Zusammenfassung
Zugewanderte und ihren Nachkommen können in besonderer Weise von Benachteiligung und Ausgrenzung betroffen sein. In Deutschland hat sich der Terminus „Menschen mit Migrationshintergrund“ sowohl in der Wissenschaft als auch im öffentlichen Diskurs durchgesetzt. Der Beitrag skizziert neben zentralen Befunden zur Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund auch die Kritikpunkte am Begriff Migrationshintergrund und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Diskriminierungsforschung. Während der Begriff für die Migrations- und Integrationsforschung durchaus funktional erscheint, eignet er sich kaum für die Diskriminierungs- und Rassismusforschung, da das Risiko, diskriminiert zu werden, innerhalb der statistischen Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund sehr unterschiedlich verteilt ist. Zentrale Merkmale, die Anlass für Abwertung und Ausgrenzung sein können – etwa Hautfarbe, Religion, ethnische Zugehörigkeit – werden durch den Begriff nicht oder nur unzureichend abgebildet.
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Notes
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Dieser paradoxe Effekt lässt sich analog auch in anderen Bereichen erkennen: Etwa im Hinblick auf den Befund, dass in Sozialstaaten mit steigendem Niveau sozialer Sicherung umso mehr über (verbliebene) Unsicherheiten gesprochen wird. Ähnlich verhält es sich mit sozialer Ungleichheit (Tocqueville 1835, S. 791, zit. nach van Dyk und Lessenich 2008, S. 14). Kleiner werdende „Restprobleme“ bzw. Differenzen können also mit einer Steigerung der gesellschaftlichen Sensibilität einhergehen und damit eine Ausweitung des Diskurses herbeiführen (ausführlich hierzu El-Mafaalani et al. in diesem Band; Dyk und Lessenich 2008).
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Zu dem vielschichtigen Verhältnis zwischen sozialer Ungleichheits- und Diskriminierungsforschung siehe Scherr in diesem Band sowie Scherr (2010).
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So sind bei den meisten nationalen Herkunftsgruppen diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit erfolgreicher als jene ohne deutsche Staatsbürgerschaft. In Bezug auf die Bildungsbeteiligung vgl. u. a. Gresch und Kirsten (2011).
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Herkunft meint dabei nicht nur den Geburtsort oder ehemaligen Wohnort von Personen, sondern auch ihre familiale Abstammung. So werden im Ausland geborene Kinder mit zwei deutschen Eltern ebenso durch die Kategorie erfasst wie die Enkel ausländischer Großeltern, auch wenn die Eltern schon in Deutschland geboren sind, aber ein Elternteil eine ausländische Staatsangehörigkeit hat.
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Daher trifft die Bezeichnung ethnische Herkunft die Differenzierung nicht vollständig. Man denke an Kurden. Auf die vielschichtige Problematik des Begriffs Ethnie kann hier nicht weiter eingegangen werden.
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Ein Migrationshintergrund wird also grundsätzlich an die Kinder „vererbt“, wenn es sich bei mindestens einem Elternteil um eine zugewanderte Person, eine eingebürgerte Person oder um eine Person ohne deutsche Staatsbürgerschaft handelt. Hingegen wird das Merkmal Migrationshintergrund nicht an die Kinder „vererbt“, wenn es sich bei den Eltern um Personen handelt, die beide von Geburt an deutsche Staatsbürger sind.
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Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise junge Bevölkerung (Durchschnittsalter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund 35 Jahre gegenüber 47 Jahre bei jener ohne Migrationshintergrund). Bei den unter 5-jährigen Kindern stellen Personen mit Migrationshintergrund bereits 34,6 % der Bevölkerung.
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Alle im Folgenden angegebenen Daten sind – sofern nicht anders ausgewiesen – amtliche Daten des Statistischen Bundesamts (2015). Weitere spezifische Merkmale, u. a. Aufenthaltsdauer und rechtlicher Aufenthaltsstatus, werden im Folgenden nur am Rande thematisiert.
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Hier ließe sich eine weitere Differenzierung nach ausländischen EU-Bürgern und EU-Ausland vornehmen.
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Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass durch die aktuelle Migrationsbewegung, die durch den syrischen Bürgerkrieg ausgelöst wurde, mit der Herkunftsregion Syrien erstmals ein nicht-europäisches Herkunftsland unter den vier größten Gruppen ist. In der Gruppe der Ausländer bildeten syrische Staatsbürger bereits 2015 die fünftgrößte Gruppe (hinter der Türkei, Polen, Italien und Rumänien).
- 11.
Unter diesen Personen sind 5,9 Mio. ausländische Staatsbürger und 5,0 Mio. Deutsche. Von den 5,5 Mio. Menschen ohne eigene Migrationserfahrung sind 1,3 Mio. Ausländer und 4,2 Mio. Deutsche.
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Zudem weicht die KMK-Definition deutlich von jener des Statistischen Bundesamts ab. Nach der KMK liegt ein Migrationshintergrund vor, wenn eines der folgenden drei Merkmale zutrifft: „1. Keine deutsche Staatsangehörigkeit, 2. Nichtdeutsches Geburtsland, 3. Nichtdeutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld auch wenn der Schüler bzw. die Schülerin die deutsche Sprache beherrscht“ (Kultusministerkonferenz 2015, S. 30).
- 13.
Zum gesamten Bereich der Vorurteilsforschung sowie zur sozialpsychologischen Diskriminierungsforschung vgl. Zick in diesem Band.
- 14.
Kaum erklärt werden konnten Unterschiede in der Bildungsbeteiligung von ausländischen Kindern innerhalb eines Bundeslandes je nach Kommune (El-Mafaalani und Kemper 2015; Kemper 2015). Erste Ergebnisse deuten hier darauf hin, dass es Diskriminierung auch bei der Leistungsbeurteilung und dem Schulübergängen in bestimmten Regionen vorliegen. Interessant ist der Befund, dass die Bildungschancen für Migrantenkinder dort günstiger sind, wo ihr Anteil hoch ist, und andersherum. Dies zu erklären wird Aufgabe zukünftiger Forschung sein.
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- 16.
Man denke beispielsweise an den unterschiedlichen Bildungserfolg von Schulkindern vietnamesischer Herkunft (sehr erfolgreich) und solchen libanesischer Herkunft (sehr wenig erfolgreich) (vgl- El-Mafaalani 2016).
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Ethnische Segregation im eigentlichen Wortsinn gibt es in Deutschland bezogen auf andere Herkunftsgruppen praktisch nicht (bzw. selten nur auf kleinräumige Teile eines Stadtteils und nicht bezogen auf einen ganzen Stadtteil).
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- 19.
Ggf. lassen sich auch regionale Unterschiede in Bezug auf rassistische Diskriminierung systematisch erfassen und erklären. Hinweise darauf konnten etwa im Schulsystem (El-Mafaalani und Kemper 2015) sowie auf dem Wohnungsmarkt (Beitrag von Hinz/Auspurg in diesem Band).
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Dennoch kann die Kategorie Migrationshintergrund (inklusive der Spezifizierungen Nationalität, Migrationserfahrung, Herkunftsgruppe usw.) für die Migrations- und Integrationsforschung (insbesondere für die Analyse der Entwicklung von Teilhabechancen) überaus funktional sein.
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El-Mafaalani, A. (2017). Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund. In: Scherr, A., El-Mafaalani, A., Yüksel, G. (eds) Handbuch Diskriminierung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10976-9_26
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