Hintergrund

Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden weltweit zahlreiche Maßnahmen ergriffen. In Deutschland wurde am 22.03.2020 der erste sog. Lockdown ausgerufen: Nur noch Geschäfte für den alltäglichen Bedarf blieben geöffnet. Gaststätten, Hotels, kulturelle Einrichtungen wie Museen, Theater, aber auch Außenanlagen wie botanische Gärten, Parks und Spielplätze wurden geschlossen [1]. Die Schließung betraf auch Schulen und Kitas, wobei ein Notbetrieb für Kinder aufrechterhalten wurde, deren Eltern in der kritischen Infrastruktur beschäftigt sind. Ab Mai 2020 konnten Schulen und Kitas unter strengen Abstands- und Hygieneauflagen wieder öffnen. Das Schuljahr 2020/2021 startete im sog. Präsenzunterricht unter COVID-19-Bedingungen, d. h. mit AHA + L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften), auch der Betrieb der Kitas begann mit strengen Hygieneregeln, wie kleinen Gruppengrößen, Abstand, Lüften. Mit zunehmender Inzidenz in der Gesamtbevölkerung ab Oktober 2020 wurden zum 01.11.2020 wieder Gaststätten, Theater und andere kulturelle Einrichtungen geschlossen (sog. Lockdown light), ab 17.12.2020 wurde ein erneuter Lockdown mit Schließung der Schulen und Kindergemeinschaftseinrichtungen, umfangreichen Kontaktbeschränkungen sowie Ausgangssperren verfügt. In Hessen konnten ab März 2021 zumindest die Kinder bis zur Klasse 6 und der Abschlussklassen die Schule wieder besuchen, zunächst nur im Wechselunterricht. Nach den Osterferien wurde diese Möglichkeit mit einer Antigentestpflicht (zweimal pro Woche) verknüpft. Infolge der sog. Bundesnotbremse [2] musste in Gemeinden mit einer 7‑Tage-Inzidenz von über 165/100.000 der Präsenzunterricht wieder ausgesetzt werden. Bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021 war jedoch in allen Bundesländern ein normaler Schul- und Kitabetrieb unter COVID-19-Bedingungen wieder gewährleistet.

Diese staatlichen Maßnahmen hatten erhebliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben insgesamt. Insbesondere waren aber Kinder und Jugendliche und deren Entwicklungsmöglichkeiten durch geschlossene Schulen, ausgesetzten Präsenzunterricht, gesperrte Spielplätze und Kontaktverbote stark betroffen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene und die pädiatrischen Fachgesellschaften haben wiederholt auf die zu erwartenden Kollateralschäden dieser Infektionsschutzmaßnahmen hingewiesen und eine baldige Wiederöffnung der Schulen und Kitas gefordert [3,4,5,6,7,8,9]. Auch vor zunehmenden Kinderschutzfällen (z. B. Kindesvernachlässigung oder -misshandlung) wurde gewarnt [10].

Für die Gesundheitsämter ergaben sich durch die Pandemie ebenfalls erhebliche Änderungen. Um die Flut der SARS-CoV-2-Meldungen zeitnah abarbeiten zu können, wurden die meisten Leistungen der Ämter eingestellt und die Mitarbeiter für die Meldepflichtbearbeitung und Kontaktpersonennachverfolgung eingesetzt. Sehr bald wurden zusätzlich Beschäftigte aus anderen Ämtern, Studenten (Medis4ÖGD), sog. Containmentscouts und ab Sommer 2020 die Bundeswehr für die Fallermittlung und Kontaktpersonennachverfolgung eingesetzt. Viele Gesundheitsämter änderten ihre Organisationsstruktur. In Frankfurt am Main (FFM) beispielsweise wurden u. a. Teams für Krankenhäuser, Altenpflegeheime, soziale Einrichtungen und Schulen gebildet, die Ansprechpartner für diese Einrichtungen waren, dort wichtige Beratungsaufgaben übernahmen, die Fall- und Kontaktpersonenermittlung im Einrichtungsbezug durchführten und bei Bedarf Testserien veranlassten und begleiteten [11, 12]. Viele wichtige – und selbst gesetzlich mandatierte – Aufgaben der Gesundheitsämter konnten nicht mehr wahrgenommen werden, auch viele präventive Aufgaben des Kinder- und Jugendgesundheitsdiensts (KJGD) – in FFM ebenso wie in anderen Gesundheitsämtern [13].

