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STUDIEN
ZUR ÄLTEREN GRIECHISCHEN KUNST
ii.
Je entschiedener die Arbeiten, die in neuerer Zeit unsere Kenntnifs der
altertümlichen griechischen Vasenmalerei erweitert haben, darauf ausgehen, aus
einer bis ins Einzelne und Kleinste gehenden Vergleichung der Dekorationen der
Gefäfse die Kriterien zu gewinnen, die zur Feststellung der Gattungen und zur Er-
mittelung der Entstehungszeit und der Fabrikationsstätten führen können, um so
mehr scheint mir eine Erinnerung daran am Platze zu sein, dafs gerade in der älteren
Zeit der Zusammenhang des Handwerks und der grofsen Kunst ein sehr enger war
und dafs eine in weiterem Umfang als bisher auch an den erhaltenen Denkmälern
der grofsen Kunst, also an den Sculpturwerken geübte Berücksichtigung dieses Zu-
sammenhanges der Vasenforschung von Nutzen sein kann.
Für Vergleichungen mit plastischen Werken werden immer die künstlerisch
hervorragenden Vasen in erster Linie ins Auge zu fassen sein, an diesen wird es
aber auch nicht selten möglich und erlaubt sein, den Entsprechungen selbst bis in
die Einzelheiten der Formenbehandlung hinein nachzugehen.
Ein Beispiel dafür ist die bekannte altattische Netosvase1, in ihrer Art ein
Stück ersten Ranges. Sie findet in der Sculptur ihr Analogon in dem Bildwerk
des Typhongiebels von der Akropolis, dessen wuchtiger breiter Formengebung ihre
Malerei im Gesamteindruck ebenso sehr entspricht, wie sich in allen Details, in
der Profilirung der Gesichter, in der Zeichnung der grofsen Glotzaugen, des Bartes,
des Haupthaares, in der überaus starken Entwicklung der Oberarme und Schenkel,
in der Anlage der Figuren in grofsen ungeteilten Flächen und in dem Verzicht auf
reichliche, zierliche Innenzeichnung alle charakteristischen Züge der attischen Poros-
sculptur wiederholen. Aus diesem Verhältnifs dürfte entgegen der bisher geltenden
Annahme2 der Schlufs zu ziehen sein, dafs die Netosvase nicht wol früher als in
der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts entstanden sein kann.
Ähnlich wie in diesem P'alle scheint eine engere Beziehung erkennbar
zwischen den Malereien der Klazomener Sarkophage und den Friesreliefs des früher

’) Antike Denkmäler 1 Taf. 57.
2) Über ihre Datirung hat sich zuletzt Boehlau,
Aus ionischen und italischen Nekropolen S. 122
geäufsert: »Wie tief wir mit der Netosamphora
und den ihr gleichzeitigen rotthonigen Vasen
mit Tierfriesen (Vurvavasen) heruntergehen
müssen, bleibt vorläufig fraglich, keinesfalls aber

fällt die Entstehung dieser Typen — denn um
den Typus allein handelt es sich natürlich, nicht
um das Exemplar — schon ins 6. Jahrhundert,
denn die aeginetische Schüssel und die Netos-
amphora können unmöglich durch lange Jahr-
zehnte geschieden sein.«
 
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