Prüfungssimulation

Fallschilderung

Der 59-jährige Patient stellt sich bei Ihnen mit einer seit 5 Wochen bestehenden rechtsseitigen zervikalen Lymphknotenschwellung vor. Zudem habe er in den letzten 3 Monaten ungewollt 9 kg an Gewicht verloren (173 cm, aktuell 72 kg, Status gemäß Eastern Cooperative Oncology Group: ECOG 0) und leide nachts unter vermehrtem Schwitzen. Laborchemisch zeigten sich ein unauffälliges Blutbild, ein erhöhtes C‑reaktives Protein (CRP) von 27 mg/l (Normwert: ≤ 5 mg/l) sowie eine normwertige Laktatdehydrogenase (LDH) von 188 U/l (Normwert 125–250 U/l). Er ist Raucher seit seinem 19. Lebensjahr mit etwa 2–3 Zigarettenpackungen pro Woche. Initial habe er sich aufgrund von Erkältungssymptomen und Heiserkeit bei seinem Hausarzt vorgestellt. Vom Hausarzt waren bereits 2 verschiedene Antibiotika (Amoxicillin und Clarithromycin) verabreicht worden, die jedoch keine Besserung gebracht hatten. Der Patient gibt an, bisher immer gesund gewesen zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Er ist verheiratet, hat 2 Kinder und arbeitet als Buchhalter in der Verwaltung eines mittelständischen Unternehmens. Seine Eltern leben und erfreuen sich bester Gesundheit. In jüngster Vergangenheit wegen der COVID-19-Pandemie keine Auslandsreisen. In der körperlichen Untersuchung findet sich neben einer nicht schmerzhaften zervikalen Lymphadenopathie und einer erhöhten Temperatur (38,4 °C) ein altersentsprechender Normalbefund. RR: 110/70 mm Hg, Puls: 88/min.

Prüfungsfragen

  • Wie dringlich schätzen Sie den Abklärungsbedarf des Patienten ein?

  • Welche Differenzialdiagnosen, insbesondere maligner Natur, stehen im Raum?

  • Welche anamnestischen Fragen helfen bei der Eingrenzung der Differenzialdiagnose?

  • Was sind Ihre nächsten diagnostischen Schritte, und in welcher Reihenfolge würden Sie diese durchführen (Labor, apparative Diagnostik, invasiv)?

  • Die referenzpathologische Beurteilung des Lymphknotens ergibt abschließend ein diffus großzelliges B‑Zell-Lymphom (DLBCL), nicht weiter spezifiziert (NOS), Non-GCB-Typ („germinal center B‑cell“) ohne IgH-MYC-Translokation. BCL2 und BCL6 sind ebenfalls nicht transloziert. Wie erfolgt die Stadieneinteilung, und welche Untersuchungen sind hierzu notwendig?

  • Wie erfolgt die Risikostratifikation beim DLBCL?

  • Welche therapeutischen Implikationen hätte der Nachweis von einer MYC- und einer BCL2- und/oder BCL6-Translokation für diesen Patienten?

  • Müsste ein DLBCL vom GCB-Typ anders behandelt werden?

  • Würden genetische Analysen das therapeutische Vorgehen verändern?

  • Welche Voruntersuchungen führen Sie vor Therapiebeginn durch?

  • Welche Therapie leiten Sie bei dem Patienten ein?

  • Welche Toxizitäten müssen beachtet werden?

  • Erhalten in Deutschland alle Patienten, die zu einer Therapie mit R‑CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin/Adriamycin, Vincristin, Prednisolon) geeignet sind, 4 Zyklen R‑CHOP + 2 × R?

  • Würde sich die Therapie für einen 62-jährigen Patienten ohne Komorbiditäten unterscheiden?

  • Hätte es Konsequenzen für die Therapie, wenn in der Positronenemissionstomographie-Computertomographie (PET-CT) außerdem ein Leberbefall auffällt sowie eine erhöhte LDH vorliegt?

  • Wie würden Sie einen Patienten mit ausgeprägten Komorbiditäten behandeln?

