Entzündung (lat.: „inflammatio“) ist eine körpereigene Reaktion auf schädliche Einflüsse. Die noch heute gültigen klassischen 4 Zeichen der lokalen Entzündung wurden erstmals von Aulus Cornelius Celsus (geb. um 25 v. Chr.), der seine medizinischen Erkenntnisse von den Ideen des Hippokrates ableitete, beschrieben: Tumor (Schwellung), Calor (Überwärmung), Rubor (Rötung) und Dolor (Schmerz). Celsus verfasste eine Enzyklopädie, die Artes, von deren Büchern nur noch die 8 über die Heilkunst, De Medicina, erhalten sind [1]. Er war der Ansicht, dass die Medizin auf Erfahrung und Überlegung aufbauen sollte. So schreibt er, dass der Arzt nach einer Operation auf die Zeichen einer Entzündung achten müsse. Celsus fasste die Entzündung noch als eine Komplikation einer Operation auf.

Der Postaggressionsstoffwechsel (bzw. das Postaggressionssyndrom) ist eine endokrinologische Veränderung im Organismus, getriggert durch Operationen, Traumen und jedwede Störung der körperlichen Integrität. Ziel dieser Anpassungsreaktion des Organismus, die schon 1950 beschrieben wurde [2], ist, durch eine katabole Stoffwechsellage eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Energie (Glucose) zu gewährleisten. Das Herz-Kreislauf-System wird aktiviert (für eine drohende „Kampf- oder Fluchtreaktion“), und es kommt zur Ausschüttung von Akute-Phase-Proteinen.

Wir wissen heute, dass die Wundheilung ein komplexes Geschehen ist, das die morphologische und funktionelle Wiederherstellung von zerstörtem Gewebe zum Ziel hat. Die physiologische Wundheilung umfasst verschiedene Phasen, und Entzündungszellen spielen dabei eine wichtige Rolle [3]. Die Regulation der aufeinander abgestimmten Schritte erfolgt durch Zytokine und Wachstumsfaktoren aus Zellen der Wundumgebung und der Wunde selbst. Nach provisorischem Verschluss durch Fibrin werden Entzündungszellen rekrutiert: Neutrophile Granulozyten und Monozyten/Makrophagen eliminieren Keime und Debris. Makrophagen stimulieren schließlich die Einwanderung und Proliferation von Fibroblasten und die Angiogenese. Das Granulationsgewebe füllt den Gewebedefekt auf und bildet eine neue extrazelluläre Matrix.

Der Postaggressionsstoffwechsel und die Wundheilung sind zwei von zahlreichen physiologischen Mechanismen, die – wenn sie geordnet und kontrolliert ablaufen – eine Genesung nach Operationen und Traumata ermöglichen. Kommt es zu Störungen im Ablauf, und die „physiologische“ Entzündungsreaktion wird „pathologisch“, kommt es zur Schädigung von bisher gesundem Gewebe und erhaltener Organfunktion bis hin zu Sepsis und Multiorganversagen.

Unser Wissen über den Einfluss der von uns für die Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie verwendeten Medikamente auf Gewebe und Organe, Zellhomöostase, Signalwege und gar DNA- und RNA-Synthese nimmt stetig, v. a. auch aufgrund komplexer Tier- und Zellkulturmodelle, zu. Was liegt also näher als die Frage, ob unsere Medikamentenauswahl einen Einfluss auf oder gar eine Protektion vor einer „schädigenden“ Prozedur hat?

Zahlreiche Tiermodelle konnten zeigen, dass Anästhetika einen präkonditionierenden (protektiven) Effekt auf das Herz und andere Organe gegenüber einer Ischämie haben. Es sind zahlreiche Mechanismen und Signalwege beschrieben worden, die diesen Effekt erklären [4]. Leider haben jedoch klinische Studien beim Menschen diese Wirkung bisher in dieser Ausprägung nicht nachvollziehen können.

Die Forschungsanstrengungen der letzten Jahre haben unsere Vorstellung über die komplexen inflammatorischen Vorgänge im Rahmen von Operationen deutlich erweitert. Wir ahnen, dass sie notwendig sind, um eine „restitutio ad integrum“ zu erreichen, sehen aber, auch welche Auswirkungen ein ungeregelter Ablauf haben kann. Das aktuelle Leitthema „Die perioperative Inflammation“ von Jan Roissant et al. leistet daher einen wichtigen Beitrag, unser Wissen über diese komplexe Pathophysiologie zu erweitern. Auch wenn wir derzeit noch keine konkreten therapeutischen Schritte für unsere Patienten daraus ableiten können, so hilft uns doch ein differenziertes Wissen, den Krankheitsverlauf unserer Patienten zu verstehen und entsprechend supportiv zu behandeln. Daher lohnt es sich auf jeden Fall, sich mit einer komplexen Materie wie der perioperativen Inflammation (wie auch mit der Präkonditionierung) näher zu beschäftigen.

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Prof. Christian Wunder, DEAA