1 Problemaufriss und Fragestellung

Sexuelle und reproduktive Rechte haben eine existenzielle und lebensbereichsübergreifende Bedeutung für Frauen in unserer Gesellschaft. Sie sind – etwa in Form von Sexualaufklärung oder dem Zugang zu Informationen und Verhütungsmitteln, zu Beratungsstellen und Gesundheitsdiensten sowie der Möglichkeit einer selbstbestimmten Familienplanung – „ein Indikator für Geschlechtergerechtigkeit in einer Gesellschaft“ (Klein und Wapler 2019, S. 21). Insbesondere die Option eines sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruchs gestaltet sich für Frauen weltweit sehr unterschiedlich und „reicht vom Verbot (z. B. Malta und Polen) über stark eingeschränkte Zulässigkeit (z. B. Australien) bis hin zu einer völlig offenen Regelung (z. B. Schweden)“ (Obinger-Gindulis 2015, S. 194). In Europa sind Schwangerschaftsabbrüche gesetzlich sehr unterschiedlich gefasst. In den Kontroversen stoßen religiöse, moralisierende, emanzipatorische und feministische Wertvorstellungen unversöhnlich aufeinander. Deren unterschiedliche Gewichtung, die gesellschaftlichen und parteipolitischen Kräfteverhältnisse sowie die institutionellen Besonderheiten der politischen Systeme haben eine Rechtsvielfalt in der EU zur Folge. Vollständig entkriminalisiert ist Abtreibung bislang aber in keinem europäischen Staat (vgl. Krolzik-Matthei 2019, S. 4; Obinger-Gindulis 2015; pro familia Bundesverband 2017).

In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch u. a. unter der Voraussetzung der Wahrnehmung einer Pflichtberatung gemäß § 218a StGB straffrei gestellt. Die sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung dient laut Gesetz dem „Schutz des ungeborenen Lebens“ und zielt erstens darauf, „die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen“. Sie soll ihr zweitens helfen, eine „verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen“ (§ 219 StGB). Da Schwangerschaftsabbrüche zu den umstrittensten Themen gehören, wird unweigerlich auch „die Atmosphäre des Beratungsgesprächs und das Verhalten der an der Beratung Beteiligten (…) direkt und nachhaltig“ (Koschorke 2004, S. 1117; vgl. auch Franz 2015) durch die gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen beeinflusst. Diskursanalytische Forschungen zur öffentlichen Auseinandersetzung zeigen neben historischen Veränderungen der gesellschaftlichen Vorstellungen eine große Überrepräsentanz von parteipolitischen Akteur*innen gegenüber sozialen Bewegungen. So kommt dem „Prinzip des Rechts des Fötus oder Fötus als Leben (…) in öffentlichen Diskursen die Hegemonie zu, während das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Frau nur über Ausnahmezustände als legitim erachtet wird“ (Hahn 2015, S. 57). Eng verbunden mit den gesellschaftlichen Debatten sind politische Entscheidungsprozesse (vgl. ebd.), deren Effekte sich in Deutschland heute in vielfältiger Weise zeigen: Zu nennen sind hier etwa die erheblichen regionalen Defizite in der Versorgungssituation, die fehlenden medizinischen Standards und Forschungen zum Schwangerschaftsabbruch oder eine mangelnde Thematisierung im Medizinstudium. Frauen müssen in der Konsequenz immer weitere Wege zu Ärzt*innen und immer weniger Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Methoden eines Abbruchs, aber auch eine anhaltende Stigmatisierung in Bezug auf die Informationen, die sie selbst erhalten können bzw. der sie als Informationssuchende ausgesetzt sind, in Kauf nehmen (vgl. Busch 2019, S. 7 ff.).

