In diesem Kapitel werden unter Rekurs auf die Forschungsfragen und das Forschungsinteresse die Datenerhebung und -analyse vorgestellt, begründet und reflektiert. Ausgehend von der hier eingenommenen analytischen Governanceperspektive (vgl. Abschn. 2.2) und der angestrebten mehrperspektivischen Untersuchung (vgl. Kap. 4) werden methodische Zugriffsweisen eruiert, um sodann die Entscheidung für ein qualitatives Vorgehen mittels Interviews zu begründen (Abschn. 6.1). Anschließend wird herausgearbeitet, welchen Beitrag die leitfadengestützten Experteninterviews (Abschn. 6.2) zur Beantwortung der Forschungsfragen leisten. Es folgt eine Präsentation des Samplings und die Darstellung der Datengewinnung (Abschn. 6.3) sowie die ausführliche Darlegung der Auswertungsmethode der qualitativen Inhaltsanalyse (Abschn. 6.4).

6.1 Mehrperspektivische Governanceanalyse

Das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie zielt im Kern darauf ab, die schulinspektionsbezogene Handlungskoordination zwischen den Akteuren Schulleitung, Schulaufsicht, Schulinspektion und Schulentwicklungsberatung am Beispiel der Qualitätsanalyse empirisch herauszuarbeiten. Aus Governanceperspektive gesprochen geht es also um das Verstehen komplexer Akteurskonstellationen (Benz et al., 2007; Maag Merki & Altrichter, 2015). Mit diesem Erkenntnisinteresse trifft es den Kern qualitativer Sozialforschung, die ebenso ein Verstehen sozialen Handelns verfolgt (u. a. Flick, 2019b). Insofern spricht dies zur Bearbeitung der Fragestellungen für einen „verstehenden Zugang zu den Wissensinhalten der Akteure“ (Altrichter & Maag Merki, 2016b, S. 17). Ein solcher Zugang ist auch deswegen angemessen, weil es den Ansprüchen der Arbeit, einerseits das Zusammenwirken der Akteure in genügender Differenziertheit darzulegen und andererseits mittels einer multiperspektivischen Untersuchung die verschiedenen Sichtweisen vergleichend zu analysieren, am ehesten nachkommt.

Denn wie in Kapitel 4 dargelegt, besteht bis heute ein methodisches Desiderat zur Schulinspektionsforschung mit Blick auf den „Einbezug aller Stakeholder“ (Dedering & Müller, 2008, S. 250). Es fehlen insbesondere Governanceanalysen, welche die staatliche Schulentwicklungsberatung als Akteur und damit als Erhebungseinheit berücksichtigen (vgl. Abschn. 2.2). Ferner wurde dargelegt, dass gerade für das hier zu untersuchende Phänomen mehrperspektivische Untersuchungen interessant sein dürften, um Sichtweisen systematisch aufeinander zu beziehen und so zu einem umfassenderen Bild der Handlungskoordination zu gelangen. Folglich ist die Untersuchung als „Vergleichsstudie“ (Flick, 2017, S. 254) angelegt, die nicht nur einen Fall bzw. eine Akteursperspektive in seiner Komplexität und Ganzheit betrachtet, sondern „eine Vielzahl von Fällen im Hinblick auf bestimmte Ausschnitte: Spezifische Inhalte des Expertenwissens mehrerer Personen“ (Flick, 2017, S. 254). In dieser Studie wird als Fall weder eine einzelne Person noch die hier betrachtete Akteurskonstellation, die aus unterschiedlichen Akteuren besteht (vgl. Abschn. 5.2.1), angesehen. Stattdessen besteht ein Fall – analog zur Akteursperspektive – aus einer Gruppe von Akteuren z. B. Schulleiter:innen, die Träger derselben Funktion oder Rolle sind (vgl. Abb. 6.1). Demgemäß wird der Fall als „soziales Aggregat“ (Lamnek & Krell, 2016, S. 306) betrachtet und organisations- bzw. funktionsbezogen konstruiert (Fatke, 2013). Damit wird der empirisch begründeten Annahme von Böhm-Kasper et al. (2016b) in Kapitel 4 Rechnung getragen, dass Personen derselben Akteursgruppe ähnliche(re) Perspektiven auf das zu untersuchende Phänomen besitzen als die untersuchten Akteursgruppen untereinander. Ferner kann das hier anvisierte Untersuchungsdesign nach Yin (2018) als embedded multiple-case design charakterisiert werden, weil es innerhalb des jeweils zu untersuchenden Falls drei Analyseeinheiten gibt, die „aus dem Fokus der Forschungsfragen abgeleitet werden“ (Akremi, 2019, S. 322). Dies betrifft erstens die Handlungskoordination innerhalb der Akteurskonstellation, die hauptsächlich fallübergreifend analysiert wird. Zweitens stehen die subjektiven Vorstellungen und Relevanzstrukturen der Akteure im Forschungsinteresse, die zunächst fallbezogen und anschließend fallkontrastierend untersucht werden. Drittens sind es die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse, die wieder fallübergreifend analysiert werden. So kann ein „akteurzentriertes, mehrperspektivisches und mehrebenenanalytisches Vorgehen“ (Ackeren et al., 2016, S. 39, Herv. i. O.) realisiert werden, das nun visualisiert wird.

Abb. 6.1
figure 1

Embedded multiple-case design in Anlehnung an Yin (2018, S. 48)

Ein solches multiples Fallstudiendesign bietet sich auch angesichts der komplexen Gestalt des Forschungsfeldes dieser Arbeit an, welches einerseits als gut erforscht zu bezeichnen ist und andererseits gewisse Forschungsdesiderata aufweist (vgl. Kap. 4). Denn Fallstudien bieten sich nicht nur in unerforschten Feldern an, wie dies beispielsweise auf die Berücksichtigung staatlicher Schulentwicklungsberatung in der Schulinspektionsforschung zutrifft, sondern „auch und gerade bei fortgeschrittenem Forschungsstand […], um neue oder andere Perspektiven auf das Forschungsgebiet herauszuarbeiten“ (Borchardt & Göthlich, 2009, S. 35 f.). Es geht also um die Erweiterung bestehender und die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche durch das Mehrfalldesign auf einer breiteren empirischen Basis fußen und im Vergleich zu Einzelfallstudien als tragfähiger und robuster eingestuft werden (Borchardt & Göthlich, 2009; Eisenhardt, 1989; Fatke, 2013; Miles & Huberman, 1994; Yin, 2018). Denn dadurch, dass die gewonnenen Erkenntnisse auf Ähnlichkeiten und Unterschiede hin untersucht werden können, erlaubt die Anlage der vorliegenden Studie gewisse kontextspezifische Verallgemeinerungen in Bezug auf typische Handlungsmuster oder subjektive Sichtweisen der Akteure (vgl. zu den kontextbezogenen Limitationen insb. Kap. 9).

Nachdem die Studie als vergleichendes Fallstudiendesign konzipiert ist, soll nun abgewogen werden, welche Datenerhebungsmethoden im konkreten Fall sinnvoll sind. Den Ausgangspunkt nehmen Überlegungen zur „Sichtbarkeit von Akteurhandlungen und der Einschätzung derselbigen“ (Bosche & Lehmann, 2014, S. 235), die nun in Bezug auf die in Frage kommenden Methoden – insbesondere Beobachtungen, Dokumentenanalysen und Befragungen – diskutiert werden (Borchardt & Göthlich, 2009; Yin, 2018).

