Einleitung

In vielen Schwellenländern der Welt bildet der informelle und teilformelle Verkehr die Basis des öffentlichen Verkehrs (ÖVs). Allerdings sind nur begrenzt offene und standardisierte Daten über die Betriebsmerkmale von den informellen Diensten verfügbar. Neben Kenntnissen über die Anforderungen der Fahrgäste an eine Mobilitätsform (Govender 2016) bietet vor allem ein genaues Verständnis des Verkehrsnetzwerks und der Abläufe in raumbezogener Hinsicht viele Vorteile für alle Interessengruppen, die an der Bereitstellung der (teil-)öffentlichen Verkehrsdienste beteiligt sind (Demissie et al. 2016). Bisher können solche Streckennetze und deren Eigenschaften hinsichtlich der Frequenzen, Kapazitäten, Fahrgastzahlen und Fahrzeiten nicht effizient ermittelt werden (Jiang et al. 2013). Dies liegt vor allem daran, dass die genannten Verkehre aus einer großen Anzahl von Agenten bestehen, die sich über zufällige, nichtlinear-interagierende Rückkopplungsschleifen organisieren.

Eine mögliche Lösung für die fehlenden Informationen ist die Nutzung digitaler Werkzeuge, die vor allem geographische Daten sammeln, welche dann zur Verbesserung der Verkehrsdienste verwendet werden können. In Bezug auf geographische Daten liefern einige Studien interessante Ergebnisse (Williams et al. 2015; Saddier und Johnson 2018; Klopp und Cavoli 2019). Praktische Beispiele sind aber nach wie vor schwer zu finden, sodass Studien oft lediglich das theoretische Potenzial und die Akzeptanz verschiedener digitaler Werkzeuge zeigen (Schalekamp 2017; Bashingi et al. 2020; Plano et al. 2020).

Das Ziel dieses Artikels ist es daher, zu zeigen, dass mit einfachen Methoden aus der angewandten Geographie bestehende Transportstrukturen abgebildet und optimiert werden können. Der Fokus wird dabei auf den Minibustaxiverkehr (MBTV) in Südafrika gerichtet, da dieser aufgrund seiner informellen Struktur ein hohes Optimierungspotenzial aufweist.

Allgemeines Mobilitätsverhalten

Für einen kurzen Einblick in das Mobilitätsverhalten in Südafrika werden die diesbezüglich wichtigsten Erkenntnisse aus dem National Household Travel Survey (NHTS) von 2013 dargestellt, die auf Interviews beruhen, in denen die Personen zu ihrem Reiseverhalten in den vergangenen 7 Tagen befragt wurden (Statistics South Africa 2014).

Abb. 1 stellt den Modal Split für verschiedene Reisezwecke dar. Insgesamt ist das Minibustaxi (MBT) das meistgenutzte Verkehrsmittel (41,6 %), gefolgt vom Pkw (23,4 %) und dem Zufußgehen (18,5 %). Das Schlusslicht bildet der konventionelle ÖV mit dem Bus (10,2 %) und der Bahn (4,4 %).

Abb. 1
figure 1

Modal Split Südafrikas nach Reisezweck. Die Höhe eines farbigen Balkens zeigt den Anteil des Verkehrsmittels an allen Wegen je Reisezweck im Jahr 2013. Gesamt beinhaltet alle Reisezwecke, auch die separat aufgeführten. (Quelle: eigene Darstellung, Daten von Statistics South Africa [2014])

Der Reisezweck der Arbeit, als für die Volkswirtschaft und das Gesamtverkehrsaufkommen wichtiger Faktor, wird in Abb. 2 exemplarisch näher betrachtet.

Abb. 2
figure 2

Modal Split der Arbeitswege. Die Höhe eines farbigen Balkens gibt den Anteil eines Verkehrsmittels an allen Arbeitswegen der Befragten im entsprechenden Einkommensquintil im Jahr 2013 an. Ein Quintil beinhaltet je 20 % der nach Haushaltseinkommen aufsteigend sortierten Beobachtungen. (Quelle: eigene Darstellung, Daten von Statistics South Africa [2014])

Das MBT gilt als Verkehrsmittel für die arme Bevölkerung. In den unteren beiden Einkommensquintilen sorgen hohe Anteile des Zufußgehens für geringere Anteile des MBTs (24,6 % und 27,5 %). Betrachtet man nur motorisierte Verkehrsmittel, so ist das MBT hier führend.