Während der mit der Corona-Pandemie einhergehenden zeitweiligen Kontaktbeschränkungen haben sich auch die Praxis der Schwangerschaftskonfliktberatung und die Durchführung der Abbrüche verändert. Beratungen wurden und werden zum Teil bis heute durch die Nutzung von Medien (Telefon oder Video) durchgeführt. Zu einer solch „pragmatischen Lösung“ hat die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die zuständigen Landesministerien im März 2020 aufgefordert und damit ein Novum für die Beratungspraxis geschaffen.Footnote 1 Gleichzeitig nahmen die Berater*innen jedoch eine große Verunsicherung unter den Frauen auch dahingehend wahr, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen durch die Pandemie zeitweise ebenfalls erschwert war: Es kam zu Terminreduzierungen und Verzögerungen, da Klinken die geltenden Abstandgebote gewährleisten mussten bzw. übergangsweise dazu angehalten waren, ausschließlich Notfälle zu behandeln. Damit haben die Hürden für ungewollt schwangere Frauen sich erhöht und die „schon vorher deutlich sichtbaren Defizite in der Versorgung (…) zu gravierenden Engpässen“ (verdi o.J.) geführt.

Das im Juli 2020 gestartete partizipative Praxisforschungsprojekt mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen aus der Region Stuttgart nimmt unter der Leitung der Autorin die anhaltenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zum Ausgangspunkt. Das Projekt geht den Fragen nach, inwiefern ungewollt schwangere Frauen auf soziale Unterstützung in ihrem Umfeld zurückgreifen können, hier Hilfe in der Entscheidungsfindung bekommen und Möglichkeiten finden, ihre Emotionen (wie etwa Scham- und Schuldgefühle) zu artikulieren. Zum anderen interessiert die Informationsaneignung über den Abbruch. Insbesondere mit Blick auf eine in den letzten Jahren zunehmende Präsenz der sog. „Lebensschutz“-Bewegung, die für eine strikte Ablehnung der Abtreibung in Deutschland kämpft, scheint eine medizinisch korrekte und moralisch neutrale Informationsaneignung erschwert. Zu den öffentlichkeitswirksamen Aktionen dieser Bewegung gehören Demonstrationen (etwa der in verschiedenen Städten regelmäßig stattfindende „Marsch für das Leben“ in Münster, Annaberg-Buchholz und Berlin), (oftmals mehrtätige und -wöchige) Mahnwachen vor Kliniken und Beratungsstellen sowie Gedenkgottesdienste für abgetriebene Föten, Unterschriftenkampagnen, Druckausübung auf politische Gegner*innen oder die Institutionalisierung eigener Beratungsangebote (vgl. Bringmann 2017). Darüber hinaus verbreiten sie gezielt (Falsch‑)Informationen im Internet.

Diese beiden Perspektiven der sozialen Unterstützung und der Informationsaneignung wurden vor dem Hintergrund bestehender Praxisprobleme und -ziele trägerübergreifend als relevant erachtet und gemeinsam erarbeitet.

2 Methodisches Vorgehen

Das Forschungsprojekt versteht sich als ein partizipatives Praxisforschungsprojekt (vgl. etwa von Unger 2014; van der Donk et al. 2011). Der Begriff der (partizipativen) Praxisforschung meint eine „anwendungsorientierte Forschung“ (von Unger 2014, S. 22), bei der Fachkräfte – in einem distanzierten Blick zur Praxis – und Wissenschaftler*innen kooperieren.Footnote 2 Der Ausgangspunkt dieses Vorhabens bildeten jene Themen und Anliegen, die „in der Praxis Relevanz besitzen“ (von Unger 2014, S. 53)Footnote 3 mit dem Ziel der Reflexion und fachlich-konzeptionelle Weiterentwicklung der Beratungspraxis. Praxisforschung kann als ein Versuch verstanden werden „sowohl Theorie und Praxis als auch Forschen und Handeln in der Sozialen Arbeit systematisch und regelgeleitet miteinander zu verbinden“ (König 2016, S. 8).