Obwohl (teilnehmende) Beobachtungen zunächst als Zugang zur Handlungspraxis in Betracht gezogen und als qualitative Vorstudie durchgeführt wurden (vgl. Abschn. 6.3.1), zeichneten sich schnell Grenzen des Beobachtbaren ab. So sind die beobachtbaren Momente auf formalisierte Treffen z. B. Abstimmungsgespräch begrenzt gewesen, die nicht nur schwer zugänglich und durch die gleichzeitige Beobachtung aller anwesenden Akteure hochgradig komplex waren, sondern auch im Vorhinein mögliche Interaktionen außerhalb dieser Treffen ausschlossen (vgl. Abschn. 5.2.3). Allerdings kann nach Bosche und Lehmann (2014) auch „nicht ex ante beantwortet werden“ (S. 236), welche weiteren Situationen für die Bearbeitung der Fragestellungen interessant sind, auch weil diese höchst individuell zu sein scheinen. Ebenso wenig waren (Dauer-) Beobachtungen der einzelnen Akteure realisierbar, da deren Aufgabenspektrum in der Regel weit mehr umfasst als die mit der Qualitätsanalyse im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten (vgl. für die Schulaufsicht Abschn. 3.2.1). Zuletzt hätte eine Eingrenzung des Forschungsgegenstandes auf rein „sinnlich wahrnehmbares Verhalten“ (Atteslander, 2006, S. 72) auch bedeutet, auf die empirische Erhebung der Handlungslogiken der Akteure zu verzichten, die jedoch für die Erklärung der im Fokus stehenden Handlungskoordination von Bedeutung sind.

Ähnliche Argumente können für die Dokumentenanalyse ins Feld geführt werden, da auch hier „Herausforderungen, Probleme und Spannungen im Aushandlungsprozess oder Aussagen über das Verhalten von Akteuren in konkreten Governance-Prozessen […] in offiziellen Dokumenten auf inhaltlicher Ebene meist nicht repräsentiert [werden]“ (Haker & Nikel, 2016, S. 60). So ist zwar eine Vielzahl von Dokumenten in der Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsfeld gesichtet worden, die etwas über formale Reglements verraten, aber nicht über ihre handlungspraktische Umsetzung (vgl. Abschn. 5.2.3). Auch die von den Akteuren selbst erstellten Protokolle ihrer Zusammentreffen kommen als Datengrundlage nicht in Frage, weil sie eher Ergebnisprotokolle darstellen, als dass sie den Fortgang der Interaktion in einem für diese Untersuchung interessierenden Maße dokumentieren würden. So besteht Bosche und Lehmann (2014) zufolge die „grundsätzliche forschungspraktische Schwierigkeit, dass Akteure unsichtbar bleiben, wenn sie und/oder ihre Handlungen nirgendwo dokumentiert sind“ (S. 234 f.). Auch liefern solche Dokumente keine Hinweise zu Interaktionen außerhalb dieser Treffen oder zu den subjektiven Bedeutungshorizonten der Akteure. Zusammengenommen führt dies zu dem Schluss, dass sowohl Dokumentenanalysen als auch Beobachtungen für die verfolgten Fragestellungen allenfalls als ergänzende Methoden dienlich sind, nicht aber als zentrale Erhebungsmethode.

Im Anschluss an vorherige Überlegungen scheint eine Befragung am besten geeignet, um sich Fragen nach der Handlungskoordination und den subjektiven Vorstellungen der Akteure empirisch zu nähern. Eine solche Befragung mittels Interviews zu realisieren, ist den Forschungsfragen angemessen, weil es – im Gegensatz zu Befragungen mittels Fragebogen – den Befragten erlaubt zu den angesprochenen Themen eigene Relevanzen zu entwickeln und diese in das Gespräch einzubringen. Insofern ermöglichen Interviews die für die Forschungsfragen notwendige Flexibilität und Offenheit im Erhebungsprozess (Gläser & Laudel, 2010; Wichmann, 2019). Weil sich bei der dargelegten Verfahrenskonzeption der Qualitätsanalyse in Abschnitt 5.2.3 eine entsprechende Komplexität und schulspezifische Ausgestaltung der Prozessabläufe andeutet, muss das Erhebungsinstrument Möglichkeiten bereithalten, ausreichend differenzierte Aussagen generieren und im Erhebungsprozess Nachfragen stellen zu können. Dies ist ein weiteres Argument was für die Durchführung von Interviews, die durchaus gängig für qualitative Governancestudien sind, spricht. Nachteilig ist, dass Interviews im Vergleich zu Fragebogenerhebungen keine größere Stichprobe ermöglichen. Allerdings ist diese aufgrund der Spezifik des Forschungsinteresses ohnehin eingeschränkt, etwa weil es nur wenige potenziell zu interviewende Qualitätsprüfer:innen mit der Lehramtsbefähigung für die Grundschulen gibt (vgl. zur Auswahl der Interviewpartner.innen auch Abschn. 6.3.1). So erscheint die Generierung einer hinreichend großen Stichprobe für eine quantitative Befragung bei gleichzeitiger Beibehaltung der in Kap. 4 geforderten Kontextspezifität mit dem Fokus auf Grundschulen in NRW schwerlich zu realisieren. Zusammengenommen versprechen Interviews, die hier im Querschnittsdesign realisiert wurden, ein hohes Erklärungspotential für die zu bearbeitenden Fragestellungen. Warum speziell leitfadengestützte Experteninterviews für die vorliegende Arbeit angemessen sind, wird im nachfolgenden Kapitel erläutert.

6.2 Erhebungsmethode: Leitfadengestützte Experteninterviews

Die Interviews in der vorliegenden Untersuchung wurden als „Hauptinstrument der Datenerhebung“ (Meuser & Nagel, 2005, S. 76) in Form von Experteninterviews konzipiert und sind – wie in den meisten Fälle üblich – leitfadengestützt realisiert worden. Im Folgenden wird erläutert, was diese Art der Interviews auszeichnet, warum die Erhebungsmethode in dieser Arbeit gegenstandsadäquat ist, welches Expertenwissen damit eruiert wird und wie der Leitfaden konzipiert wurde.

Kennzeichnend für Experteninterviews ist, dass Personen als Experten befragt werden, die aufgrund ihrer Beteiligung in bestimmten Kontexten über spezifisches Wissen verfügen, das im Interesse der Forschung steht (Gläser & Laudel, 2010). Der Expertenstatus wird auf Basis der Konstitution des Forschungsfeldes zugeschrieben und anhand der Position einer Person und/oder an ihrem forschungsrelevanten Wissen festgemacht (Bogner et al., 2014; Helfferich, 2011; Kaiser, 2014). Konkret werden in dieser Studie diejenigen Personen als Experten adressiert, die „FunktionsträgerInnen innerhalb eines organisatorischen oder institutionellen Kontextes [sind]“ (Meuser & Nagel, 1991, S. 444; vgl. auch Liebold & Trinczek, 2009). Damit wird sich am eher engen Expertenbegriff angeschlossen, der die institutionalisierte Zugehörigkeit des Experten bzw. seine Zuständigkeit in einer spezifischen Berufsrolle in den Vordergrund stellt.Footnote 1 Folglich geht es nicht um die Befragten als „Privatperson“ (Helfferich, 2011, S. 163), sondern um ihre Rolle als „Funktionsvertreter und somit als speziellen Wissensträger“ (Misoch, 2019, S. 121).