  • Im Abschluss-Staging mittels PET-CT sehen Sie keine Lymphommanifestation mehr. Wie beurteilen Sie das Ansprechen?

  • Wie würden Sie bei einem in der End-of-Treatment-PET-CT positivem Befund verfahren?

  • Welche Nachsorge empfehlen Sie dem Patienten?

Antworten

Wie dringlich schätzen Sie den Abklärungsbedarf des Patienten ein?

  • Bei einer unter 2‑maliger kalkulierter Antibiotikatherapie persistierenden Lymphadenopathie, verbunden mit Allgemeinsymptomen und einer signifikanten Gewichtsabnahme (≥ 10 % in 6 Monaten), ist eine rasche differenzialdiagnostische Abklärung indiziert, die neben Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen insbesondere Neoplasien umfassen sollte.

Merke

Unter B‑Symptomen versteht man

  • einen signifikanten Gewichtsverlust von mindestens 10 % in 6 Monaten,

  • rezidivierendes oder intermittierendes Fieber (≥ 38,3 °C) und

  • Nachtschweiß mit nötigem Wäschewechsel [1].

Welche Differenzialdiagnosen, insbesondere maligner Natur, stehen im Raum?

  • Die Differenzialdiagnose therapieresistenter zervikaler Lymphadenopathie bei Rauchern umfasst ein breites Spektrum von Infektionskrankheiten, Autoimmunerkrankungen und Neoplasien (Tab. 1).

  • Neoplasien, die mit zervikaler Lymphadenopathie einhergehen können, sind u. a.: Kopf-Hals-Tumoren, Bronchialkarzinome, Mammakarzinome, Ösophagus- und Magenkarzinome (Virchow-Drüse links supraklavikulär), Schilddrüsenkarzinome, Lymphome (u. a. chronische lymphatische Leukämie [CLL], Mantelzelllymphom, follikuläres Lymphom, diffus großzelliges B‑Zell-Lymphom [DLBCL]) und akute Leukämien (u. a. akute lymphatische Leukämie [ALL]).

Tab. 1 Auswahl möglicher Differenzialdiagnosen bei zervikaler Lymphadenopathie

Welche anamnestischen Fragen helfen bei der Eingrenzung der Differenzialdiagnose?

  • Beschreibung der Lymphknotenveränderung (Verschieblichkeit, Druckschmerz, Dauer, Größe).

Merke

Verschiebliche, druckschmerzhafte Lymphknotenschwellungen von kurzer Dauer sowie Ansprechen auf Antibiose sprechen eher für infektiöses Geschehen.

  • Exposition zu Infektionserregern:

    • Kontakt zu Tieren (insbesondere Katzen: Toxoplasmose und Katzenkratzkrankheit),

    • Sozial‑, Sexual- und Drogenanamnese,

    • Reiseanamnese (inkl. Tropenerkrankungen, etwa Malaria, Dengue-Fieber, Leishmaniose, Chagas),

  • Kinetik des Auftretens sowie assoziierte Symptome:

    • akutes vs. chronisches vs. intermittierendes Fieber,

    • Hautveränderungen, Verletzungen/Entzündungen in der Umgebung des Lymphknotens,

    • andere Lymphknotenstationen oder Organe befallen?,

    • chronischer Husten, Auswurf mit morgendlichem Abhusten von Sputum, Belastungsdyspnoe?,

    • Hämoptoe? Schluckstörungen? Heiserkeit? Neu aufgetretene gastrointestinale Probleme? Rezidivierende Erkältungskrankheiten mit kurzer Anamnese?,

  • Grunderkrankungen (Tab. 1):

    • Tumoranamnese inkl. Vorsorge,

    • Autoimmunerkrankungen,

    • Immundefizienz (angeborene Immundefekte; erworbene Immundefekte wie humanes Immundefizienzvirus [HIV], humanes T‑lymphotropes Virus 1 [HTLV-1] oder Einnahme von Immunsuppressiva nach Organtransplantation),

    • Medikamentenanamnese (wie Phenytoin, Allopurinol, Dapson, Dasatinib).