Minibustaxiverkehr

Vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1990er-Jahre führte eine strikte Rassentrennung (Apartheid) zu einer ungleichen Verteilung von Zugängen zu Mobilität, Wohnraum und damit zu Arbeitsplätzen und Infrastruktureinrichtungen zuungunsten der schwarzen Bevölkerung (Sekhonyane und Dugard 2004). Sofern Schwarze ein Auto besaßen, wurde dies oft in einen Verdienst umgesetzt und das MBT etablierte sich (Woolf und Joubert 2013).

Seit 1979 kam es zur Gründung von MBT-Gewerkschaften, mit denen teilweise eine Regulierung einherging, z. B. eine legale Mitnahme von bis zu 16 Passagieren, bessere Verbindungen und niedrige Fahrpreise. Durch die hohe Verfügbarkeit und eine schnelle Reaktion auf Nachfrageänderungen wurde das MBT zum meist verwendeten öffentlichen Verkehrsmittel Südafrikas (Venter 2013). Die niedrigen Zutrittsbarrieren schufen jedoch ein Überangebot innerhalb der Branche, weshalb es über Rivalitäten um Routen bis hin zu den sogenannten Taxi Wars kam (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Minibustaxis an einem Busbahnhof in Kapstadt, Südafrika. (Foto: Justin Coetzee)

Der MBTV zeichnet sich durch ein flexibles, nachfragegetriebenes System aus. Nachteilig ist das Fehlen von öffentlichen Fahrplänen, wodurch den Fahrgästen Wissen und Erfahrung im MBTV in ihrer Region abverlangt wird (Neumann et al. 2015). Die selbstständigen oder angestellten Fahrerinnen und Fahrer achten lediglich auf eine Routenplanung mit dem größtmöglichen Profit (Schlüter et al. 2020).

Trotz einiger staatlicher Initiativen zur strengeren Regulierung der Branche lassen sich nur mäßige Erfolge verzeichnen (Walters 2013). Der Widerstand der Fahrerinnen und Fahrer gegen eine Formalisierung kann u. a. durch eine stärkere Kontrolle vonseiten der Arbeitgeber, der Taxi-Vereinigungen sowie des Staates, aber auch durch Unsicherheiten bei den Fahrerinnen und Fahrern im Hinblick auf zukünftige Arbeitsmöglichkeiten begründet werden (Lomme 2008; Behrens und Schalekamp 2010).

Anwendungsbasierte Optimierung

Mittels einer mobilen Applikation des südafrikanischen Unternehmens GoMetro konnten Fahrten der MBTs in einigen Städten Südafrikas dokumentiert und kartografisch dargestellt werden. Für die Datenerfassung haben in ausgewählten MBTs mitfahrende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithilfe der Applikation eine Umfrage durchgeführt und die soziodemografischen und raumbezogenen Daten offline aufgezeichnet. Mit den gesammelten Daten wurden Schichtpläne sowie Routenvorschläge verbreitet, die Effizienzsteigerungen des MBTVs ermöglichen konnten (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Minibustaxis in Betrieb am Straßenrand in Kapstadt, Südafrika. (Foto: Justin Coetzee)

Die Ergebnisse resultieren aus einem 3‑stufigen Prozess: Zunächst wurden in ersten Treffen der Ist-Zustand dokumentiert und die Rahmenbedingungen für eine Umfrage geklärt. Im 2. Schritt wurden die erlangten Informationen von allen Beteiligten ausgewertet und darauf aufbauend eine Umfrage erstellt. Dieser Ablaufplan der Umfrage wurde zunächst auf Validität getestet, bevor die definierten Zielparameter in der tatsächlichen Umfrage erhoben wurden. Im 3. und letzten Schritt wurde die Umfrage durchgeführt und die Datenanalyse angefertigt.

