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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 38/​39.1923/​1924(1924)

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Winter, F.: Der Meister der Niobegruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.44819#0062
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F. Winter, Der Meister der Niobegruppe.

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DER MEISTER DER NIOBEGRUPPE.
Mit Beilage I.
Die Geschichte von der Bestrafung der Niobe hat die griechische Kunst von
früh an beschäftigt. Der älteren Kunst bot sie willkommenen Stoff zur Darstellung
einer bewegten Handlung. Der Akt der Vollstreckung des Strafgerichtes ist ge-
schildert. Die das Gericht vollziehen, Apollon und Artemis, und die ihm zum Opfer
fallen, die Kinder der Niobe, sind dargestellt. Auf einem archaischen schwarz-
figurigen Vasenbilde1) erscheint auch Niobe selbst, aber sie figuriert nur ganz äußer-
lich in der Rolle der Mutter der Kinder als Gegenstück zu Leto, der Mutter der beiden
Götter. In den Darstellungen des 5. Jahrhunderts finden wir sie ganz fortgelassen,
weder das Bild auf der Rückseite des Argonautenkraters 2) zeigt sie, noch die in
dem Petersburger Friese und den übrigen von der gleichen Vorlage abhängigen Re-
liefs enthaltene Komposition, die Sieveking und Buschor auf die Darstellung des
Phidias am Thron des olympischen Zeusbildes zurückgeführt haben 3). In dieser
hat Niobe jedenfalls gefehlt, nach dem Wortlaut der Beschreibung bei Pausanias
V II, 2 Νιόβης τούς παΐδας Απόλλων κατατοξέυουσι καί ’Άρτεμις, die etwa als nur
summarisch und daher für diese Einzelheit nicht beweisend zu nehmen, die Genau-
igkeit, mit der der gesamte Thronschmuck in allen seinen Teilen beschrieben
ist, ausschließt. Hiernach wird das gleiche auch für die aus etwa derselben Zeit stam-
mende Gruppe, zu der die Niobide des Museo nazionale in Rom 4) und, wie man meint,
zwei weitere als Niobiden gedeutete Figuren gehört haben 5), anzunehmen sein, um
so wahrscheinlicher, wenn die Stücke richtig als Reste einer Giebelgruppe erklärt
worden sind 6). Denn für solche würde eine Darstellung, in der die beiden Gottheiten,
wie Athena und Poseidon im Parthenonwestgiebel, nur in umgekehrter Richtung
nach außen gewendet, die Mitte einnehmen und die hinsinkenden Niobiden die Flügel
ausfüllen, eine der Fläche aufs beste sich einfügende Komposition ergeben, in der
aber Niobe selbst keine Stelle fände 7).
Mit der Schilderung der zwei Parteien der Vernichter und der Unterliegenden
halten sich diese Bilder der Behandlung der Aufgabe nach im Charakter der Kampf-
darstellung. Werke wie der Athena-Nikefries oder der Theseionfries lassen sich am
nächsten vergleichen. Wie bei diesen handelte es sich den Künstlern auch hier vor
allem um ein reichstes Entfalten mannigfaltiger Bewegungsmotive.
Ganz anders ist das Thema in der großen Gruppe gefaßt, von der wir in den
Florentiner Statuen eine fast vollständige Kopie besitzen. Nur die Unterliegenden

T) Ant. Denkm. I Taf. 22. Loeschcke, J. d. I. II
1887, 275.
2) Mon. dell’ inst. XI Taf 40.
3) Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst 1912,
. 138 ff.
4) Bulle, Der schöne Mensch, Taf. 149. Kunst-
gesch. i. B. 250, 3.
5) Bulle, Taf. 172.

6) Furtwängler, Sitzgsber. d. bayer. Ak. 1899,
279; 1902, 443. Sauer, Zeitschr. f. bild. Kunst
XXII 135.
7) Auch die Niobidendarstellung in der Höhle
oberhalb des athenischen Dionysostheaters scheint
nach der Beschreibung bei Pausanias I 21, 17
Απόλλων δέ έν αύτω και’Άρτεμις τούς παΐδάς είσιν
άναιροΰντές τούς Νιόβης in diese Reihe zu gehören.

Jahrbuch des archäologischen Instituts. XXXVIII/IX 1923/24.

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