Das Expertenwissen

Das Wissen der Experten firmiert auch unter den Begriffen „Spezialwissen“ (Döring & Bortz, 2016, S. 376), „Sonderwissen“ (Misoch, 2019, S. 119) oder „Rollenwissen“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 119) und ist nach Bogner et al. (2014) deshalb von Interesse, weil es „in besonderem Ausmaß praxiswirksam wird“ (S. 13, Herv. i. O.). In Abgrenzung zu Eliten oder Spezialisten werden Experten deshalb befragt, „weil ihre Handlungsorientierungen, ihr Wissen und ihre Einschätzungen die Handlungsbedingungen anderer Akteure in entscheidender Weise (mit-) strukturieren“ (Bogner et al., 2014, S. 13, Herv. i. O.). Damit wird sowohl auf die „(Letzt-)Verantwortlichkeit“ (Pfadenhauer, 2009b, S. 452) der Experten als wesentliches Merkmal ihrer exklusiven Wissensbestände verwiesen als auch auf die ihnen zugestandene „institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit“ (Hitzler et al., 1994, S. 1). Demzufolge wird das Wissen von Experten als prägend für ein breiteres Handlungsfeld angesehen (Helfferich, 2019). Dieses Wissen kann analytisch in unterschiedliche Formen ausdifferenziert werden, wobei im Interesse dieser Arbeit primär das Betriebs- oder auch Prozesswissen steht. Das Prozesswissen umfasst „Einsicht in Handlungsabläufe, Interaktionen, organisationale Konstellationen, Ereignisse usw., in die die Befragten involviert sind oder waren“ (Bogner et al., 2014, S. 18). Es bezieht sich also auf eigene Handlungszusammenhänge und gilt als standort- und personengebunden. Ferner wird es als reflexiv verfügbar verstanden, d. h. es ist ein von befragten Personen „spontan kommunizierbare[s] Handlungs- und Expertenwissen“ (Bogner & Menz, 2005, S. 37). In den sprachlich artikulierten Beschreibungen von Handlungsabläufen dokumentieren sich hierneben subjektive Einstellungen der Experten zu dem untersuchten Phänomen wie auch „durchaus disparate Handlungsmaximen und individuelle Entscheidungsregeln“ (Bogner & Menz, 2005, S. 46, Herv. i. O.). Diese sind zur Ergründung der Handlungsorientierungen der Akteure ebenfalls von Interesse und komplementieren die in dieser Studie interessierenden Wissensbestände. So kann eruiert werden, wie das Handeln der Akteure „gestaltet ist, welchen Logiken dieses […] folgt und wie dieses strukturiert und/oder begründet wird“ (Misoch, 2019, S. 121). Zusammengenommen sind Experteninterviews für die verfolgten Fragestellungen gegenstandsadäquat, weil sie „mit ihrem in einen Funktionskontext eingebundenen Akteurswissen kollektive Orientierungen [repräsentieren] und […] Auskunft über ein funktionsbereichsspezifisches Wissen [geben]“ (Liebold & Trinczek, 2009, S. 53).

Die Datengewinnung ist mit Hilfe eines offenen und dennoch thematisch strukturierten Gesprächsleitfadens realisiert. Damit wird versucht, „anhand von erzählgenerierenden Fragen […], konkrete Themenbereiche zu untersuchen, die den speziellen Wissensbeständen der Experten zugerechnet werden können“ (Misoch, 2019, S. 123). Eine solche Teilstrukturierung der Interviews eignet sich für die Erfassung des oben spezifizierten Expertenwissens, da es den Gesprächsverlauf entlang eines roten Fadens gliedert, dabei aber offen für subjektive Schwerpunktsetzungen der Befragten bleibt (Meuser & Nagel, 2009). Für alle interviewten Akteursgruppen ist ein Leitfaden erstellt worden, der gleichzeitig Anpassungen für die jeweilige Gruppe vorhält. Damit wurde die für das Design der Studie notwendige Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet und gleichzeitig genügend Raum für akteursspezifische Sichtweisen gelassen (u. a. Bogner et al., 2014; Kaiser, 2014).

Der Interviewleitfaden

Der Interviewleitfaden, der sich am Schema von Helfferich (2019) orientiert, gliedert sich in unterschiedliche Themenblöcke, die „einer für den Experten nachvollziehbaren Argumentationslogik“ (Kaiser, 2014, S. 53) folgen. Der Einstieg in den ersten Themenblock lenkt zunächst auf den Forschungskontext, konkret auf das subjektive Verständnis und die Bedeutungszuweisung der Qualitätsanalyse. Der zweite Themenblock widmet sich der Darstellung der eigenen Rolle der Interviewpartner:innen. Hier sollen neben dem Rollenverständnis der Akteure im Zuge der Qualitätsanalyse auch Zieldimensionen des eigenen Handelns sowie Orientierungen, die sie für relevant halten, thematisiert werden. In einem dritten Themenblock schließen sich Beschreibungen und Bewertung zum Arbeitsbündnis und der Handlungskoordination an. Die Befragten werden aufgefordert, wichtige Personen bzw. Interaktionspartner:innen zu benennen sowie die Art der Zusammenarbeit in der Akteurskonstellation zu erläutern und zu bewerten. Hier soll auch Raum gegeben werden, die Wahrnehmung anderer Akteure und Erwartungen an diese zu schildern sowie Gelingensbedingungen, Hemmnisse und Rahmenbedingungen koordinierten Handelns zu thematisieren. Im vierten Themenblock werden die Befragten gebeten, eine bewertende Gesamteinschätzung zur Qualität des Verfahrens und zur Eignung der Qualitätsanalyse für die Initiierung von Schulentwicklung abzugeben. Der letzte Themenblock zielt auf Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse im Allgemeinen sowie auf das Zusammenwirken der Akteure im Speziellen. Damit wird den Experten die Möglichkeit gegeben, Problemursachen und Lösungsprinzipien zu benennen (Pfadenhauer, 2009b; Meuser & Nagel, 2005). Am Ende des Interviews erhalten die Befragten letztmalig die Chance, bisher unberücksichtigte Aspekte zu thematisieren.

Insgesamt charakterisiert sich der in dieser Untersuchung zum Einsatz kommende Leitfaden als eine „Kombination von offener Erzählaufforderung und in der Offenheit näher zu bestimmenden immanenten Nachfragen“ (Helfferich, 2019, S. 677). Die erzählungsgenerierenden Fragen sind dabei als Aufforderungen zu Darstellungen zu verstehen, die sich auf „Ereignisse, Erlebnisse und Handlungen [beziehen]“ (Bogner et al., 2014, S. 62). Jene Form des Sprechanreizes wechselt sich im Laufe des Interviews mit Stellungnahmen und Bewertungsfragen ab, die auf den konkreten Forschungsgegenstand bezogen sind.

Zusammengenommen eignen sich die in dieser Art konzipierten Leitfadenfragen – im Gegensatz zu Faktenfragen, die dem reinen Informationsabrufs dienen –, weil sie Anlass geben, erinnerte Geschehnisse sowie die Bewertung von Prozessen bei der Qualitätsanalyse zu beschreiben. Damit soll den Interviewten die Möglichkeit gegeben werden, ihre subjektiven Relevanzhorizonte und eigenen Sachverhaltsdarstellungen zum Ausdruck zu bringen (Helfferich, 2018). Gestützt wird das Interview durch die im Leitfaden angelegten „Aufrechterhaltungsfragen“ (Helfferich, 2018, S. 815) sowie „immanente […] und exmanente Nachfragen“ (Helfferich, 2018, S. 815, Herv. i. O.). Sie kommen zum Einsatz, wenn die Befragten im Anschluss an ihren Erzählblock dazu aufgefordert werden sollen, das Berichtete zu präzisieren, weiter zu beschreiben, zu erklären oder auf Aspekte einzugehen, die (noch) zu wenig angesprochen wurden (Bogner et al., 2014; Helfferich, 2019).

Der Leitfaden wurde mit verschiedenen Teams aus Wissenschaftler:innen hinsichtlich Anwendbarkeit, Genauigkeit und Offenheit der Fragen(formulierung) diskutiert und entsprechend den Rückmeldungen weiterentwickelt. Überdies ist der Leitfaden – wie empfohlen – einem Pre-Test zur Überprüfung mit einer Person aus dem Dezernat 4Q unterzogen worden. Dabei wurde das Verständnis der Fragen, die Struktur des Interviewablaufs sowie die Befragungsdauer gemeinsam reflektiert (u. a. Friebertshäuser & Langer, 2013; Helfferich, 2019; Kaiser, 2014).

6.3 Datengewinnung und Datenquellen

Nachdem im vorherigen Kapitel die Erhebungsmethode des leitfadengestützten Experteninterviews ausführlich dargestellt und begründet wurde, thematisiert dieses Kapitel die konkrete Datengewinnung. Es wird mit der begründeten Darlegung der Expertenauswahl und ihrer Akquise begonnen (Abschn. 6.3.1), die um Erläuterungen zur Durchführung der Interviews ergänzt werden (Abschn. 6.3.2). Abschließend werden das Transkriptionsverfahren und die Regeln der Datenaufbereitung (Abschn. 6.3.3) dargelegt.