Nachfolgend sollen die Daten der dem Gesundheitsamt FFM gemeldeten Kinder mit SARS-CoV-2-Nachweisen, die Daten der Untersuchungen von Kontaktpersonen in Schulen und Kitas sowie die Ergebnisse der ab April 2021 für Schüler verpflichtenden Antigenschnelltests vorgestellt und vor dem Hintergrund der Schließungen bzw. Einschränkungen der Schul- und Freizeitangebote einschließlich der Sport- und Vereinssportangebote diskutiert werden. Dabei wird hinterfragt, ob die Balance zwischen Infektionsschutz und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder [14] beachtet wurde und ob die Gesundheitsämter, und hier insbesondere die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, ihre vielfältigen präventiven Aufgaben für die Kinder [15, 16] noch ausreichend wahrnehmen konnten.

Material und Methode

Mittels einer SURVStat-Abfrage für den Zeitraum Kalenderwoche KW 10/2020 bis KW 28/2021 wurden die Meldedaten aus FFM für die Gesamtbevölkerung (n = 747.848 Einwohner) sowie speziell für die Altersgruppen 0–4 Jahre (n = 40.888), 5–9 Jahre (n = 35.034) und 10–14 Jahre (n = 32.232) gewonnen [17]. Die Symptome wurden mit einer SURVNet-Abfrage ermittelt. Nach Beginn des Schuljahres 2020/2021 wurden alle SARS-CoV-2- positiv gemeldeten Kinder im Hinblick auf Anwesenheit in der Einrichtung und auf mögliche Kontaktpersonen (KP) gemäß der Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI; [18]) erfasst. Von KW 34/2020 bis KW 28/2021 wurden in Frankfurt am Main insgesamt 3594 Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren gemeldet, das sind 9,5 % aller in diesem Zeitraum mit SARS-CoV‑2 Gemeldeten, wobei der Anteil der Kinder bis 14 Jahre an der Gesamtbevölkerung 14,5 % beträgt.

Im Auftrag des Gesundheitsamtes entnahmen die Hilfsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) bei Kontaktpersonen auf freiwilliger Basis tiefe Nasen-Rachen-Abstriche, die dann in 2 Laboratorien (Bioscientia Institut für medizinische Diagnostik sowie Institut des DRK-Blutspendedienstes in FFM) mittels Polymerasekettenreaktion (PCR; [19]) auf SARS-CoV‑2 untersucht wurden. In Kitas wurden die KP der jeweiligen Indexperson (Person, von der das vermutete Übertragungsrisiko ausgeht) bis zum Ergebnis des PCR-Tests in Quarantäne geschickt, in den Schulen konnten sie mit Mund-Nasen-Schutz weiterhin am Schulbetrieb teilnehmen. Die PCR-Daten wurden in einer Excel-Datei erfasst und ausgewertet. Mit Beginn der Antigentestpflicht (zweimal pro Woche) für Schüler ab der Präsenzphase des Wechselunterrichts nach den Osterferien (in der KW 16/2021) wurden dem Amt die positiven Testergebnisse der Antigenlaientests der Fa. Roche [20], die den Schulen vom Land Hessen zur Verfügung gestellt worden waren, namentlich übermittelt. Diese wurden mit weiteren Meldungen, z. B. definitiv negativer PCR-Test, resp. Meldungen positiver PCR-Tests abgeglichen.

Ergebnisse

Tab. 1 zeigt die COVID-19-Regeln und die Betriebszustände der Kitas und Schulen in FFM von der 34. KW 2020 bis zur 28. KW 2021. Sie umfasst somit das gesamte Schuljahr 2020/2021.

