sein. Auch von Salazosulfapyridin sind negative Effekte auf die Spermatogenese beschrieben worden, die wahrscheinlich durch den Metaboliten Sulfapyridin hervorgerufen werden [43].
Natürlich können Hormone wie Östrogene, Gestagene oder Androgene, aber auch Glukokortikoide in höherer Dosierung durch negative Feedbackmechanismen die Ausschüttung von Gonadotropinen und damit die Spermatogenese hemmen. Häufiger sind arzneimittelbedingte Störungen der männlichen Fertilität durch antiandrogene (Spironolakton, Cimetidin, Flutamid) oder östrogenartige (Digitalis) Wirkungen, sowie durch Substanzen, die die Androgensynthese beeinflussen (Aminoglutethimid, Etomidat, Ketokonazol).
Berufsstoffe
Die Zahl derjenigen umwelt- und arbeitsplatzrelevanten Substanzen mit vermuteten negativen Effekten auf die männliche Fertilität übersteigt die Zahl derjenigen Noxen, für die gesicherte Erkenntnisse vorliegen vor [3].
Ein klassisches Beispiel ist das in den 1970er Jahren auf Bananen- und anderen Obstplantagen eingesetzte Nematozid 1,2-Dibrom-3-Chlorpropan (DBCP), das je nach Expositionsdauer eine teilweise irreversible Schädigung der Spermatogenese bis zur Azoospermie sowie eine Erhöhung der Gonadotropine verursachte [44, 45].
In den Mittelpunkt des Interesses sind Umweltsubstanzen mit hormonartigen Wirkungen getreten. Neben Phyto- und Mykoöstrogenen können verschiedene Chemikalien aus Industrie und Umwelt, wie Pestizide, polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine, DDT, Bisphenol A, Alkylphenole oder Phthalate, östrogenähnliche, antiöstrogene oder antiandrogene Eigenschaften aufweisen; sie werden auch als „endocrine disruptors“ bezeichnet [18]. Sowohl der fragliche allgemeine Abwärtstrend in der Spermienproduktion als auch Hinweise auf eine Zunahme von Hodentumoren werden mit einer vermehrten Exposition gegenüber solchen Substanzen in Zusammenhang gebracht [3, 46].
Umweltsubstanzen mit hormonartigen Wirkungen haben vermutlich eine besondere Relevanz
Ein Expertengremium kalkulierte für die Europäische Union, dass für Methoden der assistierten Reproduktion aufgrund reduzierter Spermaqualität durch Exposition gegenüber Phthalaten jährlich fast 5 Mrd. EUR anfallen. Wurden die Krankheitsfolgen für einen durch Phthalate bei älteren Männern verursachten Hypogonadismus berücksichtigt, fielen dafür noch einmal ca. 8 Mrd. EUR/Jahr an. Die Kosten für die Behandlung von Hodenhochstand als Folge einer pränatalen Exposition gegenüber polybromierten Biphenylen wurden mit 130 Mio. EUR/Jahr veranschlagt [47].
Für weitere Pestizide oder deren Bestandteile sowie weitere Substanzen wie z. B. Kepon, Ethylendibromid, Epichlorhydrin, DDT und seine Metabolite oder 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-Dioxin-(TCDD)-haltige Mittel wird eine Beeinträchtigung der männlichen Fertilität diskutiert [18].
Als relevante Schadstoffe wurden darüber hinaus polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Methylchlorid, Glykolether (z. B. 2‑Ethoxyethanol) und Kohlenstoffdisulfid aus der Gruppe der organischen Lösungsmittel identifiziert.
Als Reproduktionstoxine gelten die Schwermetalle Blei, Quecksilber, Cadmium, Kobalt, Boron, Aluminium, Lithium, Arsen und Chrom [18].
Reproduktionstoxikologische Untersuchungen
Reproduktionstoxikologische Fragestellungen beim Menschen beruhen auf epidemiologischen Ansätzen, tierexperimentellen Studien, In-vitro-Experimenten oder dem Nachweis von Schadstoffen im menschlichen Organismus.
Durch die hohe intraindividuelle Variabilität der Spermaqualität und Unterschiede in der Qualität andrologischer Labore sind Korrelationen zwischen Schadstoffexposition und Spermiogrammvariablen schwer zu ermitteln.
In-vitro-Experimente erfassen nicht immer die komplexen Interaktionen und parakrinen Regulationen zwischen Sertoli-Zellen, Leydig-Zellen und Keimzellen.
Die Übertragbarkeit tierexperimenteller Befunde auf den Menschen ist durch speziesspezifische Unterschiede z. B. der Spermatogenese limitiert [3].
„Fruchtbarkeit“ ist nicht mittels eines Markers messbar
Die Beeinträchtigung der männlichen Fertilität ist oft multifaktorieller Genese, so dass „Fruchtbarkeit“ in ihrer Komplexität nicht mittels eines Markers messbar ist. Neue Tests zur Erfassung von Spermienfunktionen werden das Spektrum erfassbarer Angriffspunkte von Reproduktionstoxinen erweitern [18].
Neben der Aufnahme in den Körper, der Dosis, der Dauer und dem altersbezogenen Zeitpunkt der Exposition gegenüber einem reproduktionstoxisch wirksamen Fremdstoff kommt seiner Verteilung und Verstoffwechselung im Organismus eine besondere Bedeutung zu. Es ist wahrscheinlich, dass genetisch determinierte Unterschiede in der Metabolisierung von Fremdstoffen die individuelle Empfänglichkeit des Mannes für Fertilitätsstörungen mitbestimmen.
Fazit für die Praxis
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In der andrologischen Anamnese sollten Expositionen gegenüber exogenen Noxen, Genussgiften und Medikamenten einschließlich Lifestyle-Präparaten erfasst werden.
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Angesichts der möglichen Spätfolgen von Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum für die reproduktive Gesundheit des Mannes ist die Beratung des Mannes eine wichtige primäre Präventionsaufgabe.
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Kumulative Effekte verschiedener Noxen sind wahrscheinlich.
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Fertilitätsstörungen des Mannes sind zwar häufig multifaktorieller Genese; die konsequente Elimination relevanter Noxen kann aber zu Verbesserungen der Ejakulatqualität führen.
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Die andrologische Labordiagnostik lässt nicht direkt auf eine spezifische Noxe schließen.
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Für viele Umweltnoxen ist eine abschließende Beurteilung ihrer Reproduktionstoxizität noch nicht möglich.
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Köhn, FM., Schuppe, H.C. Umweltfaktoren und männliche Fertilität. Urologe 55, 877–882 (2016). https://doi.org/10.1007/s00120-016-0150-1
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