6.3.1 Auswahl und Akquise der Experten

Wie in Abschnitt 6.2 erläutert, handelt es sich bei den ausgewählten Experten um „formale Akteure“ (Bosche & Lehmann, 2014, S. 237), weil sie faktisch bestimmte Positionen bzw. Funktionsstellen besetzen oder sich durch die Erfüllung formaler Ausbildungsanforderungen auszeichnen und Teil der hier zu betrachtenden Akteurskonstellation sind. Konkret geht es um Qualitätsprüfer:innen, Schulaufsichtsbeamt:innen sowie Schulentwicklungsberater:innen und Schulleiter:innen, deren Rollen und Aufgaben im Kontext der Qualitätsanalyse – wie in Abschnitt 5.2.1 geschildert – formal benannt sind und so nicht nur der schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination einen Rahmen geben, sondern auch das Sampling dieser Studie leiten. Insgesamt wurden für die vorliegende Arbeit 16 Experteninterviews geführt, d. h. je vier Interviews der o.g. vier Akteursgruppen, die in Kapitel 6.1 als Fälle definiert sind. Es wird davon ausgegangen, dass die ausgewählten Akteure „aufgrund ihrer spezifischen Stellung in dem zu rekonstruierenden Prozess jeweils über andere Informationen verfügen“ (Gläser & Laudel, 2010, S. 117) und so nicht nur der Zugang zu verschiedenen Ausprägungen des Expertenwissens möglich ist, sondern auch die hier anvisierte, vergleichende Analyse.

Die konkrete Auswahl der Befragten erfolgt mit einer Sampling-Strategie, bei der die „Stichprobe vor Beginn der Untersuchung bezüglich bestimmter Merkmale festgelegt [wird]“ (Merkens, 2017, S. 291 f.; vgl. Hering & Schmidt, 2014). Das Sampling kommt so einer vorab konstruierten, bewussten Fallauswahl gleich, die der von Reinders (2016) beschriebenen „deduktive[n] Stichprobenziehung“ (S. 119) entspricht. Hierbei leitend ist neben der Zugänglichkeit zum Fall auch die Vorkenntnis der Forschenden u. a. über Personen (Akremi, 2019; Gläser & Laudel, 2010; Kelle & Kluge, 2010). Eine solch zielgerichtete Expertenauswahl erfordert eine transparente Dokumentation, der nun nachgekommen werden soll. Diese zielt neben der Erläuterung und Begründung von Merkmalsausprägungen auch darauf ab, darzulegen, welche Informationen für die Stichprobenentscheidungen hinzugezogen wurden und wie der Zugang zu den auserwählten Interviewpartner:innen erfolgte.

Die genaue Fallkonstruktion in dieser Arbeit orientiert sich zunächst an der Replikationslogik, d. h. die Akteurskonstellation wird viermal repliziert (Yin, 2018). Dabei folgt die Auswahl der Experten „sowohl dem Konzentrations- als auch dem Streuungsprinzip“ (Akremi, 2019, S. 322), wonach sowohl homogene Merkmale als auch eine entsprechende Variation von Merkmalen kombiniert wurden. Insofern galt es in der Konzeptionsphase der Studie, ein ausgewogenes und für die Beantwortung der Fragestellungen sinnvolles Maß zwischen Einheit und „Vielfalt der in einem Untersuchungsfeld vorhandenen Konstellationen“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2019, S. 115) herzustellen. Folgende, in erster Linie konzentrationsorientierte Vorüberlegungen sind in die Auswahlentscheidung eingeflossen:

Es ist bekannt und ausführlich in Kapitel 4 begründet, dass die Untersuchung auf die Qualitätsanalyse in Nordrhein-Westfalen und die Schulform Grundschule bezogen ist. Hierneben ist entschieden worden, die Auswahl der Interviewpartner:innen innerhalb einer Bezirksregierung (als BR B anonymisiert) auf vier Schulamtsbezirke, zwei kreisfreie Städte und zwei Kreise, zu begrenzen. Begründet wird dies neben forschungsökonomischen Aspekten auch durch die Größenunterschiede der Bezirksregierungen mit Blick auf die variierende Anzahl der Schulen und Schulämter sowie die unterschiedliche Stellenanzahl in den Dezernaten 4Q. Damit verbunden sind „unterschiedliche Vorgehensweisen beim Vollzug landesweit einheitlicher vorgegebener Aufgaben“ (Bogumil et al., 2016, S. 24; vgl. W. Fuchs, 2015b) zwischen den Bezirksregierungen, die sich auch in der variierenden Anzahl an bisher durchgeführten Qualitätsanalysen zeigen. Die zwei Städte bzw. Kreise wurden gemäß dem Streuungsprinzip in Bezug auf die örtliche Nähe zum Schulamt und dem KreissozialindexFootnote 2, der sozialen Belastung der vier Schulamtsbezirke, ausgewählt. Eine Variation der ausgewählten Schulamtsbezirke mit Blick auf die Indexeinheiten bedeutet, dass sie unterschiedliche Kompositionen der Schülerschaft hervorbringen und entsprechend in ihren Schulausgangslagen differieren. Es wird angenommen, dass dies mit unterschiedlichen Herausforderungen in Bezug auf die (kontextabhängige) Schulentwicklung einhergeht, die sich letztlich in der Qualitätsanalyse zeigen können (u. a. Bonsen et al., 2010; Holtappels, 2008; Möller & Bellenberg, 2017).

Die unterschiedliche Anzahl potenziell zur Verfügung stehender Interviewpartner:innen machte neben den obigen Stichprobenstrategien weitere Auswahlentscheidungen nötig, die nun für jede Akteursgruppe spezifiziert werden. So wurden diejenigen Qualitätsprüfer:innen der festgelegten Bezirksregierung ausgewählt, die eine Lehramtsbefähigung für die Grundschule besitzen und daher für die Leitung der Qualitätsteams an Grundschulen verantwortlich sind (§1, Abs. 2 QA-VO). Für die übrigen Akteursgruppen ist vorwegzunehmen, dass zwar stets ein Repräsentant aus den optierten Schulamtsbezirken ausgewählt wurde, aber aus Gründen der Anonymität die replizierte Akteurskonstellation nicht immer eine reale Konstellation abbildet. Das heißt, es wurde beispielsweise aus einem Schulamtsbezirk eine Schulleiterin einer Schule ausgewählt und dazu nicht zwangsläufig genau die für diese Schule zuständige Schulaufsichtsbeamtin. Aus den gewählten Schulamtsbezirke wurden einzelne Schulaufsichtsbeamt:innen für ein Interview angefragt. In denselben Kreisen und kreisfreien Städten wurden ferner Schulentwicklungsberater:innen und Schulleiter:innen mittels zusätzlich festgelegter Merkmale ausgewählt. Als zusätzliche Kriterien für die Schulentwicklungsberater:innen wurden in Abstimmung mit dem Dezernat 46 Lehreraus- und Fortbildung der gewählten Bezirksregierung die Kompetenzstufen und eine ausreichende Erfahrung herangezogen. Die Schulleiter:innen von Grundschulen aus den Schulamtsbezirken wurden außerdem danach ausgewählt, ob sie in den Schuljahren 2017/18 und 2018/19 an einer Qualitätsanalyse teilgenommen haben. Überdies wurde bei der Auswahl auf einen angemessenen zeitlichen Abstand der Schulbesuchstage, eine Varianz der leitenden Qualitätsprüfer:innen sowie Unterschiede bei den Elementen der Hauptphase (mit/ohne Erläuterungsgespräch; mit/ohne verändertes Rückmeldeformat) geachtet. All diese Informationen wurden der Forschenden seitens der Bezirksregierung zur Verfügung gestellt. Die bewusste Befragung von Schulleiter:innen als Repräsentanten der Mesoebene hat vor allem zwei Gründe: Erstens sind sie zentrale Ansprechpartner:innen im Inspektionsverfahren, verantwortlich für innerschulische Qualitätsprozesse und sollen in den unterschiedlichen Phasen eng mit anderen Akteuren auch oberhalb der Mesoebene zusammenarbeiten (vgl. Abschn. 5.2.1). Zweitens fällt ihnen aus empirischer Sicht eine Schlüsselrolle im professionellen Umgang, der Datennutzung und der Verarbeitung von Schulinspektion zu (Böhm-Kasper & Selders, 2013; Preuß et al., 2012 vgl. Abschn. 3.1). Bevor nun die konkrete Rekrutierung der Interviewpartner:innen geschildert wird, visualisiert die Tabelle 6.1 die Merkmalsausprägung der in Frage kommenden Experten abschließend.

