Einleitung

„Nichts auf der Welt ist so kraftvoll wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ (Zitat: Victor Hugo). Unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts sind automatisierte Assistenzsysteme in der endovaskulären Chirurgie heutzutage vorstellbar. Die Autoren beschreiben in diesem Artikel ein ambitioniertes Projekt, in dem ein roboterbasiertes ultraschallgesteuertes Assistenzsystem als Alternative zur konventionellen Verwendung von Röntgenstrahlen und Röntgenkontrastmittel im Rahmen von peripheren endovaskulären Interventionen dienen soll.

Das ungelöste Problem endovaskulärer Techniken

Für die Navigation der Instrumente im Rahmen endovaskulärer Interventionen ist noch immer die Anwendung von Röntgenstrahlen notwendig. Als Folge ist die Strahlenbelastung, insbesondere für den Interventionalisten, zum Teil immer noch sehr hoch [8]. Darüber hinaus werden Röntgenkontrastmittel für die intraprozedurale Darstellung der Gefäße benötigt. Ihr Einsatz birgt jedoch das Risiko einer kontrastmittelbedingten Nierenschädigung [20]. Die Entwicklung alternativer Navigationsmethoden ist daher von großer Relevanz [13].

Intraprozedurale Ultraschallbildgebung als Alternative zur Angiographie mit Röntgenstrahlen

Einer der aussichtsreichsten Ansätze zur Verminderung der Strahlenexposition bei peripheren endovaskulären Interventionen besteht im vermehrten Einsatz der Ultraschallbildgebung [2, 3, 5]. Dieses Verfahren ist frei von ionisierender Strahlung und erlaubt eine schnelle Visualisierung und Beurteilung der anatomischen Strukturen. Darüber hinaus liefert die Duplexsonographie dem Untersucher zusätzliche Informationen über die Strömungskinetik des Blutes, welche für die Beurteilung hämodynamisch relevanter Stenosen wichtig sind [22]. Die Duplexsonographie hat sich daher zum bevorzugten Instrument insbesondere in der Diagnostik und Nachsorge vaskulärer Pathologien entwickelt [1]. Des Weiteren wurde bereits in einem klinischen Setting gezeigt, dass in Ausnahmefällen periphere endovaskuläre Eingriffe, die normalerweise unter Röntgendurchleuchtung erfolgen, auch duplexsonographisch gestützt mit manueller Schallkopfführung durchführbar sind [2, 3, 5]. Auch in den Leitlinien der European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (EFSUMB) wird die Möglichkeit einer ultraschallgestützten endovaskulären Intervention erwähnt [7]. Nicht zuletzt nimmt die Qualität der Ultraschalluntersuchung durch technische Neuerungen wie verbesserte Bildgebungstechniken und automatisierte Bildbearbeitung [6, 10] stetig zu.

Das Problem der manuellen Schallkopfführung

Während einer peripheren endovaskulären Intervention ist eine manuelle Führung des Schallkopfes durch den Operateur oder entsprechend geschultes assistierendes Personal schwer umsetzbar und daher wenig praktikabel. Es ist dem Arzt z. B. nicht möglich, parallel zur Intervention den Ultraschallkopf zu steuern, da beide Hände zur Durchführung der Intervention benötigt werden. Zur Lösung dieses Problems bietet sich eine roboterbasierte Steuerung des Ultraschallkopfes an. Ein Roboter ist in der Lage, bestimmte Positionen mit hoher Präzision anzufahren und kann Untersuchungsschritte mehrmals wiederholen, ohne dabei zu ermüden [15, 26].

Motivation und Ziel des Projektes

Primäres Ziel des RoGUS-PAD (Robotic-Guided Ultrasound System for Peripheral Arterial Disease)-Projektes ist (1) die Durchführung peripherer endovaskulärer Interventionen ohne Verwendung von Röntgenstrahlung und Röntgenkontrastmittel sowie (2) die Verbesserung der intraprozeduralen Echtzeitvisualisierung. Dies soll durch ein neuartiges roboterbasiertes ultraschallgesteuertes Assistenzsystem erreicht werden.

Material und Methoden

Forschungsumfeld

Zur Umsetzung eines solchen Projekts wird ein interdisziplinäres Forschungs- und Entwicklungsumfeld und -team benötigt, das die Expertise aus Gefäßmedizin und Robotik vereint. Das RoGUS-PAD-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt der Klinik für Chirurgie, Bereich für Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck und dem Institut für Robotik und kognitive Systeme der Universität zu Lübeck.