Was sind Ihre nächsten diagnostischen Schritte, und in welcher Reihenfolge würden Sie diese durchführen (Labor, apparative Diagnostik, invasiv)?

  • Labor:

    • erweitertes Blutbild mit Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerte, LDH, Harnsäure, CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), Durchflusszytometrie zur Differentialdiagnose zwischen B-Zell Non Hodgkin Lymphom und Chronisch Lymphatischer Leukämie,

    • Infektionsserologie (z. B. Epstein-Barr-Virus [EBV], Syphilis, HIV, Toxoplasmose, Hepatitis, Tuberkulose).

  • Apparativ:

    • Schnittbildgebung (Kontrastmittel-CT, PET-CT, ggf. zzgl. Magnetresonanztomographie [MRT] – s. nächste Frage).

  • Invasiv:

    • Lymphknotenexstirpation und feingewebliche Untersuchung; wenn möglich keine Stanzbiopsie. Eine Feinnadelbiopsie sollte nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden.

Merke

  • Zur Abklärung der Differenzialdiagnose Lymphom ist immer eine Lymphknotenexstirpation anzustreben,

  • eine Punktion ist weniger aussagekräftig.

Die referenzpathologische Beurteilung des Lymphknotens ergibt abschließend ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL), nicht weiter spezifiziert (NOS), Non-GCB-Typ („germinal center B‑cell“) ohne IgH-MYC-Translokation. BCL2 und BCL6 sind ebenfalls nicht transloziert. Wie erfolgt die Stadieneinteilung, und welche Untersuchungen sind hierzu notwendig?

(Abb. 1)

  • Stadieneinteilung:

    • Die Stadieneinteilung erfolgt nach Ann Arbor [1]. Standardstaginguntersuchung und Kassenleistung ist hierfür die 18F‑Fluordesoxyglukose-PET-CT (18F‑FDG-PET-CT). Unterschieden werden begrenzte („limited“, Ann Arbor I und II; etwa 40 % aller Fälle) von fortgeschrittenen („advanced“, Ann Arbor III und IV) Stadien (Tab. 2). Eine Knochenmarkpunktion zum Staging ist angezeigt, wenn sich durch einen möglichen Stadienwechsel eine therapeutische Konsequenz ergibt, etwa bei PET-CT-negativem Befund bei Patienten ohne Vorliegen weiterer Risikofaktoren, aber klinischem Verdacht des Knochenmarkbefalls [1]. In Einzelfällen, z. B. fraglichen Beteiligungen des zentralen Nervensystems (ZNS), wird zzgl. eine MRT-Untersuchung wegen der erhöhten Auflösung durchgeführt.

    • Extranodalbefälle in den Stadien I–III werden durch den Zusatz „E“ (für extranodal) spezifiziert (Tab. 2).

Abb. 1
figure 1

Immunhistochemische Färbung eines diffus großzelligen B‑Zell-Lymphoms (DLBCL). a Deutliche membranständige Expression von CD20 der großkernigen Lymphomzellen. b gleichzeitige Negativität von CD10. c,d Aufgrund der Positivität des nukleären BCL6 und MUM1 (Interferon-Regulations-Faktor 4, IRF4) Diagnose eines Non-GCB-DLBCL. (Gemäß Hans-Klassifikator, alle Aufnahmen: Vergr. 1000:1, Balken 50 μm)

Tab. 2 Stadieneinteilung des diffus großzelligen B‑Zell-Lymphoms (DLBCL). Gemäß Ann-Arbor-Kriterien [1, 2], Spezifizierung bei gastrointestinalem Befall. (Gemäß Deutscher Studiengruppe für gastrointestinale Lymphome)

Merke

Die 18F‑FDG-PET-CT ist Goldstandard und zum Initialstaging aggressiver Non-Hodgkin-Lymphome zugelassen.

Wie erfolgt die Risikostratifikation beim DLBCL?