Tab. 6.1 Bewusste Auswahl der Experten (eigene Darstellung)

Der Zugang zum Forschungsfeld beginnt laut Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014) „bereits vor der eigentlichen Erhebung“ (S. 40), denn der institutionelle Kontext, in dem die als Experten adressierten Personen interagieren, gehört

zum Feld dazu und muss als solcher gesondert erschlossen werden. Die Personen, die es zu befragen gilt, teilen – auch wenn sie sich untereinander nicht kennen – bestimmte Erfahrungen, sind bestimmten institutionellen Prozeduren [...] ausgesetzt und unterliegen bestimmten institutionellen Regeln, die es als solche zu rekonstruieren gilt. (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 40f.)

Infolgedessen plädieren die Autorinnen für Einblicke in die institutionellen Rahmenbedingungen des zu untersuchenden Feldes etwa durch Beobachtungen zu Beginn des Forschungsprozesses. Ihrer Ansicht nach kommen ohne diese „nur Forschende aus, denen das jeweilige Forschungsfeld aus der Teilnehmerperspektive […] bereits bekannt ist“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 56). Deswegen wurden vor der eigentlichen Erhebung teilnehmende Beobachtungen bei einigen Elementen der Qualitätsanalyse u. a. Abstimmungsgespräch oder Schulbesuchstage durchgeführt. Als qualitative Vorstudie erfüllten sie vor der Erstellung des Leitfadens und der Datenerhebung durch Interviews den Zweck „der Erweiterung des Wissens“ (Gläser & Laudel, 2010, S. 107) und dienten dazu, den Weg zu potenziellen Interviewpartner:innen zu ebnen (Hering & Schmidt, 2014).

Weil „die Zugänge zur Schulaufsicht […] nicht immer so einfach [sind]“ (Bremm & Klein, 2021, S. 55), erschien es beim weiteren Zugang zum Feld strategisch sinnvoll, die hierarchisch geprägte Verwaltungsstruktur zu berücksichtigen und „den offiziellen Dienstweg einzuhalten“ (Wolff, 2017, S. 342). Daher wurde das Vorhaben zu Beginn einmalig im Ministerium für Schule und Bildung sowie mehrfach und parallel zu den laufenden Beobachtungen in der Schulabteilung der untersuchten Bezirksregierung vorgestellt. Ferner wurde ein „Informationsblatt“ (Helfferich, 2011, S. 176) zur Weitergabe für die Schulabteilungen bereitgestellt und die Vorgehensweise wiederholt in unterschiedlichen Kontexten der Bezirksregierung besprochen. Dabei galt es, das Forschungsvorhaben in allgemeinverständlicher Weise darzulegen, ohne dass sich „Barrieren an einer frühen Stelle im Forschungsprozess errichten“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 44). So ging es zunächst darum, „Kontakte zu etablieren und Vertrauen aufzubauen“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 44), was schließlich über die eigene Rollenpositionierung der Forschenden sowie einer kommunikativen, authentischen Haltung und das offen vermittelte Interesse gelang (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014; Helfferich, 2011). In der Folge konnten einige (Haupt-)dezernenten der auserwählten Bezirksregierung als Gatekeeper – wie sie Kaiser (2014) nennt – gewonnen werden. Diese Personen gehören meist selbst zum Feld, genießen dort hohe Autorität und erklärten sich im Fall der vorliegenden Untersuchung bereit, das Forschungsprojekt zu unterstützen und weitere Informationen zum Feld bereitzustellen (Misoch, 2019; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Eine solche Vorgehensweise ist jedoch auch kritisch zu sehen, weil nach Wolff (2017) von Seiten der Gatekeeper mit Instrumentalisierungsversuchen in Bezug auf die Forschung zu rechnen ist. Um mögliche Verzerrungen durch den Einfluss der Gatekeeper zu vermeiden und ein gewisses Niveau an Vertraulichkeit zu gewährleisten, wurden lediglich die durch die Gatekeeper zur Verfügung gestellten Informationen von der Autorin dieser Arbeit genutzt, um potenzielle Interviewpartner:innen kriteriengeleitet auszuwählen und daraufhin Interviewanfragen eigenständig zu stellen. Dieses Vorgehen war auch deshalb sinnvoll, weil die Untersuchung in gewisser Weise der „Enge des Expertenfeldes“ (Kaiser, 2014, S. 86) unterliegt und sich hier „Fragen des Datenschutzes […] in spezifischer Weise [stellen]“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 41).

Die konkrete Kontaktaufnahme erfolgte je nach Akteursgruppe höchst unterschiedlich. Während der Kontakt zu den Qualitätsprüfer:innen relativ schnell über den „direkte[n] persönliche[n] Kontakt“ (Bogner et al., 2014, S. 38) durch die vorherigen Beobachtungen hergestellt wurde, ist der Erstkontakt zu den staatlichen Schulentwicklungsberater:innen auf einer Fortbildungsveranstaltung hergestellt worden. Auf dieser wurde das Forschungsprojekt vorgestellt und um Einverständnis zur Herausgabe von personenbezogenen Daten gebeten. Darauf aufbauend und gemäß der oben geschilderten Samplingstrategie wurden anschließend ausgewählte Schulentwicklungsberater:innen per E-Mail kontaktiert. Da eine Vorstellung bei allen Schulaufsichtsbeamt:innen für die Schulform Grundschule nicht möglich war, wurden die ausgewählten Personen dieser Akteursgruppe direkt mit einem elektronischen Anschreiben per E-Mail kontaktiert. Ein ähnliches Anschreiben erhielten ebenso die ausgewählten Schulleiter:innen. Weil auf diese E-Mails lediglich vereinzelt Rückmeldungen folgten, wurde das Gespräch zu den angeschriebenen Personen in einem zweiten Schritt telefonisch gesucht. Hiermit konnte schlussendlich die Interviewbereitschaft erwirkt werden. Gleichzeitig wurden die beschriebenen Zugangswege nach Wolff (2017) als Einblicke in die Logik des untersuchten Handlungsfeldes verbucht.

6.3.2 Durchführung der Interviews

Die 16 Experteninterviews wurden jeweils als aufnahmegestützte Einzelinterviews zwischen Mitte Juni und Ende September 2019 von der Forschenden durchgeführt und haben einen Umfang von 40 bis 100 Minuten. Einzelinterviews haben gegenüber Interviews mit mehreren Akteuren den Vorteil, dass weniger „Rücksichtnahmen und Präsentationsfassaden ins Spiel [kommen]“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 8) und die Befragten so eher dazu angeregt sind, ihre subjektiven Sichtweisen zu artikulieren. Die Interviews wurden vor Ort in den Dienststätten der Befragten durchgeführt, um so die Adressierung ihrer Expertenrolle zu unterstreichen. Davon abweichend gab es zwei Ausnahmen. Zwei Interviews mit Schulentwicklungsberater:innen, die gleichzeitig eine Schulleitungsfunktion inne hatten, fanden an den jeweiligen Schulen statt. Wie allgemein üblich wurden die Befragungen als face-to-face-Interview durchgeführt und dem Telefoninterview aufgrund methodologischer Bedenken, wie sie beispielsweise Gläser und Laudel (2010) bezüglich möglicher Einschränkungen hinsichtlich des Informationsgehaltes und der Kontrollierbarkeit anführen, vorgezogen. Angelehnt an die Empfehlung von Helfferich (2011) wurde eine Einwilligungserklärung genutzt, um über die vertrauliche Behandlung, Anonymisierung und Verwendung der Daten aufzuklären und damit das Einverständnis der Befragten zu dokumentieren. Neben der Tonbandaufzeichnung der Interviews, wurde die konkrete Interviewsituation mittels kurzer Gesprächsprotokolle skizziert.