An dem hier vorgestellten Projekt sind insgesamt neun Beratungsstellen von pro familia, der Diakonie, donum vitae und in städtischer Träger*innenschaft beteiligt, die eine Beratungsbescheinigung nach § 219 StGB ausstellen. Sowohl die Klärung der Zielsetzung des Projekts als auch die Planung, Durchführung und Auswertung der Erhebung erfolgten partizipativ. Hierbei übernahm die Autorin dieses Beitrags insbesondere eine prozessmoderierende sowie anleitende Rolle, etwa in Bezug auf Erhebungs- und Auswertungsverfahren, ein. Die beteiligten Fachkräfte entschieden sich für die Durchführung einer Befragung, die sich auf zwei Fragebögen zusammensetzt: Es gibt einen standardisierten Fragebogen für die Frauen, die an einem Beratungsgespräch in der Schwangerschaftskonfliktberatung teilgenommen haben. Dieser etwa zehnminütige Fragebogen wurde von den beteiligten Fachkräften und ihren Kolleg*innen an die Frauen in Anschluss an das Beratungsgespräch, nach einem randomisierten Ausfallverfahren, ausgegeben. Gefragt wurde neben (A) personenbezogenen Daten (Alter, Sprache, Lebenssituation usw.) nach (B) vorhandenen Unterstützungsstrukturen, in deren Rahmen bspw. über die ungewollte Schwangerschaft gesprochen werden kann, nach dem (C) Informationserwerb über den Abbruch, den (D) Erwartungen an die Beratung sowie nach der (E) persönlichen Meinung zum Abbruch. Ferner gibt es einen teils standardisierten, teils teilstandardisierten Fragebogen für die Berater*innen selbst, der sich auf das je konkrete Beratungsgespräch bezieht. Dieser hat das Ziel, die Perspektive der Frauen durch die Einschätzungen der Berater*innen zu erweitern, indem Angaben etwa zum Gesprächseinstieg und zu den in der Beratung thematisierten Aspekten von Schuld oder Druck durch das Umfeld gemacht werden können. Die Fragebögen ermöglichen darüber hinaus eine Gegenüberstellung des individuell bewerteten Informationsstands der Frauen in der Schwangerschaftskonfliktberatung und der entsprechenden Wahrnehmung der Berater*innen. Der Aspekt der Informationsverarbeitung wird gerade im Kontext digitaler Inhalte zu Schwangerschaftsabbrüchen als wesentlich erachtet. Beide Fragebögen lassen sich mittels einer identischen Kennung in der Auswertung aufeinander beziehen, wobei die ethischen Ansprüche an Anonymität in dieser doch heiklen Forschungsumgebung gewahrt werden. Die Erhebung wurde von den beteiligten Berater*innen durchgeführt und verlief von April bis September 2021. Die Auswertung der Forschungsdaten wurde als zirkulärer Auswertungsprozess gestaltet. In regelmäßigen Treffen wurden Erkenntnisse der quantitativen Daten vorgestellt sowie die aufgearbeiteten qualitativen Daten gemeinsam mit den Berater*innen ausgewertet. Anschließend wurden zentrale Aspekte noch einmal anhand der Daten überprüft und wiederum diskutiert. Schlussendlich wurden neben den Forschungsergebnissen auch Impulse für die Beratungspraxis sowie zur fachlich-konzeptionellen Weiterentwicklung erarbeitet.

Eine „Unterbrechung und Durchkreuzung der in der akademischen Forschung üblichen Konstruktion von Teilnehmenden als ‚andere‘“ (von Unger 2014, S. 53) wurde durch die Beteiligung der Fachkräfte an der Planung des Studiendesigns, der Teilnahme als Fragende und Befragte sowie durch die gemeinsame Auswertung und Interpretation der Ergebnisse unmöglich. Gleichzeitig hat jedoch die Expertise der Berater*innen, welche an dem Forschungsprojekt intensiv mitgearbeitet haben, stark zu dessen Erfolg beigetragen. So wurde es möglich, die Daten kontextspezifisch zu erheben und aus verschiedenen Perspektiven zu deuten (vgl. ebd.). Kritisch anzumerken ist, dass es aufgrund von sprachlichen Schwierigkeiten beim Ausfüllen des Fragenbogens bei Personen mit kognitiven und sprachlichen Einschränkungen zu Verzerrungen in der Stichprobe und somit in den Ergebnissen gekommen sein kann. Auch kann die regionale medizinische wie psychosoziale Versorgungssituation Auswirkungen auf die Ergebnisse im Bereich der Informationsaneignung haben.