  • Risikostratifikation:

    • Die klinische Risikostratifikation beim DLBCL erfolgt mittels des International Prognostic Index (IPI), der 5 Parameter enthält: Alter (> 60 Jahre), Allgemeinzustand (ECOG > 2), Stadium (≥ III), LDH (erhöht) und Befall von 2 oder mehr extranodalen Lokalisationen geben jeweils einen Punkt. Aus der Summe ergeben sich 4 prognostische Gruppen: niedriges Risiko (0–1 Punkte, 3–Jahres-Gesamtüberleben nach R‑CHOP: 91,4 %), niedrig-intermediär (2 Punkte; 80,9 %); hoch-intermediär (3 Punkte; 65,1 %;); hoch (4–5 Punkte; 59,0 %) [3, 4].

    • Für Patienten bis 60 Jahre steht der altersadjustierte IPI (aaIPI) zur Verfügung, der nur die Faktoren LDH, Stadium und extranodaler Befall betrachtet [3].

    • Eine weitere Abstufung der benannten Parameter führt im NCCN-IPI (National Comprehensive Cancer Network) zu einer Verbesserung der Trennschärfe, identifiziert jedoch ebenfalls keine Hochrisikogruppe (langfristiges Überleben < 50 %) [5] und hat sich bisher nicht in der klinischen Praxis durchgesetzt.

    • Es existieren neben dem IPI eine Vielzahl weiterer klinischer Faktoren zur Prognoseabschätzung, z. B. werden große Lymphome mit einem Durchmesser ≥ 7,5 cm (in anderen Ländern z. T. andere Cut-offs, wie ≥ 10 cm) ob ihrer ungünstigen prognostischen Bedeutung als „bulky“ klassifiziert [6].

    • Zudem existiert mit dem ZNS-IPI ein klinischer Risikoschätzer für einen ZNS-Befall. Hierfür wird der IPI um den Faktor Nebennieren- oder Nierenbefall erweitert und 3 Risikogruppen für einen ZNS-Befall innerhalb von 2 Jahren definiert: niedrig (0–1 Punkte, Risiko < 1 %), intermediär (2–3 Punkte, Risiko 3–4 %) sowie hoch (4–6 Punkte, Risiko 10–12 %; Tab. 3, [7]). Das optimale Management dieser Hochrisikopatienten ist aktuell unklar.

  • Der initial beschriebene 59-jährige Patient befindet sich bei rein zervikaler Lymphadenopathie mit in der PET-CT nachgewiesenem Befall beider Seiten im Stadium II. Die LDH ist nicht erhöht. Damit ergibt sich ein aaIPI von 0 Punkten und ein niedriges Risiko.

Tab. 3 Prognosemodelle für Patienten mit diffus großzelligem B‑Zell-Lymphom (DLBCL) [3, 7]

Merke

Der IPI ist der beste klinische Score zur Risikoabschätzung beim DLBCL.

Welche therapeutischen Implikationen hätte der Nachweis von einer MYC- und einer BCL2- und/oder BCL6-Translokation für diesen Patienten?

  • Klinisch und molekular ist das DLBCL eine heterogene Neoplasie. Neben den genannten klinischen existieren auch zahlreiche molekulare Prognosemarker.

  • Alleinige MYC-Translokationen haben keinen negativen Einfluss auf das progressionsfreie Überleben (PFS) und aktuell keinen Stellenwert zur Veränderung der Induktionstherapie [8].

  • Die Diagnose eines DLBCL (NOS) impliziert den Ausschluss der seit 2016 gemäß Weltgesundheitsorganisation (WHO) neu eingeführten Entität eines hochgradigen B‑Zell-Lymphoms mit MYC-Translokation und BCL2- und/oder BCL6-Translokation (HGBL; früher auch als „Double-Hit/Triple-Hit-Lymphom“ bezeichnet) [9].

  • Prognostisch entscheidend ist beim HGBL der Translokationspartner von MYC, da nur MYC-Translokationen mit Immunglobulin-Loci mit einem schlechteren progressionsfreien sowie Gesamtüberleben assoziiert sind [8]. Es gibt derzeit keine Daten, die eine veränderte Therapie von HGBL außerhalb von klinischen Studien rechtfertigen.