Die Anforderungen an die Rolle der Interviewenden sind bei Experteninterviews hoch, vielfältig, sogar widersprüchlich, werden durch Kompetenzzuschreibungen von Seiten der Befragten geprägt und beeinflussen so die Interviewsituation (u. a. Bogner et al., 2014; Helfferich, 2011; Misoch, 2019). Während Gläser und Laudel (2004) für die „Rolle des neutral fragenden, interessierten, vorinformierten Laien“ (S. 182) plädieren, empfehlen Trinczek (2009) oder Pfadenhauer (2009a) ein Interviewsetting, „das der Gesprächssituation unter Experten möglichst nahe kommt“ (S. 105, Herv. i. O.). Letzteres favorisiert die Rolle des Interviewenden als „Quasi-Experte“ (Pfadenhauer, 2009a, S. 105) oder „Co-Experte“ (Bogner & Menz, 2005, S. 60). Dies wird als Pendant zum Laien angesehen, weil der Befragte „einen gemeinsam geteilten Vorrat an Kenntnissen und Wissen voraus[setzt]“ (Bogner & Menz, 2005, S. 50). Welche Rolle im Interviewsetting eingenommen werden sollte, hängt nicht zuletzt vom Forschungsinteresse und der Form des zu erhebenden Expertenwissens ab (vgl. Abschn. 6.2). Für die vorliegende Studie, die auf die Ergründung von Handlungspraktiken und den zugrundeliegenden Handlungslogiken abzielt, gibt es allerdings keine klare Empfehlung. Denn während nach Pfadenhauer (2009a) ein Gespräch auf Augenhöhe den Experten erst ermöglicht, die „eigenen Relevanzen entwickeln und formulieren zu lassen“ (S. 103), betonen Bogner et al. (2014), dass in einem solchen Gespräch mit Co-Experten die „(zumeist impliziten) handlungspraktischen Voraussetzungen der eigenen Orientierung […] nicht ausdrücklich dargestellt werden“ (S. 53). In der Folge wird für die Selbstpräsentation der Interviewenden eine von Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014) empfohlene „Mischung von Kompetenz und Wissensbedarf“ (S. 122) angestrebt. Diese beinhaltet eine gewisse Wissensaneignung der Interviewenden im Vorfeld der Erhebung (vgl. auch Abschn. 6.3.1) und versucht gleichzeitig eine wie beim „Interviewer als Laien“ (Bogner & Menz, 2005, S. 54, Herv. i. O.) eher übliche, vertrauensvolle Kommunikationssituation zu realisieren. Unabhängig von den Absichten der Interviewenden bleibt die Rollenkonfiguration jedoch eine nur bedingt zu beeinflussende Zuschreibung der Befragten, die auch von Kontextfaktoren z. B. Termindruck, Altersunterschieden, Geschlecht oder Status der Interviewenden abhängt (Bogner & Menz, 2005; Borchardt & Göthlich, 2009; Trinczek, 2009).

Wie Helfferich (2011) empfehlt, wurde die konkrete Interviewsituation so gestaltet, dass zum Einstieg ein kurzes alltagskommunikatives Gespräch mit dem Ziel der Vertrauensbildung geführt wurde, bevor Hintergrundinformationen zum Forschungsvorhaben, zur Interviewenden und zum Umgang mit personenbezogenen Daten gegeben wurden. Nachdem explizit auf den Expertenstatus verwiesen und die Themenblöcke des Interviews transparent gemacht wurden, sind die Prinzipien der Gesprächsführung dargelegt worden. So wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Interviews sich am Prinzip größtmöglicher Offenheit orientieren und „bei der Perspektive des Interviewten seinen Ausgangspunkt nehmen“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 128). Damit einher ging „eine flexible, unbürokratische Handhabung des Leitfadens“ (Meuser & Nagel, 2005, S. 269), mit der schließlich eine „diskursiv-argumentative[n] Interviewsituation“ (Trinczek, 2009, S. 234) realisiert werden sollte. Diese ist insbesondere bei Experteninterviews anzustreben, damit sich „der Experte […] von formalen Beschlussfassungen seiner Organisation löst und gerade dadurch die für das Forschungsvorhaben tatsächlich relevanten Informationen liefert“ (Kaiser, 2014, S. 80). Die Forschende passte sich an den Erzählfluss der Befragten an und konnte das Gespräch mit Nachfragen, in denen die Begrifflichkeiten der Befragten wiederaufgenommen wurden, steuern (Bogner et al., 2014). So wurden die Befragten durch Nachfragen eingeladen, eine Reflexion des Gesagten vorzunehmen, Stellung zu beziehen oder auch Beschreibungen von Beziehungen zu bisher nicht genannten Akteuren nachzukommen. Bezugnehmend auf die oben diskutierte Rolle der Interviewenden changiert die Rolle der Interviewenden dabei „in situationsspezifische[r] Angemessenheit“ (Bogner et al., 2014, S. 93) zwischen Laie und Co-Experte. Beispielsweise konnte zum Ausdruck gebracht werden, dass einem etwas „bekannt ist, nur dass man gerne die persönliche Sichtweise näher erläutert hätte. So kann man eigenes Wissen demonstrieren und zugleich klar machen, dass man trotzdem noch Schilderungen erhalten möchte“ (Bogner et al., 2014, S. 67).

6.3.3 Transkription und Aufbereitung des Datenmaterials

Mit der Verschriftlichung von Interviewmaterial geht stets eine Reduktion der Datenkomplexität einher, auch wenn es sich wie in dieser Arbeit um ein einfaches Transkriptionssystem handelt (Misoch, 2019). Ein solches „Basistranskript“ (A. Langer, 2013, S. 520) ist grundsätzlich für diejenigen wissenschaftlichen Studien – und so auch für die vorliegende Arbeit – geeignet, die keine sprachwissenschaftliche Analyse beabsichtigen, sondern auf den inhaltlichen Gehalt des Gesagten abzielen. Entsprechend wurde sämtliches auditives Interviewmaterial vollständig, wortgetreu und in üblicher Schriftsprache professionell transkribiert und so für die inhaltsanalytische Auswertungsmethode zugänglich gemacht. Im Konkreten wurden folgende Transkriptionsregeln in Anlehnung an Dresing und Pehl (2015) sowie Misoch (2019) angewandt: Die Interviews sind wörtlich transkribiert. Auf die Verschriftlichung von para- und nonverbalen Ereignissen sowie die Markierung von Prosodie wie z. B. gefüllte und ungefüllte Pausen, Intonation, Lautstärke und Akzente wurde verzichtet. Die Transkriptionen sind sprachlich geglättet, d. h. Wortverschleifungen wurden angepasst. Störungen und unverständliche Passagen wurden in Klammern notiert z. B. [Telefon klingelt]. Ferner sind die Gesprächsteilnehmenden anonymisiert. Während die Interviewerin in allen Transkripten mit IF abgekürzt wurde, sind die befragten Personen durch zugeordnete Kürzel z. B. QP4 gekennzeichnet. Diese allgemeinen Regeln sind um eigene Vorgaben – wie sie Gläser und Laudel (2010) vorsehen – ergänzt worden. Darunter fällt, dass die in den Interviews genutzten Abkürzungen, die dem allgemeingültigen Sprachduktus der nordrhein-westfälischen Qualitätsanalyse entstammen, übernommen wurden. Ebenso wurden die o.g. Abkürzungen für Personen in bestimmten Funktionen auch im Transkript verwandt.

Die Transkripte wurden mit den Interviewaufnahmen abgeglichen und in Einzelfällen bezüglich spezifischer Begrifflichkeiten oder hinsichtlich des im Zusammenhang mit der Qualitätsanalyse stehenden Fachjargons korrigiert. Ferner wurden nach den Empfehlungen von Kinder-Kurlanda und Watteler (2015) jegliche Merkmale in den Transkripten anonymisiert, die auf eine bestimmte Person oder identifizierbare Arbeitskontexte schließen lassen. Dazu zählen personenbezogene Einzelangaben, indirekte Kontextinformationen wie die Bezirksregierung oder Ortsangaben, die anonymisiert oder gar gestrichen wurden, wenn sie nähere Beschreibungen von Arbeitskontexten enthielten. Da die interviewten Personen als Akteure und Experten „eines klar definierten Funktionsbereichs“ (Lamnek, 2010, S. 656) interessieren, sind konkrete Namensnennungen anonymisiert und mit eckigen Klammern durch ebendiese formale Bezeichnung der Berufsfunktion ersetzt worden.