3 Erste Ergebnisse und Ausblick

Weiterführende Ergebnisse werden u. a. in einem gemeinsamen Abschlussbericht sowie trägerbezogen durch die projektbeteiligten Berater*innen veröffentlicht.

Der entstandene Datensatz umfasst 174 Fragebögen, die von am Projekt beteiligten Berater*innen und ihren Kolleg*innen ausgefüllt wurden, und 168 Fragebögen jener Frauen, die an der entsprechenden §‑219-Beratung teilgenommen haben. Der Datensatz Letztgenannter entspricht hinsichtlich der Altersstruktur annähernd den statistischen Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Jahr 2020 des Statistischen Bundesamtes: Die größte Gruppe bilden Frauen zwischen 25 und 29 Jahren (26 %; Destatis 2020: 22,6 %), gefolgt von jenen zwischen 30 und 34 Jahren (24 %; Destatis 2020: 24,4 %) sowie denen zwischen 20 und 24 Jahren (21 %; Destatis 2020: 19,1 %). Bei der Frage, welche Sprache überwiegend zu Hause gesprochen wird, haben 70 % Deutsch, 25 % eine andere Sprache und 5 % beides angekreuzt. Vergleichbare Daten aus den statistischen Erhebungen der BeratungsstellenFootnote 5 pro Jahr liegen nicht vor. Ein Großteil der befragten Frauen hat die mittlere Reife (34 %) oder Abitur (24 %) als höchsten Schulabschluss; 20 % gaben einen Hochschulabschluss, 14 % einen Hauptschulabschluss und 5 % keinen Abschluss an. Darüber hinaus kreuzten zwar 73 % der Frauen an, eine*n Partner*in zu haben, und 27 %, alleinstehend zu sein, jedoch suchten 82 % allein und lediglich 15 % in Begleitung der*des Partner*in das Pflichtberatungsgespräch auf (2 % taten dies mit einer Freundin, 1 % mit einer anderen Person). Die statistischen Daten der Beratungsstellen aus dem Vorjahr lagen für eine Begleitung durch den*die Partner*in zwischen 13 und 20 %. Einerseits lässt sich laut den Berater*innen im Projekt infolge der durch die Corona-Pandemie bedingten Beschränkungen ein leichter Rückgang bei der Begleitung feststellen, da die Frauen angehalten waren, möglichst allein in die Beratungsstellen zu kommen. Anderseits – so ist hier zu ergänzen – habe aber gerade etwa die Telefonberatung zu einer vermehrten Erreichbarkeit der Partner*innen geführt, da sich durch die Homeoffice-Situation die Wahrnehmung des Beratungstermins besser umsetzen ließ (vgl. Bomert 2021). Die Frage, ob die Frau* schon einmal bei einer früheren Schwangerschaft in der Schwangerschaftskonfliktberatung war, bestätigten 17 %, während 83 % dies verneinten.