Müsste ein DLBCL vom GCB-Typ anders behandelt werden?

  • Seit der WHO-Revision 2016 ist die Angabe des „Cell-of-Origin-Typs“ bei DLBCL-NOS Standard. Dabei werden transkriptionell der Germinal-Center-B-Cell(GCB)-, Activated-B-Cell(ABC)-Typ sowie der nicht klassifizierbare Typ (unclassified) [9, 10] unterschieden. Der ABC-Typ ist hierbei prognostisch ungünstiger als der GCB-Typ [11]. Außerhalb von Studien ergeben sich durch die transkriptionellen Subtypen jedoch keine therapeutischen Konsequenzen.

Würden genetische Analysen das therapeutische Vorgehen verändern?

  • Die der transkriptionellen Komplexität zugrunde liegende genetische Heterogenität des DLBCL-Genoms konnte durch Hochdurchsatzsequenzierung herausgearbeitet werden und führte zur Beschreibung von mindestens 5 unterschiedlichen genetischen Subtypen. Diese genetischen Subtypen geben Einblicke in distinkte Pathogenese und Prognose Abschätzung [12, 13], haben jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine Bedeutung für die klinische Therapieentscheidung.

Welche Voruntersuchungen führen Sie vor Therapiebeginn durch?

  • Abschätzung der Therapiefähigkeit

    Folgende Untersuchungen sind zur Einschätzung der Therapiefähigkeit empfohlen:

    • EKG, transthorakale Echokardiographie, Lungenfunktion (zur Abschätzung des allgemeinen kardiopulmonalen Risikos, z. B. durch Vorerkrankungen);

    • Infektserologie (Ausschluss chronischer oder latenter Hepatitiden, aktiver Herpesvirusinfektionen, Infektion mit HIV);

    • bei klinischem Verdacht: Untersuchung auf Diabetes mellitus wegen Steroidbestandteil der DLBCL-Standardtherapie;

    • klinische Untersuchung bzw. Frage nach Symptomen einer Polyneuropathie;

    • Vitamine, insbesondere Vitamin D3, sollten vor Therapiebeginn normalisiert werden, da in einer retrospektiven Studie eine verminderte Wirksamkeit von Rituximab bei Vitamin-D3-Mangel gefunden wurde [14];

    • Beratung zum Fertilitätserhalt mit Vorstellung in spezialisierten Zentren, z. B. fertiPROTECT (www.fertiprotect.de).

Welche Therapie leiten Sie bei dem Patienten ein?

  • Therapie

    • Obwohl das DLBCL eine molekulargenetisch und klinisch heterogene Erkrankung ist, wird es mit einer einheitlichen empirisch erarbeiteten Immunchemotherapie, R‑CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin/Adriamycin, Vincristin, Prednisolon), behandelt (Abb. 2).

    • Die Immunchemotherapie kann 14-tägig oder 21-tägig verabreicht werden [15]. Bei Gleichwertigkeit der verschiedenen Zykluslängen kann eine individuelle Entscheidung zusammen mit dem Patienten getroffen werden. Bei einer 14-tägigen Verabreichung ist eine Gabe von granulozytenkoloniestimulierendem Faktor (G-CSF) notwendig.

    • Große Therapieoptimierungsstudien legen nahe, dass ältere Patienten (> 60 Jahre), Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und/oder Patienten mit sehr großer Tumorlast von einer Vorphase mit Prednisolon und Vincristin profitieren [16, 17].

    • Bei dem 59-jährigen Patienten liegt mit einem aaIPI 0 eine sehr gute Prognose vor. Gemäß den Ergebnissen der FLYER-Studie [18] kann bei Patienten mit aaIPI 0 ohne Bulkbefall die Anzahl der R‑CHOP-Zyklen von 6 auf 4 reduziert und so bei gleichbleibender Effektivität die Toxizität reduziert werden. Es ist hier also eine Therapie mit 4 × R-CHOP-21-tägig, gefolgt von 2 × R, indiziert.