6.4 Auswertungsmethode: Strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

Experteninterviews werden nicht nur vielseitig angewandt, sondern auch „verschieden aufbereitet, ausgewertet und interpretiert“ (Bogner & Menz, 2005, S. 35). Folglich sind sie potenziell anschlussfähig für eine Vielzahl von Auswertungsmethoden. In diesem Kapitel wird die Auswahl der Methode der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) in Bezug zu den Fragestellungen dieser Arbeit und ihrem zugrundeliegenden Erkenntnisinteresse begründet sowie das konkrete Vorgehen transparent gemacht.

So sei zunächst daran erinnert, dass die geführten Interviews auf das Betriebs- und Prozesswissen derjenigen Akteure abzielen, die formal in Prozesse der Qualitätsanalyse involviert sind (vgl. Abschn. 6.2, Abschn. 6.3.1). Mittels eines multiperspektivischen Forschungsdesigns geht es darum, Erkenntnisse zur schulinspektionsbezogenen Handlungskoordination zu generieren und mit einer vergleichenden Analyse Gemeinsamkeiten und Unterschiede der handlungsleitenden Orientierungen herauszuarbeiten (vgl. Kap. 4). Abhängig von diesem Erkenntnisinteresse bietet sich die qualitative Inhaltsanalyse an, da sie es ermöglicht, „einem kontextbezogenen Verständnis von Handlungskoordinationen […] gerecht zu werden und Governance-Prozesse, sowie deren Verläufe in das Blickfeld zu rücken, um komplexe Steuerungsgefüge und Aushandlungsprozesse […] abbilden zu können“ (Haker & Nikel, 2016, S. 62).

Weil diverse Anwendungsverfahren der „qualitativ orientierte[n] kategoriengeleitete[n] Textanalyse“ (Mayring & Fenzl, 2019, S. 634) existieren, ist an dieser Stelle eine Konkretisierung notwendig, ohne damit allerdings das forschungspraktische Vorgehen gänzlich vorwegzunehmen (Schreier, 2014; Stamann et al., 2016). Zur Auswertung des durch die Experteninterviews generierten Materials wird sich an der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse mit deduktiv-induktiver Kategorienbildung nach Kuckartz (2018) orientiert. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens zielt dieses Vorgehen nicht etwa auf eine Quantifizierung von Erkenntnissen, sondern ist dezidiert für eine vergleichende Betrachtung von Zusammenhängen – wie sie in der Untersuchung angestrebt wird – einsetzbar. Mit einer solchen weiterführenden Analyse gewinnt „die kategorienbasierte Auswertung und Darstellung an Differenziertheit, Komplexität und Erklärungskraft“ (Kuckartz, 2018, S. 98; vgl. Gläser & Laudel, 2010). Zweitens ist damit eine Abkehr von einer rein deduktiv-nomologischen Forschungslogik – wie sie häufig Mayring (2015) zugeschrieben wird – verbunden. Eine solche Logik wäre deshalb für die Untersuchung nicht zielführend, weil hierbei die Gefahr bestünde, dass im Material inhärente Bedeutsamkeiten nicht hinreichend in die Kategorienbildung einfließen würden, die jedoch gerade für das Verstehen der Handlungspraktiken von Bedeutung sind. Kuckartz (2018) hingegen lässt offen, in welchem Ausmaß Kategorien deduktiv (konzeptgesteuert) oder induktiv (datengesteuert) entwickelt werden und ermöglicht damit eben diese Offenheit gegenüber unerwarteten Aspekten aus dem Material (Gläser & Laudel, 2010; Rädiker & Kuckartz, 2019).

Wie den Fragestellungen zu entnehmen ist, wird angestrebt neben dem Herausarbeiten des Prozesswissens „die Erzählungen und Beschreibungen in den Interviews z. B. auf zugrundeliegenden Argumentations- oder Orientierungsmuster hin auszuwerten, zu verdichten, zu abstrahieren, zu generalisieren u.s.w.“ (Bogner et al., 2014, S. 65). Diese Muster sind deshalb von Interesse, weil davon ausgegangen werden kann, „dass sich das Handeln der Experten durch den Rekurs auf jene Bedeutungen erklären lässt, die den jeweiligen Dingen und Prozessen zugeschrieben werden“ (Bogner et al., 2014, S. 76; vgl. Abschn. 2.2). Um an dieser Stelle Missverständnisse vorzubeugen: Es ist nicht das Anliegen der Studie die möglicherweise unter der Textoberfläche verborgenen Bedeutungsinhalte der Akteure im engeren Sinne zu rekonstruieren. Wohl aber wird dem hier favorisierten inhaltsanalytischen Auswertungsverfahren eine Erklärungskraft nicht nur für das Prozesswissen, welches den Experten reflexiv-verfügbar ist, sondern auch für den Nachvollzug subjektiv-intentionaler Sinngehalte zugesprochen (u. a. Lamnek & Krell, 2016, S. 40 ff.). Dieses Sinnverstehen qualitativer Inhaltsanalyse ist dabei „auf das Verständnis der Bedeutungen und Vorstellungen ausgerichtet, die mit einem sprachlichen Ausdruck verbunden sind“ (Kuckartz, 2019, S. 14). Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass Handlungsorientierungen bis zu einem gewissen Grad in den Äußerungen der Experten zu identifizieren und so auch mit einem inhaltsanalytischen Auswertungsverfahren erschließ- und explizierbar sind.Footnote 3

Das „Herzstück“ (Ramsenthaler, 2013, S. 23) der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse bildet das Kategoriensystem, welches erlaubt am gesamten „Material ausgewählte inhaltliche Aspekte zu identifizieren, zu konzeptualisieren und das Material im Hinblick auf solche Aspekte systematisch zu beschreiben“ (Schreier, 2014, S. 5). Gleichzeitig werden damit Aussagen aus ihrem Gesamtzusammenhang der Interviews herausgelöst und getrennt vom Text weiterverarbeitet. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit den Auswertungszielen von Experteninterviews, weil auch hier „thematische Einheiten im Material [interessieren], die durch den Funktionskontext der Experten ihr Gewicht und ihre Bedeutung erhalten und nicht durch die Stelle, an der sie innerhalb des Interviews geäußert werden“ (Meuser & Nagel, 2013, S. 466).Footnote 4 Schließlich liegt der Vorteil der Inhaltsanalyse in ihrem gezielten und systematischen Durcharbeiten des Datenmaterials, welches die Auswertung intersubjektiv nachweisbar und damit „für andere nachvollziehbar macht“ (Ramsenthaler, 2013, S. 23; vgl. Gläser & Laudel, 2010, S. 198; Mayring & Fenzl, 2019; Schreier, 2014).

Nachdem die Wahl der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode begründet wurde, soll nun das Vorgehen, wie es in dieser Studie praktiziert wurde, erörtert werden. Die konkrete Beschreibung der Analyseschritte erfolgt in Anlehnung an das nachfolgende Ablaufschema (Abb. 6.2).

Abb. 6.2
figure 2

Konkretisiertes Ablaufschema strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz (2018, S. 100)

Nach einer ersten Phase, in der sich mit dem Material vertraut gemacht wird, wichtige Textstellen markiert sowie Anmerkungen zu Besonderheiten festgehalten werden, schloss sich die Entwicklung von zunächst wenigen, thematischen Hauptkategorien an (Phase 2). Diese wurden im vorliegenden Fall direkt aus den drei Forschungsfragen abgeleitet, folgen also einer deduktiven Kategorienbildung. Die drei Hauptkategorien sind Subjektive Vorstellungen, Modi der Handlungskoordination und Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse.