Exemplarisch wird hier die Analyse für Kapstadt angeführt in Anlehnung an die Beiträge von Coetzee et al. (2018, 2019). Zunächst wurde die Zahl unproduktiver Fahrten mit weniger als 5 Fahrgästen innerhalb eines definierten Projektgebiets bestimmt. Weniger Fahrzeuge mit höherer Auslastung sollten dann diese unproduktiven Fahrten reduzieren. In 2018 waren rund 3500 legale Minibustaxirouten in Kapstadt bekannt auf denen rund 24.000 registrierte MBTs verkehrten. Über einen Zeitraum von 12 Monaten konnten rund 380.000 einzelne Fahrgastfahrten dokumentiert werden (Coetzee et al. 2018).

Die Datenauswertungen erlauben eine detaillierte Betrachtung von Routen und der Mobilitätsnachfrage im Tagesverlauf mittels entsprechender Darstellungen, z. B. Karten oder Tabellen (vgl. Abb. 5). Dies stellt einen großen Fortschritt dar, da die informelle und flexible Struktur des MBTVs eine solche Abbildung bisher erschwerte und manuelles Aufzeichnen der MBTs an Taxiständen nur eine stark limitierte Datenerhebung ermöglichte.

Abb. 5
figure 5

Darstellung einer dokumentierten MBT-Route in Kapstadt. (Quelle: Coetzee et al. 2018, S. 797)

Die gesammelten Daten bestätigten das erwartete Überangebot an MBTs und zeigten die Anzahl ungenutzter Sitzplätze auf. Coetzee et al. (2019) wenden nach der Analyse eine Methode der Nachfrageglättung an und berechnen so eine optimierte Anzahl an MBTs, die weiterhin der Nachfrage der Passagiere entspricht. Genauere Informationen über die Vorgehensweise können in der Arbeit von Coetzee et al. (2019) nachgelesen werden, da hier lediglich auf das Potenzial dieser Optimierung fokussiert wird.

Wie Tab. 1 zeigt, ermöglicht eine Nachfrageglättung sowie eine optimierte Fahrgastverteilung operative Kosteneinsparungen im MBTV. So lassen sich rund 51 % der MBTs einsparen, was aber durch die bessere Verteilung und Auslastung der einzelnen Fahrzeuge zu lediglich 20 % weniger angebotenen Sitzplätzen führt. Zeitgleich führt eine Fahrtenreduktion zu eingesparten Fahrzeugkilometern von rund 34 %. Unter der Annahme einer statischen Nachfrage kann so das optimierte Angebot einen Profit von rund R 9 Mio. gegenüber einem geschätzten Verlust von R 6,78 Mio. für die Ausgangssituation bedeuten (Tab. 2). Der ausgewiesene Verlust ergibt sich unter Berücksichtigung aller operativen Kosten.

Tab. 1 Veränderungen vor und nach einer anwendungsbasierten Optimierung des MBTVs an einem beliebigen Wochentag. Die prozentualen Veränderungen zeigen gerundete Werte. (Quelle: Coetzee et al. 2019, S. 8)
Tab. 2 Aktuelle Kostenschätzungen sowie mögliche Einnahmen je Fahrzeug. Der empfohlene Betrieb bezieht sich auf die Daten aus Tab. 1. (Quelle: Coetzee et al. 2019, S. 9)

Unter den getroffenen Annahmen (Tab. 1 und 3) führt eine potenzielle Reduktion der Fahrzeugkilometer zu signifikanten jährlichen CO2-Emissionseinsparungen in Höhe von rund 1140 t gegenüber dem Status quo.

Tab. 3 Mögliche CO2-Emissionseinsparungen zwischen dem heutigen und dem empfohlenen Minibustaxibetrieb. (Quelle: Coetzee et al. 2019, S. 9)

Diskussion

Die vorangehende Analyse zeigt, dass eine Formalisierung und Optimierung des MBTVs beispielsweise die prekären Beschäftigungsverhältnisse und -praktiken sowie die Sicherheit verbessern könnte. Verkürzte Fahrtschichten und die Eindämmung des Wettbewerbs auf den Straßen kann das Fahrverhalten beeinflussen und die Verkehrssicherheit erhöhen (Neumann 2014). Eine Optimierung des MBTVs ist vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen von fehlender Sicherheit im Straßenverkehr vorteilhaft (Verster und Fourie 2018).