Abb. 2
figure 2

Risikoadaptierte Therapiesteuerung entsprechend abgeschlossener oder laufender GLA-Studien (German Lymphoma Alliance): Flyer: geschlossen, Optimal, Unfolder: aktiv, Rekrutierung beendet. (Mod. nach M. Pfreundschuh/DSHNHL [Deutsche Studiengruppe Hochmaligne Non-Hodkgin-Lymphome]). aaIPI Age-Adjusted International Prognostic Index, „favourable“ günstig, „frail“ gebrechlich, „less favourable“ weniger günstig, R‑CHO(E)P Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Etoposid und Prednison

Merke

Ungefähr 60 % der Patienten mit DLBCL können durch eine Immunchemotherapie mit R‑CHOP geheilt werden.

Welche Toxizitäten müssen beachtet werden?

Akut- und Spättoxizitäten

  • Akuttoxizität:

    • allergische Reaktionen,

    • Übelkeit und Erbrechen (prophylaktische Verabreichung von Antiemetika z. B. Setrone zzgl. zu den Steroiden),

    • hämorrhagische Zystitis (Prophylaxe mit Mesna),

    • Alopezie (ggf. Perücke rezeptieren),

    • Infertilität,

    • Depression/Euphorie/Psychose (z.B. Steroid-induziert, lebensbedrohliche Erkrankung),

    • Entgleisung von Diabetes mellitus unter Steroidgabe,

    • Myelosuppression:

      Neutropenie (Gabe von G-CSF, obligate Gabe einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumoniephylaxe, Antiviraleprophylaxe, z.B. mit Aciclovir),

      rasche empirische Therapie bei Fieber in Neutropenie,

      Anämie, Thrombozytopenie (ggf. Bluttransfusion),

    • Tumorlysesyndrom bei großer Tumorlast,

  • Spättoxizität:

    • Kardiotoxizität durch Anthrazykline (kumulative Lebensdosis beachten) und Cyclophosphamid,

    • Neuropathie durch Vincristin (ggf. Anpassung der Vincristin-Gabe).

Merke

Die neutropene Sepsis erfordert eine schnelle Diagnostik und Initiierung einer Antibiotikagabe, die durch diagnostische Maßnahmen nicht verzögert werden darf.

Erhalten in Deutschland alle Patienten, die zu einer Therapie mit R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin/Adriamycin, Vincristin, Prednisolon) geeignet sind, 4 Zyklen R-CHOP + 2 × R?

  • Die Gabe von 6 Zyklen R‑CHOP-21 ist internationaler Standard. In Deutschland findet häufig eine an das klinische Risiko adaptierte Variation des R‑CHOP-Chemotherapie-Backbones statt (Abb. 2). Wie in dem Fall des Patienten wird bei jungen Patienten mit Niedrigrisiko (aaIPI 0) und fehlendem Bulkbefall 4 × R-CHOP-21 + 2 × R gegeben. Bei jungen Patienten mit hoch-intermediärem oder hohem Risiko (aaIPI 2–3) kann 6 − 8 × R-CHOEP, also zusätzlich Etoposid, gegeben werden [19].

Würde sich die Therapie für einen 62-jährigen Patienten ohne Komorbiditäten unterscheiden?

  • Bei einem 62-jährigen Patienten ergäbe sich ein IPI von 1 Punkt und damit ein niedriges Risiko. Die Standardtherapie besteht aus 6 × R-CHOP, gefolgt von 2 × R.

Hätte es Konsequenzen für die Therapie, wenn in der Positronenemissionstomographie-Computertomographie (PET-CT) außerdem ein Leberbefall auffällt sowie eine erhöhte LDH vorliegt?

  • Zeigt sich bei dem 59-jährigen Patienten zusätzlich auch ein Leberbefall in der PET (Abb. 3), liegt ein Stadium IV vor. Zusätzlich erhöhte LDH resultiert in einem aaIPI von 2 (hoch-intermediäres Risiko). Damit sollte dieser Patient aufgrund seines erhöhten Risikos intensiver behandelt werden (6-8 × R-CHOEP).