Robotersystem

Für die Versuche wurde ein KUKA-Roboterarm-System (LBR iiwa 7 R800, KUKA, Augsburg, Deutschland) verwendet (Abb. 2a–d). Hierbei handelt es sich um einen sogenannten kollaborativen Roboterarm mit 7 Freiheitsgraden. Der Roboterarm ist zertifiziert als „robotische Komponente zur Integration in ein Medizinprodukt“. Dieses System wurde bereits erfolgreich für ähnliche Projekte eingesetzt [23, 27].

Ultraschallsystem

Für den Ultraschallscan verwendeten wir ein 2‑D-Lineartastkopf (L12‑3, Philips Healthcare, Best, Niederlande) mit einem speziell angefertigten Tastkopfhalter, der am Endeffektor des Roboterarms montiert wurde. Eine Softwareschnittstelle ermöglichte das Echtzeit-Streaming von 8‑Bit-Graustufenbildern des Ultraschalls von der Ultraschallstation (EPIQ 7, Philips Healthcare, Best, Niederlande) auf einen Computer. Zusätzlich erlaubte eine speziell angefertigte Middleware, Befehle vom Computer an den Roboterarm zu senden. Ein C++-Programm, führte die Bildverarbeitung durch und sendete die resultierenden Befehle zur Neupositionierung der Ultraschallsonde am Endeffektor (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten des Systems. Mit freundlicher Genehmigung, © M. Kaschwich, M. Kleemann. Alle Rechte vorbehalten

Ultraschallfähiges Phantom

Vor dem Hintergrund des Deutschen Tierschutzgesetzes (§ 7 TierSchG) und den EU Guidelines for the Protection of Animals (2 and 3 86/609/EEC), soweit wie möglich auf Tierversuche zu verzichten, wurde speziell für dieses Projekt gemäß der „3R“-Regel („replace, reduce, refine“) ein ultraschallfähiges Phantom mit austauschbaren patientenspezifischen 3‑D-gedruckten Gefäßpathologien entwickelt, an dem die erste Pilotstudie durchgeführt wurde (Abb. 2a–d). Die Methodik und iterative Erstellung des Gefäßphantoms ist einer aktuellen Publikation unserer Arbeitsgruppe zu entnehmen [12].

Abb. 2
figure 2

Semiautomatischer 2‑D-Scan am Simulator: a Manuelle Positionierung des Ultraschallkopfes. b Automatischer Scan des Phantomgefäßes durch Bildabgleich (kleines Bild links oben). c Fortgeführter automatischer Scan. d Rückkehr des Roboterarms in die Ausgangsposition nach Beendigung des Scanvorgangs. Mit freundlicher Genehmigung, © M. Kaschwich, M. Kleemann. Alle Rechte vorbehalten

Ergebnisse der Pilotstudie

Semiautomatischer 2-D-Ultraschallscan

Zu Evaluation der technischen Umsetzbarkeit des Systems wurde zunächst ein semiautomatischer 2‑D-Ultraschall-Scan am Simulator entwickelt.

Der Ablauf des Scanvorgangs ist wie folgt:

  1. 1.

    Mit einem speziell entwickelten Handführungsmodus [16] platziert der Untersucher die am Roboterarm befestigte Ultraschallsonde so, dass im Ultraschallbild ein Querschnittsbild der Arterie sichtbar ist (Abb. 2a).

  2. 2.

    Innerhalb des gestreamten Ultraschallbilds kann der Untersucher den Bereich auswählen, der von Interesse ist, nämlich das Template, welches die Arterie enthält (Abb. 2a).

  3. 3.

    Auf den nachfolgenden Bildern wird ein Templatevergleich durchgeführt, um die Arterie im Bild zu finden und anschließend nach distal zu scannen (Abb. 2b).

  4. 4.

    Nach dem Scannen der Arterie (Abb. 2c) kehrt der Roboterarm in die Ausgangsstellung zurück (Abb. 2d).