Die Kategorien wurden auf ihre konkrete Anwendbarkeit hin an einem Teil des Materials erprobt und daraufhin in ihrer Definition modifiziert. Anschließend erfolgt mit diesen Hauptkategorien, die als eine Art „Suchraster“ (Kuckartz, 2018, S. 96) fungieren, ein erster Codierprozess mit dem gesamten Material (Phase 3). Zu diesem Zweck sind die transkribierten Interviews in das computergestützte Analyseprogramm MAXQDA übertragen worden. Hier wurde dann „ein ausgewählter Bereich aus dem Datenmaterial einem Code zugeordnet […] – oder umgekehrt: ein Code wir einem Datensegment zugeordnet“ (Rädiker & Kuckartz, 2019, S. 69).Footnote 5 Dies fand auf der Ebene des Einzelinterviews statt, bei dem es weder um die Erzählstruktur noch um die Art, wie etwas gesagt wurde, ging, sondern darum, das Material „thematisch zu ordnen“ (Meuser & Nagel, 2013, S. 466). Insbesondere zu Beginn des Codierprozesses wurde konsensuell kodiert, d. h. dass Teile der Interviews von drei Personen unabhängig codiert wurden, damit „die Kategoriendefinitionen an Präzision gewinnen und […] die Zuordnungen zuverlässiger [werden]“ (Kuckartz, 2018, S. 105).

Die codierten Bereiche aus dem Material sind Textsegmente, die auf ein für die Forschungsfragen relevantes Thema verweisen und mindestens einen vollständigen Satz umfassen, der für sich allein ausreichend verständlich sein muss. Auch kann die Codiereinheit sich über mehrere Sätze oder Absätze erstrecken z. B. dann, wenn Textpassagen Schilderungen über vergangene Interaktionsprozesse beinhalten. Darüber hinaus haben sich Mehrfachkodierung dort als sinnvoll erwiesen, wo Interviewpassagen Aussagen zu verschiedenen Aspekten des Untersuchungsgegenstands enthielten. „So codierte Textstellen können sich überlappen oder verschachtelt sein“ (Kuckartz, 2018, S. 102), zum Beispiel wenn Informationen über das Handeln eines Akteurs gleichzeitig Hinweise auf subjektive Erklärungsmuster liefern. Alle kodierten Textstellen innerhalb einer Hauptkategorie wurden anschließend zusammengestellt (Phase 4) und mit der Bestimmung von weiteren deduktiven und induktiven Subkategorien ausdifferenziert (Phase 5). Das heißt, es folgte ein kleinschrittiges Durcharbeiten des durch die Hauptkategorien vorstrukturierten Datenmaterials, bei der eine bestimmte Textstelle zu einer existierenden Subkategorie zugeordnet oder eine neue Subkategorie induktiv aus dem Material gebildet wurde. Weitere deduktive Subkategorien sind entweder aus dem Leitfaden erwachsen oder haben referenziellen Charakter, d. h. sie sind auf bestimmte Akteure oder Akteurskonstellationen bezogen. So wurde beispielsweise die Subkategorie Rollenverständnis sinnvollerweise auf der nächsten Ebene nach den befragten Akteuren differenziert. Dies hat den Vorteil, dass eine gewisse Fallorientierung bei der Systematisierung des Datenmaterials erhalten bleibt (vgl. Abschn. 6.1). Wurden bei der Durchsicht neue Aspekte entdeckt, die sich nicht unter bisherige Subkategorien subsumieren ließen, wurde eine neue Subkategorie gebildet. Zudem wurden die ersten Schritte des offenen Kodierens für die induktive Kategorienbildung nutzbar gemacht, was ein zügiges Kodieren und die Nutzung von Begrifflichkeiten der Interviewten ermöglichte. Dies trifft etwa auf die Kategorie Damoklesschwert zu, unter die Aussagen von Schulleiter:innen fallen, die das sorgenvolle Warten auf die Qualitätsanalyse thematisieren. Die so generierten thematischen Kategorien lehnen sich terminologisch eng an das Datenmaterial an und verhindern damit eine zu frühe Abstraktion. Insofern lösen sie die Forderung von Meuser und Nagel (1991) ein, bei der Kategorienerstellung von Experteninterviews „textnah vorzugehen“ (S. 457).

Insgesamt kombiniert ein solches Vorgehen in ertragreicher Weise Ansprüche von Regelgeleitetheit und Offenheit und erlaubt so schließlich, die Sichtweisen und Einschätzungen der Akteure in ihrer Vielfältigkeit und Breite herauszuarbeiten. Auffälligkeiten oder Hinweise zu Interpretationen wurden im Prozess fortlaufend in Memos festgehalten. Die geschilderte Fortentwicklung und Ausdifferenzierung des Kategoriensystems illustriert, dass sich bei Kuckartz (2018) Phasen von Entwicklung und Anwendung der Kategorien bzw. ihre kontinuierliche Erprobung und Modifikation abwechseln (vgl. Abb. 6.2). Damit wurde ein finales Kategoriensystem angestrebt, welches in sich schlüssig, erschöpfend und in Relation der Kategorien untereinander plausibel ist. Sobald eine solche Ordnung zufriedenstellend hergestellt war, wurde das gesamte Datenmaterial in einem zweiten Codierprozess mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystem erneut codiert (Phase 6).

Auf Grundlage der systematischen Codierungen des Materials wurden anschließend Themenmatrixen oder auch Summary Grids angefertigt, die später für die Analyse der Zusammenhänge zwischen den Kategorien genutzt wurden. Das heißt, „für jede Zelle der Matrix wird eine fallbezogene thematische Zusammenfassung aller zu einem bestimmten Thema für diese Person vorhandenen Textstellen erstellt“ (Kuckartz, 2019, S. 7). Dies war für die vorliegende Arbeit deshalb hilfreich, weil „Textstellen zu einem bestimmten Thema […] im gesamten Interview verteilt sind“ (Kuckartz, 2018, S. 111) und so die Aussagen der Akteure besser vergleichend analysiert werden konnten. In Phase 7 folgte dann die kategorienbasierte Auswertung und die Vorbereitung der Ergebnispräsentation. Mit Hilfe der erstellten Themenmatrixen konnten dabei – wie von Kuckartz (2018) dargelegt – die Zusammenhänge der Subkategorien innerhalb der Hauptkategorie als auch mehrdimensionale Zusammenhänge zwischen (Sub-)Kategorien untersucht werden. Gesichert war die Vergleichbarkeit nicht nur durch den Leitfaden, sondern auch durch den gemeinsamen schulinspektionsbezogenen Handlungskontext der Experten. Mit dieser von Kuckartz (2018) als komplexer bezeichneten Analyseform war es möglich, subjektive Vorstellungen beispielsweise zum eigenen Rollenbild in Bezug zur berichteten Interaktionspraxis in der Akteurskonstellation zu setzen als auch Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Perspektiven unterschiedlicher Akteure zu identifizieren.

Für die vorliegende Arbeit liegt die Stärke der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) mit der sich anschließenden komplexeren Analyse der Zusammenhänge in der Kombination fallintegrierender und fallübergreifender Suche nach Mustern zwischen Kategorien. Damit war es möglich,

Gemeinsamkeiten herauszustellen, um im Verhältnis dazu Unterschiede, Abweichungen und Widersprüche im Einzelnen festzuhalten. Bei welchen topoi [sic] decken sich die Angaben der ExpertInnen? Wo gibt es unterschiedliche Positionen? Zu welchen Themen äußern sich alle Interviewten? Was sind das für Themen, zu denen nur in einem Teil des Textes etwas zu finden ist? Welche ExpertInnen äußern sich wozu? All das sind Informationen, die für die Interpretation von großer Bedeutung sind. (Meuser & Nagel, 2005, S. 55)

Zusammengenommen bot dieses Vorgehen die Gelegenheit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Einschätzungen zu Prozessabläufen und typischen Handlungsmustern von vorab festgelegten Akteursgruppen herauszuarbeiten und durch die vertiefende Analyse „ausgewählte Personen oder Personengruppen miteinander zu vergleichen“ (Kuckartz, 2018, S. 120). Insofern übersteigt die in dieser Studie durchgeführte Analyse die gängigen Schritte der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse und ist mit beschriebener Ergänzung dem Erkenntnisinteresse dieser Arbeit angemessen. Schließlich lässt sich mit dieser systematischen Auswertungsmethode eine dichte Beschreibung der Akteurskonstellation und ihrer Handlungskoordination erstellen, die im nachstehenden Ergebnisteil aufbereitet wird.