Problematisch sind mögliche negative Effekte einer Optimierung. Fahrerinnen und Fahrer könnten gezwungen sein, einer neuen Beschäftigung nachzugehen. Zudem wehrt sich die Minibustaxiindustrie bisher gegen eine Formalisierung ihres Sektors, u. a. aufgrund der Unsicherheit über einen potenziellen Arbeitsplatzverlust, eine Steuerpflicht sowie eine erhöhte Kontrolle der Fahrerinnen und Fahrer durch die Taxivereinigungen und den Staat (Vegter 2020). Das frühe Einbinden der Minibustaxiindustrie in Verhandlungen und Planungen sowie das Aufzeigen von möglichen Vorteilen und Effizienzsteigerungen können den Widerstand verringern.

Zusammenfassung und Fazit

Für einen Großteil der südafrikanischen Bevölkerung, insbesondere der unteren Einkommensschichten, ist das MBT das Hauptverkehrsmittel. Die Flexibilität der informell organisierten MBTs bedingt gleichzeitig das Fehlen von Fahrplänen oder -zeiten. Eine Ineffizienz des MBTVs ist beispielsweise das Überangebot an MBTs, das eine geringe Kapazitätsauslastung sowie ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zur Folge hat. Zudem beeinflussen der hohe Wettbewerb und die riskante Fahrweise den MBTV negativ und halten Personen davon ab, MBTs zu nutzen. Diese Nachteile verdeutlichen eine nötige Optimierung des MBTVs. Die informelle Struktur des Sektors hat eine Abbildung des Netzwerks und die darauf basierende Optimierung bisher erschwert. Ein detailliertes Verständnis des Mobilitätsverhaltens sowie des Verkehrsnetzwerkes ist jedoch für eine Modernisierung des Verkehrssystems zwingend erforderlich.

In diesem Beitrag wird eine anwendungsbasierte Optimierung, basierend auf der Arbeit von Coetzee et al. (2019), vorgestellt und deren potenzielle Effekte mit dem Status quo exemplarisch für den MBTV in Kapstadt verglichen. Mithilfe einer mobilen Applikation können Routen, Bedarfe und Passagiere dokumentiert, mit Geoinformationssystemen dargestellt und so erhebliche Kostenreduktionen im Betrieb sowie eine Verminderung des Umwelteinflusses des MBTVs erzielt werden. Zusätzlich kann eine Optimierung auch positive Auswirkungen auf die Sicherheit der Fahrgäste haben und so Fahrgastzahlen erhöhen. Problematisch können die Kommunikation und Überzeugung der bisher als veränderungsresistent angesehenen Minibustaxiindustrie werden, sich an solchen Bestrebungen zu beteiligen. Hierzu bedarf es stetigen, auch politischen Bemühungen, die argumentativ und strategisch Veränderungen erwirken können. Dieser Beitrag stellt dieser Debatte ein solches Argument zur Verfügung.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Minibustaxiverbänden demonstriert das Potenzial der Optimierung in der Branche. Die Möglichkeit einer Abbildung des MBTV-Netzes ist dabei eine Grundvoraussetzung, die mit diesem Ansatz ermöglicht wurde. Die Kooperation mit dem informellen Sektor basiert auf einfachen, angewandten, geographischen Methoden, um mittels Optimierungen langfristig positive Effekte für alle Interessengruppen zu erreichen. In verschiedenen Industrieländern findet bereits ein Wandel zur Digitalisierung und Multimodalität der Mobilität statt (Avermann und Schlüter 2020). Der MBTV könnte als Teil eines diversifizierten Verkehrssystems fortbestehen, ohne durch andere Verkehrsformen substituiert zu werden. Analysen von intermodalen Verkehrssystemen mit MBTV bedürfen weiterer zukünftiger wissenschaftlicher Betrachtung.