Tab. 1 COVID-19-Regeln und Betriebszustände in Kitas und Schulen in Frankfurt am Main (FFM), Schuljahr 2020/2021 – und jeweilige SARS-CoV-2-Inzidenzen in der Gesamtbevölkerung der Stadt

In Abb. 1 ist der Verlauf der sog. 7‑Tage-Inzidenzen von Beginn der Pandemie im März 2020 bis zur KW 28/2021 aufgetragen – für die Gesamtbevölkerung sowie speziell für die Kinder im Alter 5–9 Jahre und 10–14 Jahre. Die altersspezifischen Inzidenzen der Kinder stimmen insgesamt recht gut mit den Inzidenzen in der Gesamtbevölkerung überein. Einige Spitzen in den KW 19 und 25/2020 sind auf umfangreiche Reihentestungen in Unterkünften für Asylbewerber und in einer kirchlichen Gemeinde zurückzuführen, der Peak in der KW 34/2020 ist durch die Testungen der Reiserückkehrer bedingt. In der KW 16/2021, d. h. in der ersten Schulwoche nach den Osterferien, als Wechselunterricht mit Pflichttestung startete, kam es zu einem enormen Anstieg der Inzidenzen insbesondere bei den Kindern (mit Pflichttestung).

Abb. 1
figure 1

SARS-CoV-2-Meldungen über die Kalenderwochen. 7‑Tage-Inzidenzen bei Kindern der Altersgruppen 5–9 und 10–14 Jahre sowie in der Gesamtbevölkerung in Frankfurt am Main von KW 10/2020 bis KW 28/2021. (Eigene Abbildung)

Tab. 2 zeigt die Symptome der Kinder (0–14 Jahre), die seit Beginn der Pandemie mittels PCR-Test positiv auf SARS-CoV‑2 getestet wurden, aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Phasen der Pandemie.

Tab. 2 Symptome bei Kindern und Jugendlichen (0–14 J.) in Frankfurt am Main mit positivem PCR-Nachweis auf SARS-CoV-2: getrennt nach erster, zweiter und dritter Welle

Die Ergebnisse der KP-Untersuchungen in Kitas und Schulen sind in Tab. 3 und Tab. 4 zusammengefasst. Die Ergebnisse im Jahr 2021 bis KW 28 sind pro Woche und in Summe aufgeführt und den summarischen Ergebnissen ab KW 34 bis KW 52/2020 [21] gegenübergestellt.

Tab. 3 Untersuchung von Kontaktpersonen in Kitas in Frankfurt am Main. Vorgänge und Testungen in den Kalenderwochen (KW) 1–28/2021 – im Vergleich mit KW 35–52/2020
Tab. 4 Untersuchung von Kontaktpersonen in Schulen in Frankfurt am Main. Vorgänge und Testungen in den Kalenderwochen (KW) 1–28/2021 – im Vergleich mit KW 35–52/2020

Tab. 5 zeigt die Ergebnisse der Antigenlaientests, die nach den Osterferien ab KW 16/2021 bis zum Schuljahresende (KW 28/2021) bei Präsenz- und Wechselunterricht durchgeführt werden mussten.

Tab. 5 Ergebnisse der Pflichtantigentestungen, die den Präsenz- und Wechselunterricht in Schulen in Kalenderwoche (KW) 16–28/2021 begleiteten, einschließlich der dokumentierten Kontrollen mittels PCR-Test; Daten aus Frankfurt am Main