Abb. 3
figure 3

Positronenemissionstomographie-Computertomographie (PET-CT). a,b Zervikal rechts 3 Lymphknoten mit kräftigem Fluordesoxyglukose(FDG)-Uptake, links ein Lymphknoten mit mäßigem FDG-Uptake. c,d Fokaler kräftiger FDG-Uptake subkapsulär in Lebersegment VI/VII

Wie würden Sie einen Patienten mit ausgeprägten Komorbiditäten behandeln?

  • Patienten, die aufgrund von Komorbiditäten oder eines hohen (biologischen) Alters („frail“) nicht für eine Therapie mit R‑CHOP infrage kommen, können eine systemische Therapie nach dem dosisangepassten R‑mini-CHOP-Protokoll erhalten, das bei den > 80-jährigen, in diese Studie eingeschlossenen Patienten ein sehr gutes Gesamtüberleben nach 2 Jahren von 66 % erreicht [20]. Ebenfalls möglich ist eine Therapie mit R‑Bendamustin [2].

  • Die Minderheit der Patienten kommt für keine potenziell kurative systemische Therapie infrage und kann dann von einer palliativen Chemotherapie, Strahlentherapie und/oder Best Supportive Care profitieren.

Im Abschluss-Staging mittels PET-CT sehen Sie keine Lymphommanifestation mehr. Wie beurteilen Sie das Ansprechen?

  • Das bildmorphologische Ansprechen wird nach den Lugano-Kriterien [1] beurteilt und entspricht einer Komplettremission (CR).

  • Bei Nichterreichen einer metabolischen CR im PET-CT nach Abschluss der Systemtherapie (hier PET-CT noch keine Kassenleistung) sollte eine Involved-Site-Strahlentherapie gemäß den Empfehlungen der International Lymphoma Radiation Oncology Group [21] durchgeführt werden. Hiernach ist eine erneute Abschlussbildgebung indiziert.

Wie würden Sie bei einem in der End-of-Treatment-PET-CT positiven Befund verfahren?

  • Wird keine CR erreicht, sollte eine Vorstellung des Patienten in einem hämatologischen Zentrum zur Einleitung einer nicht kreuzresistenten Salvagechemotherapie (z. B. Rituximab, Ifosfamid, Carboplatin, Etoposid [R-ICE] oder Rituximab, Dexamethason, Cytarabin [Ara‑C], Cisplatin [R-DHAP]) erfolgen. Je nach Ansprechen auf die Salvagetherapie würde dann entweder bei fehlendem Lymphomnachweis mittels Hochdosischemotherapie (z. B. Carmustin, Etoposid, Cytarabin [Ara‑C], Melphalan [BEAM]) und nachfolgender autologer Stammzelltransplantation konsolidiert oder bei weiterer Refraktärität eine Chimeric-Antigen-Receptor(CAR-T)-Zell-Therapie eingeleitet [2]. Eine allogene Stammzelltransplantation sollte für ausgewählte Patienten, z. B. bei fehlender Mobilisierung autologer Stammzellen oder als putativ kurative Option nach erfolgter autologer Stammzelltransplantation oder CAR-T-Zell-Therapie evaluiert werden.

Welche Nachsorge empfehlen Sie dem Patienten?

  • Die Nachsorge erfolgt gemäß den Lugano-Empfehlungen [1]:

    • In den ersten 2 Jahren nach Therapieende zunächst im vierteljährlichen, in den darauffolgenden 3 Jahren in halbjährlichen und ab dem sechsten Jahr in jährlichen Abständen.

  • Anamnese, körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen, dort insbesondere LDH, stehen im Vordergrund.

  • Die routinemäßige Durchführung von CT oder PET-CT wird nicht empfohlen. Bildgebende Verfahren haben insbesondere dann ihre Berechtigung, wenn der klinische Befund einen Krankheitsrückfall oder eine Spätkomplikation vermuten lässt.