Zusammenfassung
Bis zur Inkraftsetzung des Arzneimittelgesetzes (1961) und Heilmittelwerbegesetzes (1965) blühte in der Bundesrepublik eine breite pharmazeutische Subkultur. Verschiedene Anbieter boten über den Postversand Arzneien oder Geräte an, um psychosomatische Leiden, v. a. Potenz- oder Gewichtsprobleme unter Umgehung von Arzt und Apotheker therapeutisch anzugehen. Versuchen, mit Hilfe von Verordnungen und einigen wenigen engagierten Ärzten gegen diesen Markt vorzugehen, war kein dauerhafter Erfolg beschieden.
Abstract
The Federal Republic of Germany was the last European Country without a drug legislation and a law about drug advertising until the 1960s. Therefore, a broad medical subculture flourished. Various dealers sold drugs and instruments for curing psychosomatic illnesses, especially anti-impotence pills or aids to reduce weight. Thus, the interested client could treat himself/herself without visiting a physician or a pharmacy. Some physicians tried to reduce this grey market, but they were not successful.
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Mildenberger, F.G. Analröhrchen und Wunderpillen – der graue Markt der Medizinalprodukte in der Bundesrepublik Deutschland bis 1965. Urologe 58, 1201–1206 (2019). https://doi.org/10.1007/s00120-019-0961-y
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