Diskussion

Inzidenzwerte und deren Einflussfaktoren sowie Morbidität bei Kindern

Die altersbezogenen Inzidenzen der Kinder lagen insbesondere in der ersten und zweiten Welle unter der Gesamtinzidenz, ab KW 16/2021 (Schulbeginn nach den Osterferien) dann darüber (Abb. 1). Der direkte Vergleich dieser Daten – Kinder vs. Gesamtbevölkerung bzw. verschiedene Pandemiephasen und Kalenderwochen – ist jedoch nicht möglich, da die 7‑Tage-Inzidenz sehr stark von der Teststrategie und der Testverfügbarkeit beeinflusst wird. In der ersten Welle mit nur geringer Testkapazität wurden prioritär symptomatisch Infizierte mittels PCR auf SARS-CoV‑2 getestet. Kinder standen nicht im Fokus der Teststrategie, sodass von einer Untererfassung ausgegangen werden muss. Im Herbst 2020 führte das Gesundheitsamt gemäß der dann gültigen Teststrategie in den Schulen und Kindergemeinschaftseinrichtungen umfangreiche Testungen der KP durch, sodass in dieser Zeit eine Untererfassung nicht wahrscheinlich ist. Parallel mit der Zunahme der Alphavariante B 1.1.7. von KW 4 bis KW 21/2021 in Deutschland (Zunahme von 6 % auf 94 %) nahmen die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung und die altersbezogene Inzidenz der Kinder in FFM zu. Der Peak bei den 5‑ bis 14-jährigen Kindern in KW 16/2021 ist demgegenüber sicherlich durch die Testpflicht mittels Antigentest (mit)bedingt. Durch die Testpflicht wurde – allerdings mit den Grenzen der Methode, s. unten – erstmals die „Dunkelziffer“ bei den Schülern der Vorklassen und der Klassen 1–6 in FFM untersucht (insgesamt ca. 39.000 Schüler). Da in keiner anderen Altersgruppe eine solche Testpflicht bestand, können die so erhaltenen Daten der Kinder nicht mit den Gesamtdaten verglichen werden [22]. Ähnliche Ergebnisse wurden auch aus Bayern nach den Osterferien 2021 beschrieben: Dort nahm in Kreisen mit Wechselunterricht und verpflichtenden Antigentestungen die Zahl der in der ersten Schulwoche nach den Ferien positiv auf SARS-CoV‑2 getesteten Kinder und Jugendlichen (5–20 Jahre) auf das 2‑ bis 4‑Fache zu, während in Kreisen, in denen aufgrund höherer 7‑Tage-Inzidenzen Distanzunterricht stattfand (ohne Pflichttestung) die Inzidenzen nicht anstiegen [23].

Bis zum Schuljahresende in KW 28/2021 nahmen die Inzidenzen bei den Kindern kontinuierlich ab (Abb. 1), trotz Präsenzunterricht mit Testpflicht und trotz der zunehmenden Verbreitung der Deltavariante in Deutschland (belastbare Daten für FFM liegen hier nicht vor) von 1 % in KW 17/2021 auf 93 % in KW 28/2021, sie blieben aber angesichts der weiterbestehenden zweimal wöchentlichen Antigentestpflicht leicht über der Gesamtinzidenz.

Letztendlich beeinflusst die Teststrategie auch die angegebenen Symptome der positiv auf SARS-CoV‑2 Getesteten (Tab. 2). In der ersten Welle waren 2 Drittel der – oft im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen z. B. in sozialen Einrichtungen (Kirchengemeinde, Flüchtlingsunterkünfte) – positiv getesteten Kinder asymptomatisch, ab Herbst 2020 waren es noch etwa die Hälfte. Ab Herbst 2020 wurden bei Kindern häufig die „Erkältungssymptome“ wie Husten, Schnupfen und Halsschmerzen berichtet, während die für COVID-19 sehr typischen Symptome wie Geruchs- und Geschmacksstörungen nur bei ca. 3 % der Kinder (im Vergleich Erwachsene ca. 20 %) angegeben wurden. Schwere Atemwegssymptome bei Kindern wurden nur in Einzelfällen angegeben. Auch Hospitalisierungen waren bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen. Damit bestätigen unsere Daten die Berichte aus vielen Publikationen, wonach SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen weniger schwer verlaufen als bei Erwachsenen [24,25,26,27,28,29,30].

Hygienemaßnahmen

Im Zusammenhang mit der schrittweisen Wiederöffnung der Schulen ab Mai 2020 führten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Hygienebegehungen in allen Schulen durch: Diese zeigten – im Gegensatz zu früheren Erhebungen [31, 32] – eine gute Hygiene und eine sehr gute Umsetzung der COVID-19-Hygieneregeln [33]. Die Schulen resp. die Schulämter hatten eine angemessene Ausstattung der Sanitäreinheiten einschließlich der Waschbereiche sichergestellt und die Reinigung durch Präsenzkräfte und/oder Erhöhung der Reinigungsfrequenz verbessert. Die organisatorischen Vorgaben des Kultusministeriums wie Abstandsregeln und Wegeführung wurden befolgt, wobei das Tragen von Masken auf Wegen (Weg zum Sitzplatz, Flure, Sanitäreinrichtungen) weitgehend umgesetzt war. Zu diesem Zeitpunkt war das Tragen einer Maske am Sitzplatz in der Klasse noch nicht grundsätzlich empfohlen; erst nach der Stellungnahme der pädiatrischen Fachgesellschaften [34] und bei „Präsenzunterricht unter COVID-19-Bedingungen“ sowie den hohen Inzidenzen im Herbst wurde die Empfehlung des grundsätzlichen Maskentragens auch im Unterricht umgesetzt. In mehr als einem Viertel der Schulen waren zumindest in einigen Räumen raumlufttechnische Anlagen vorhanden, wobei der Schulgemeinde der aktuelle Betriebszustand der Anlagen, die aus Energiespargründen meist nur im Winter betrieben werden, oftmals nicht bekannt war. Dies steht in Übereinstimmung mit der jahrelangen Erfahrung des Gesundheitsamtes. Unter Umständen kann so evtl. zu wenig gelüftet worden sein, wie dies in den Vorjahren auch immer wieder festgestellt werden musste [35, 36].