Evaluierung der Robotersteuerung

Zur Evaluation der Robotersteuerung wurden insgesamt 30 Scandurchläufe in verschiedenen Phantompositionen (0°, 30°, −30) durchgeführt. In 27 von 30 Durchläufen wurde die Phantomarterie (3-D-gedruckte A. femoralis) erfolgreich gescannt. In einem Versuch erreichte der Roboter das Ende seines Arbeitsbereichs, in zwei Versuchen lief der Roboterarm in eine Singularität und konnte den Scanvorgang nicht beenden (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Verlauf des Roboterarms in der x‑y-Ebene bei unterschiedlicher Position des Phantoms. Pro Position sind 10 Durchläufe dargestellt. Abbildung modifiziert aus Bachelorarbeit von T. Aust. Titel: Visual Servoing für endovaskuläre Eingriffe mittels Ultraschalldaten, Universität zu Lübeck. Mit freundlicher Genehmigung T. Aust

Diskussion

Die Ergebnisse unserer ersten Pilotversuche am Phantom bestätigten unsere Hypothese, dass die Entwicklung eines Roboterassistenzsystems für ultraschallgesteuerte periphere endovaskuläre Interventionen mit dem von uns genutzten Robotersystem technisch umsetzbar ist.

Roboterassistenzsysteme für ultraschallgesteuerte Interventionen sind umsetzbar

Nach unserem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, die für periphere endovaskuläre Eingriffe ein robotisches Ultraschallassistenzsystem beinhaltet.

Die Idee einer robotergestützten Ultraschalldiagnostik ist allerdings nicht neu. Maturo et al. entwickelten bereits in den 1980er Jahren eine automatisierte Ultraschalluntersuchung der weiblichen Brust [17]. Abolmaesumi et al. [4] untersuchten den Einsatz eines Roboterarms für die Diagnostik der A. carotis. Virga et al. [27] entwickelten ein autonomes Robotersystem für Ultraschalluntersuchungen der Bauchaorta. Eine klinische Studie von Wang et al. [28] beschreibt die Anwendung eines robotergestützten Ultraschalls für fetale Diagnostik. Die zitierten Studien stützen unsere Einschätzung, dass roboterbasierter Ultraschall sowohl technisch als auch klinisch umsetzbar ist. Im Februar 2018 erhielt das Corindus CorPath GRX-Roboter-System der Fa. Corindus Vascular Robotics Inc. die Freigabe der US Food and Drug Administration (FDA) für periphere Gefäßinterventionen. Dieses System hat einen automatisierten Vorschub der Drähte und Kathetersysteme zu eigen, nutzt jedoch weiterhin konventionelle Angiographiesysteme mit Röntgenstrahlen und Kontrastmittelapplikationen und wurde kürzlich in diesem Journal beschrieben [14]. Allerdings ist bis dato noch kein roboterbasiertes Ultraschallsystem beschrieben, dass den Ansprüchen der täglichen klinische Praxis standhält.

Einer der Hauptgründe hierfür ist sicherlich in der Komplexität einer Ultraschalluntersuchung zu suchen. Eine Ultraschalluntersuchung ist ein hochdynamischer Prozess, bei der der Untersucher nicht nur mit der Anatomie der zu untersuchenden Körperregion gut vertraut sein muss, sondern es ist auch eine stetige Neupositionierung des Schallkopfes notwendig. Des Weiteren ist ein kontinuierlicher und gleichmäßiger Druck des Schallkopfes wichtig, damit der Kontakt zur Haut und damit das Ultraschallsignal nicht unterbrochen wird. Gegebenenfalls müssen auch ungewollte Bewegungen des Patienten kompensiert werden.

Die oben genannten Gründe sind dafür verantwortlich, dass die Qualität einer Ultraschalluntersuchung entscheidend von der Erfahrung und dem Können des Untersuchers abhängt und somit eine hohe Intra- und Inter-Beobachter-Variabilität vorhanden ist [25].

Auch Sicherheitsaspekte, Patienten und -Behandlerakzeptanz für robotische Assistenzsysteme sind zu respektieren. Eine begleitende Entwicklung ist daher unter den Gesichtspunkten des Medizinproduktegesetztes [30] und Health Technology Assessment (HTA) zu fordern.