Die Ergebnisse dieses Projekts zeigen in Bezug auf den Aspekt der sozialen Unterstützung für den Entscheidungsprozess und als Artikulationsmöglichkeit von Emotionen, dass sich ein Großteil der ungewollt Schwangeren nicht allein mit der Frage eines Abbruchs beschäftigt. In den meisten Fällen wurde das Wissen um die Schwangerschaft mit dem Partner (81 %), einer Freundin (39 %), der eigenen Mutter (21 %) oder anderen Bezugspersonen (20 %) geteilt. Wenn Familienmitglieder, enge Freunde oder andere Kontakte jedoch nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen wurden, wurde das durch die Frauen im Beratungsgespräch verschiedentlich begründet: Es wurden positive wie abwertende und ablehnende Reaktionen gegenüber der Schwangerschaft und der eigenen Person angenommen, die vermieden werden wollen.Footnote 6 Auch werden traditionelle, kulturelle und religiöse Aspekte, die Schwangerschaft bzw. der Kinderwunsch der potenziellen Gesprächspartnerin oder Schamgefühle als Gründe aufgeführt. Motive sind ebenfalls die Vermeidung möglicher Rechtfertigungen und Einflussnahmen, die Vermeidung von Belastungen Anderer oder der fehlende Bedarf für Austausch. Gleichzeitig zeigen die erhobenen Daten in Bezug auf die soziale Einbindung von ungewollt Schwangeren, dass sich 84 % von ihnen durch ihr Umfeld unterstützt fühlen, 15 % jedoch eher schlecht bzw. schlecht. Dass die Kommunikation mit Anderen Auswirkungen in Bezug auf das Sprechen über den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft in der Beratung hat, zeigt unsere Studie. Frauen, denen es leichter fiel, über das Thema zu sprechen, haben auch bereits mehreren Menschen von der Schwangerschaft erzählt.

Persönliche Kontakte spielen bezüglich der Informationsgewinnung zum Thema Schwangerschaftsabbruch für den Großteil der Befragten jedoch eher eine kleine Rolle. Als Informationsquelle wird der Freundeskreis von 14 %, die Familie von 8 % oder der Partner von 4 % der befragten Frauen angegeben. Die meisten Frauen haben ihre Informationen von Beratungsstellen (50 %) sowie aus den Medien (49 %) oder vom ärztlichen Personal (45 %). Insbesondere die Beratung und Medien werden von Frauen mit einem mittleren bzw. höheren Bildungsabschluss und von Frauen, die primär deutsch zuhause sprechen, deutlich häufiger als Informationsquelle angegeben. Demgegenüber hat etwa die Familie als Informationsquelle für Frauen mit Migrationshintergrund eine größere Relevanz (12 %). Eine Ursache dafür kann sein, dass Migrantinnen signifikant häufiger angeben haben, dass es ihnen schwerer falle, im Internet gefundene Informationen kritisch zu bewerten. Die Selbsteinschätzung der befragten Frauen zu ihrem Gefühl, wie sie Informationen aus dem Internet bewerten, deckt sich in weiten Teilen mit den Einschätzungen der Berater*innen.

Ausgehend von den anhaltenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu Schwangerschaftsabbrüchen wurden in diesem Projekt die Aspekte der sozialen Unterstützung und der Informationsaneignung von ungewollt Schwangeren in den Blick genommen. Obschon ein Großteil der befragten Frauen Familienmitglieder, enge Freunde oder andere persönliche Kontakte über die Schwangerschaft informiert, wird gleichzeitig deutlich, dass ein Erleben von Scham- und Schuldgefühlen bedeutsam ist, wenn diese sozialen Netzwerke nicht einbezogen werden. Diese mangelnde Artikulationsmöglichkeit trifft insbesondere jene Frauen, die sich durch ihr Umfeld unzureichend unterstützt fühlen und deutet auf „eine Vereinzelung der Frauen in ihren Lebens- und Entscheidungssituationen“ (Busch 2015, S. 34) hin. In dieser Individualisierung zeigt sich ferner der enge Zusammenhang zwischen der persönlichen und gesellschaftlichen Sprachlosigkeit zum Thema Abtreibung. Verstärkt wird diese durch eine Informationslage, die es etwa für Frauen, die deutsch nicht als Erstsprache nutzen, schwieriger macht, sich zu informieren. Dies behindert die eigene Souveränität in der Entscheidung über den eigenen Körper (ebd., S. 36) und befördert die gesellschaftliche Stigmatisierung von Abtreibung weiter.