Ab Sommer 2020 wurden die AHA-Regeln um das sachgerechte Lüften (AHA + L-Regel) ergänzt. Deswegen wiederholte die Stadt FFM im Herbst 2020 ihre Lüftungskampagne „Frische Luft für frisches Denken“ in den Schulen und Kitas und warb mit einem im Hinblick auf COVID-19 aktualisierten Lüftungsflyer für die sachgerechte Lüftung in Schulen [33, 37]. Die Anschaffung von sog. Luftreinigungsgeräten, die teilweise von Eltern und Lehrern dringend gefordert wurde, lehnte das Gesundheitsamt – in Übereinstimmung mit Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und des Umweltbundesamtes (UBA) – ab [38, 39]. Es bleibt zu hoffen, dass die im Rahmen der COVID-19-Pandemie erreichten Verbesserungen, insbesondere in der Sanitär- und Raumlufthygiene, nachhaltig sein werden. Die Gesundheitsämter sollten dies überprüfen [40].

Kontaktpersonenmanagement

Ab Beginn des Schuljahres 2020/2021 haben Mitarbeiter des Gesundheitsamtes nach Feststellung einer „Indexperson“ (Kind oder Erwachsener) sowohl in Kitas als auch in Schulen die KP mit „ungeschützten Kontakten“ (d. h. für 15 min weniger als 2 m Abstand zu Kontaktpersonen ohne Maske) erfasst. Allen KP wurden auf freiwilliger Basis und unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen die Entnahme von Nasen-Rachen-Abstrichen sowie die kostenlose PCR-Testung auf SARS-CoV‑2 nahegelegt. Die Mehrzahl der KP (ca. 85 %) nahm das Angebot an. Die Abstriche fanden erst 5–7 Tage nach dem ermittelten letzten Kontakt mit dem „Indexfall“ statt, um etwaige falsch-negative Testergebnisse in der Inkubationszeit zu vermeiden. Insgesamt wurden nur wenige Kontaktpersonen positiv auf SARS-CoV‑2 getestet (Tab. 3 und 4). Die Positivenrate blieb selbst zu Zeiten des Präsenzunterrichts bei „Normalbetrieb unter COVID-19“ und hoher Gesamtinzidenzen im Herbst 2020 bei wenigen Prozent und deutlich unter der zur gleichen Zeit publizierten allgemeinen Positivenrate der Labore insgesamt [21]. Auch in den Wochen der Ausbreitung der Alphavariante (2021: KW 4: 6 %; KW 21: 94 %) und der Deltavariante (2021: KW 17: 1 %; KW 28: 93 %) in Deutschland blieb die Positivenrate bei den KP-Testungen gering bzw. nahm weiter ab. Bei 68 % der Indexfälle in Kitas und bei 78 % in Schulen wurden keine KP positiv getestet, in 24 % (Schulen: 18 %) der Fälle 1–2 KP und in 8 % (Schulen: 4 %) mehr als 2 KP, mit einem Maximalwert von 5 Personen. 2021 waren in Kitas in 54 % der Vorgänge Erwachsene die Indexpersonen, in den Schulen in 18 %. Bei Erwachsenen als Indexpersonen wurden in Kitas 2,5-mal und in Schulen 1,8-mal mehr KP positiv getestet, im Vergleich zu Kindern als Indexpersonen. Die hohen KP-Testzahlen ab der KW 24/2021 (Tab. 4) sind durch eine Schule zu erklären, in welcher nach Indexfällen bei unklarer Datenlage nicht nur eventuelle Kontaktpersonen, sondern alle an der Schule Betreuten und Tätigen – teilweise mehrfach – mittels PCR-Test aus dem Rachenabstrich untersucht wurden. Größere Ausbrüche, wie sie vereinzelt aus Schulen berichtet wurden [41, 42], wurden in FFM nicht bekannt.