Zur Lösung dieser Probleme arbeiten mehrere internationale Forschergruppen an der Automatisierung der Schallkopfführung mithilfe von kollaborativen Robotern [21]. Diese sind dank integrierter Kraftsensorik sicher in direktem Kontakt zum Menschen einsetzbar. Hier werden von aktuellen Robotersystemen insbesondere die technischen und rechtlichen Vorgaben zur Mensch-Roboter-Kollaboration (DIN EN ISO 10218‑1 und -2) sowie zum Software-Lebenszyklus für medizinische Software (DIN EN ISO 62304) eingehalten. Diverse Systeme zur robotergestützten Ultraschallbildgebung wurden in den letzten Jahren entwickelt, sowohl für diagnostische Zwecke (z. B. Karotis- [19], Beinvenen- [11] oder Leber-Scans [18]) als auch für interventionelle Anwendungsfälle (Nadelpunktionen [29] und Tumorverfolgung [24]). Die Vorteile der automatisierten Schallkopfführung liegen dabei vor allem in der Reproduzierbarkeit der Bilderfassung hinsichtlich des Andrucks und der Position und der Möglichkeit der automatischen, bildbasierten Nachführung des Schallkopfes bei Bewegungen des Zielgebiets.

Das RoGUS-PAD-Projekt ist ein Assistenzsystem zu Unterstützung des Arztes

Ob sich ein solches System in den klinischen Alltag integrieren lässt, hängt außerdem von der Akzeptanz der Anwender und nicht zuletzt von der des Patienten ab. In diesem Zusammenhang konnten wir in einer internationalen Umfrage (unveröffentlichte Daten) zeigen, dass die Akzeptanz einer solchen Technologie von einem großen Teil der potenziellen Anwender getragen wird.

Dennoch ist davon auszugehen, dass einige Ärzte die Angst hegen, durch einen Roboter ersetzt zu werden. Es sei hier noch einmal erwähnt, dass wir mit dem RoGUS-PAD-Projekt ein Assistenzsystem entwickeln wollen, dass den Arzt optimal autonom während der Intervention unterstützt – es ist nicht das Ziel, den Arzt zu ersetzen. Dieser behält stets die Kontrolle über den Eingriff.

Es ist davon auszugehen, dass mit dem zunehmenden Einsatz von Deep-learning-Algorithmen die erforderlichen individuellen und komplexen Bewegungsmuster einer Ultraschalluntersuchung in naher Zukunft von einem Robotersystem realisiert werden und damit die Möglichkeit einer echten Automatisierung gegeben ist [6, 10].

Schlussfolgerung und Ausblick

Nach der klinischen Einführung und Durchsetzung der endovaskulären Verfahren in der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit müssen die zukünftigen medizintechnischen Entwicklungen auf die Reduzierung von Strahlungs- und Kontrastmittelapplikation zielen. Eine bis dato wenig weiterentwickelte Form der Ultraschallbildgebung während der Intervention kann unter robotischer Assistenz, also automatisierter Schallkopfführung, zur klinischen Routine weiterentwickelt werden (Abb. 4). Aktuell befinden sich die Entwicklungen im Stadium der technischen Machbarkeit.

Abb. 4
figure 4

Geplantes klinisches Setting: Während der endovaskulären Intervention erfolgt eine automatisierte Schallkopfsteuerung. Der Arzt erhält somit eine ständige Echtzeitvisualisierung des Interventionsfokus. Mit freundlicher Genehmigung, © M. Kaschwich, M. Kleemann. Alle Rechte vorbehalten

Die nächsten Schritte in diesem Projekt sind:

  1. 1.

    Automatische Kalibration von Ultraschall- und Robotersystem

  2. 2.

    Vollautomatische, roboterbasierte Darstellung des gesamten Gefäßbaums im Ultraschall („Ultraschallangiogramm“), inklusive weiterer prä- und intraoperativer Daten

  3. 3.

    Automatische Erkennung und Verfolgung des Führungsdrahtes

  4. 4.

    Akquise eines Doppler-Flussbilds über die gesamte Länge der Beinarterie

  5. 5.

    Validierung verschiedener Verfahren zur intraarteriellen Bildgebung (intravaskulärer Ultraschall [IVUS], optische Kohärenztomographie [OCT])

  6. 6.

    Klinische Pilotstudie nach dem Medizinproduktegesetz müssen folgen.

Fazit für die Praxis

  • Die Weiterentwicklung ultraschallbasierter peripher endovaskulärer Interventionen zur Vermeidung von Röntgenstrahlen- und Kontrastmittelexposition von Patienten und Untersuchern ist von hoher klinischer Relevanz.

  • Ein robotisches Assistenzsystem erlaubt eine Echtzeitultraschalldarstellung des Interventionsbereichs.

  • Neue Technologien wie „Deep-learning-Algorithmen“ werden in Zukunft einen neuen Grad der Automatisierung in der Medizin möglich machen.