Die Zahl der Isolierungen von positiv auf SARS-CoV‑2 Getesteten und der quarantänisierten KP in Schulen konnte durch die Maßnahmen niedrig gehalten werden. Dies wurde auch aus anderen Regionen so berichtet [43, 44]. Ausbruchsuntersuchungen zeigten, dass Schulen und Kitas vergleichsweise selten betroffen waren und die Fälle auf wenige Personen beschränkt blieben [45,46,47,48].

Die Ergebnisse aus den umfangreichen Kontaktpersonenuntersuchungen in den Frankfurter Schulen stimmen gut mit den Daten aus anderen Regionen und Ländern überein. Nicht nur in Zeiten noch niedriger Gesamtinzidenzen, sondern auch bei hohen Inzidenzen und allgemeinem Präsenzbetrieb wurden nur wenige KP in Schulen oder Kitas positiv auf SARS-CoV‑2 getestet [49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,59,60,61,62]. Besonders erwähnenswert ist dabei eine landesweite Erhebung aus Rheinland-Pfalz bis Ende Dezember 2020, die zeigte, dass es bei 784 Indexfällen nur in jedem 6. Fall zu Übertragungen kam: Waren Lehrer die Indexperson, kam es dreimal häufiger zu Transmissionen verglichen zu Kindern als Indexpersonen. Lehrer verursachten viermal mehr Sekundärfälle als Kinder – und dies häufig bedingt durch Kontakte zwischen Lehrern [62]. Auch in England waren in mehr als der Hälfte der Ausbrüche in Schulen ausschließlich Mitarbeiter und keine Schüler betroffen [63]. Darüber hinaus zeigte sich sowohl in England als auch in Finnland, dass die Wiederöffnung der Schulen/Kindereinrichtungen nicht automatisch zu einer Zunahme der Inzidenz geführt hat [64,65,66].

Testverfahren und ihre Grenzen

Ein positiver Test bei einer Kontaktperson bedeutet nicht automatisch, dass die Übertragung im Schulsetting geschah, oftmals ergab sich bei genaueren Recherchen, dass die Übertragungen im Privat- oder Freizeitbereich stattgefunden haben mussten [21]. Besonders deutlich wurde dies nach den Osterferien 2021, als im Zusammenhang mit der Antigentestpflicht für die Schüler in der Präsenzphase des Wechselunterrichts die höchsten Inzidenzen bei 5‑ bis 14-Jährigen gefunden wurden (Abb. 1). Da die Testung unmittelbar nach 14 Tagen Ferien und zu Beginn des Unterrichts vorgenommen wurde, müssen die Infektionen in den Ferien erworben worden sein [22]. Die Autorengruppe aus Bayern (s. oben), die ebenfalls die Situation der Schulkinder nach den Osterferien in Bayern untersucht hatte, betrachtete die Datenlage dieser Kalenderwoche als „natürliches Experiment“, da alle Schulkinder in den 2 vorhergehenden Ferienwochen nicht in die Schule gegangen waren und die Neuinfektionen somit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb der Schule stattgefunden haben müssen [23].

Die von Fachleuten anzuwendenden Antigenschnelltests auf SARS-CoV‑2 haben eine deutlich geringere Sensitivität als PCR-Tests [67]. Zu den Tests für Laien liegen noch weniger aussagekräftige Daten vor. Der in Hessen bei den Schülern eingesetzte Laientest des Herstellers Roche verfügt nach Angaben der Hersteller über eine Sensitivität von 82 % und eine Spezifität von 100 % [20], eine herstellerunabhängige Validierung unter Realbedingungen liegt bislang nicht vor. Da negative Antigentests nicht mittels PCR nachuntersucht wurden, kann auch aus unseren Daten die Sensitivität des Antigentests nicht abgeschätzt werden. Unter Realbedingungen, d. h. zweimal wöchentliche Tests von 39.000 Schülern, wurden nur 61,3 % der positiven Antigentests nachweislich durch einen positiven PCR-Test bestätigt (Tab. 5). Bei einer groben Schätzung einer zweimal in der Woche erfolgten Testung von ca. 39.000 Kindern über 11 Wochen (kein Präsenzunterricht in KW 17 und 18/2021) wurden in dieser Zeit in FFM ca. 850.000 Antigenschnelltests vorgenommen, 796 (0,1 %) waren positiv, wovon 488 (0,06 %) dokumentiert mittels PCR bestätigt wurden.

Eine weitere Studie zu Antigentests im „realen Leben“ wurde im Herbst 2020 in Hessen durchgeführt. 635 Lehrer aus 86 Schulen testeten sich – nach intensiver Einweisung – alle 48 h mittels Antigentests RAT (RIDA® QUICK SARS-CoV‑2 Antigen Test, R‑Biopharm, Darmstadt, Germany) auf SARS-CoV‑2. Positive Schnelltests wurden im Labor mittels PCR nachuntersucht. Insgesamt 21 (0,19 %) der 11.385 Antigentests fielen positiv aus, 16 davon wurden als falsch-positiv detektiert, d. h., die Rate der durch PCR-Test bestätigten Fälle betrug 0,04 % [68].

In Österreich wurde im Februar 2021 ebenfalls eine Antigentestpflicht für 1.016.234 Kinder im Präsenzunterricht eingeführt. Österreichweit waren in der 8. KW 619 (0,05 %) der präsenten Schüler im Antigentest positiv. An den weitaus meisten Schulen wurde kein Kind, selten einzelne Kinder positiv getestet. Nur in 33 (0,7 %) der 5000 Schulstandorte wurde mehr als 1 Fall pro Klasse positiv auf SARS-CoV‑2 getestet [69].

Vor diesem Hintergrund wurde die Antigentestpflicht in der Risiko‑, Aufwand- und Nutzenbewertung als nicht geeignet und nicht verhältnismäßig eingestuft [70, 71]. Frühzeitig wurde auf die möglichen negativen psychologischen Auswirkungen repetitiver Testungen hingewiesen [72]. Berichte, wonach Schulkinder beispielsweise „nach einem kollektiven Schnelltest bei positivem Ausgang hektisch und als ginge es in Polizeigewahrsam ‚abgeführt‘ werden“ [73], zeigen, dass diese Hinweise ernst zu nehmen sind.

Zusammengefasst deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Schulen und auch sonstige Kindertageseinrichtungen keine Risikobereiche sind und Infektionseinträge durch gute Hygiene und Kontaktpersonenmanagement gut beherrschbar sind. Darüber hinaus erwerben Kinder SARS-CoV‑2 häufig (häufiger?) im Privatbereich, wo sie darüber hinaus seltener als Erwachsene andere infizieren [74]. Kinder nehmen am Infektionsgeschehen teil, ohne aber selbst „Treiber der Pandemie“ zu sein. Sie erkranken nur sehr selten schwer an COVID-19 und sind seltener als Erwachsene Überträger.

Die negativen Folgen der Schulschließungen und des Lockdowns, vor denen seit Beginn der Pandemie gewarnt wurde, werden zunehmend deutlich [3,4,5,6,7,8,9,10, 75, 76]. In einer bereits im Mai/Juni 2020 durchgeführten repräsentativen Untersuchung gaben 7‑ bis 17-jährige Kinder und Jugendliche im Vergleich mit der repräsentativen Bella-Studie (2014–2017) eine signifikant niedrigere gesundheitliche Lebensqualität (40,2 % vs. 15,3 %) und mehr gesundheitliche Probleme (17,8 % vs. 9,9 %) sowie höhere Angstlevel (24,1 % vs. 14,9 %) an [75]. Es kann angenommen werden, dass sich die Situation mit zunehmender Dauer der einschränkenden Maßnahmen verschärft, ebenso bei den Kinderschutzfällen [10]. Bei der Befragung von 1560 Schülern (Median 15 Jahre) aus Dresden mit verschiedenen standardisierten Befragungsinstrumenten (u. a. auch einen Long-COVID-Survey-Fragebogen) gab ein Drittel der Kinder und Jugendlichen an, in den letzten 7 Tagen an den erfragten Symptomen (Konzentrationsschwäche, Gedächtnisverlust, Unruhe, Kopf‑, Bauch‑, Muskel- und Gliederschmerzen, Fatigue, Schlafstörungen) gelitten zu haben – ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen den 188 seropositiven und den 1365 seronegativen Schülern [76].

Vor diesem Hintergrund erscheint eine weitere Einschränkung des Präsenzunterrichts weder legitim noch geeignet, erforderlich oder angemessen, um Infektionen bei Kindern oder deren Kontaktpersonen zu verhüten. Da die Schulen keinen Risikobereich darstellen, sollte auch auf die erheblichen Aufwendungen (Finanzen, Umweltbelastung) für verpflichtende Schnelltests verzichtet werden. Aus psychologischer Sicht suggerieren die Schnelltests eine Gefahr, die nicht vorhanden ist. Die Gelder könnten an anderer Stelle in Schulen viel besser eingesetzt werden [22]. Es stellt sich die Frage, warum diese und andere Forderungen aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD; [21, 22, 60, 77,78,79,80]) in der Politik und den Medien kein Gehör finden ebenso wenig wie die zahlreichen seit einem Jahr von pädiatrischen Fachverbänden und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene publizierten Stellungnahmen [3,4,5,6,7,8,9].

Die Politik hat die großen Leistungen des ÖGD in der Pandemiebekämpfung wahrgenommen und im September 2020 den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst beschlossen [81]. Obwohl in diesem Pakt explizit auf das Leitbild des ÖGD hingewiesen wird (Gesundheitsschutz, Beratung und Information, Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsplanung, Öffentlichkeitsarbeit und Politikberatung [16]), werden die Kompetenzen des ÖGD in den anderen wichtigen Präventionsbereichen nicht genutzt, sondern lediglich auf die unmittelbare Pandemiebearbeitung (Meldewesen, Isolierung, Quarantänisierung) begrenzt. In vielen Gesundheitsämtern müssen weiterhin fast alle Kräfte im Infektionsmanagement eingesetzt und selbst gesetzliche Pflichtaufgaben weiterer Bereiche, einschließlich der Präventionsaufgaben des KJGD, weitgehend reduziert oder sogar ausgesetzt werden. Nachdem Schuleingangsuntersuchungen für ein Jahr ausgesetzt waren, wurden sie in FFM nach den Osterferien 2021 wieder angeboten, allerdings nur für Kinder mit besonderen Bedarfen. Auch die sozialpädiatrische Arbeit des KJGD – Beratung, sozialpädiatrische Gutachten bis hin zu den „Frühen Hilfen“ – wurde nur noch in reduzierter Form angeboten. Eine Umfrage aus Nordrhein-Westfalen zeigte, dass die Situation in anderen Gesundheitsamtsbereichen vergleichbar war/ist: In den befragten Ämtern wurden Schuleingangsuntersuchungen, zielgruppen- und bedarfsorientierte Untersuchungen, sozialpädiatrische Gutachten, Kooperation mit Kinderschutz und Frühen Hilfen nur noch reduziert wahrgenommen und Impfprojekte, Gesundheitsberichterstattung gar vollständig ausgesetzt. Die Autorinnen sehen das im Hinblick auf die Entwicklungschancen von Kindern und den Präventionsauftrag der Gesundheitsämter für die Kinder kritisch [13]. Erste orientierende Berichte aus den wiederaufgenommenen Schuleingangsuntersuchungen in FFM bestätigen die vielfach geäußerten Befürchtungen: Durch die erzwungene Bewegungsarmut (kein Vereinssport, teilweise geschlossene Spielplätze) haben viele Kinder Übergewicht entwickelt und die sprachliche Entwicklung ist insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwierigeren Verhältnissen erheblich verzögert. Auch Kinderschutzfälle wurden vermehrt festgestellt.

Von den verschiedenen Maßnahmen, die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie von der politischen Ebene beschlossen wurden, haben letztlich nur die AHA + L-Vorgaben eine sichere Evidenz. Die jeweiligen Level der 7‑Tage-Inzidenzen wurden nicht durch Erfahrungen des ÖGD festgelegt, sondern willkürlich als Grenzen für einzuleitende Maßnahmen gesetzt.

Viele der Probleme, die durch die massiven Einschränkungen der Grundrechte der Menschen in Deutschland entstanden sind, wären bei nüchterner evidenzbasierter Einschätzung durch den ÖGD vermeidbar gewesen. Leider war dieser aber bei den Beratungen der Politik nur selten beteiligt.