Die heutigen und zukünftigen gesundheitlichen Herausforderungen, die eng mit der modernen globalen ökonomischen und politischen Welt zusammenhängen, erfordern Lösungen mit internationaler Perspektive. Forschern und Praktikern der Verhaltensmedizin fällt eine immer wichtigere Rolle in der Forschungsförderung, in der breiten Information über Forschungsbefunde und in der auf die jeweiligen Verhältnisse zugeschnittenen Anwendung dieses Wissens jenseits von traditionellen nationalen Grenzen und Kulturen zu. Der Auftrag und die Grundsätze der Internationalen Gesellschaft für Verhaltensmedizin (International Society of Behavioral Medicine 1986) geben Aufschluss über ihre Bedeutung für diese globale Herausforderung:

"Verhaltensmedizin ist ein interdisziplinäres Gebiet, das die Entwicklung und Integration von gesundheits- und krankheitsbezogenem psychosozialem, behavioralem und biomedizinischem Wissen und die Anwendung dieses Wissens auf Prävention, Ätiologie, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation umfaßt. Die Bandbreite der 'Verhaltensmedizin' reicht von Forschung zum Verständnis grundlegender Verhaltensmechanismen über klinische Diagnose und Intervention bis zur Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung. Die International Society for Behavioral Medicine (ISBM) hat zum Ziel, den Bedürfnissen aller gesundheitsbezogenen Disziplinen zu entsprechen, die sich mit der Integration von psychosozialen, Verhaltens- und biomedizinischen Wissenschaften befassen (http://www.isbm.miami.edu/html/charter.html)."

Um sich diesen globalen gesundheitlichen Herausforderungen zu stellen, müssen sich Verhaltensmedizin, Gesundheitspolitik, Praxis und Forschung vernetzen. Das Öffentliche Gesundheitswesen (Public health) wurde folgendermaßen definiert:

"Das Zusammenwirken von Wissenschaft, Fachkenntnissen und Überzeugungen dient der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Gesundheit aller Menschen durch kollektive oder soziale Handlungen. Die beteiligten Programme, Dienste und Institutionen stellen die Prävention von Krankheiten und die Gesundheitsbedürfnisse der Gesamtbevölkerung in den Mittelpunkt. Die öffentlichen Aktivitäten des Gesundheitswesens ändern sich zwar mit veränderten Technologien und Werthaltungen, aber die Ziele bleiben dieselben: die Rate von Krankheiten, verfrühtem Tod und Behinderungen in der Bevölkerung zu senken" (Last 1995, S. 134).

Wollen wir uns den gesundheitlichen Herausforderungen stellen, denen alle Länder in allen Regionen der Welt gegenüberstehen, ist die Verbesserung der Qualität und der Quantität der verhaltensmedizinischen Forschung und Praxis von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung bis zur Anwendung und Umsetzung von Interventionen auf ganze Populationen unumgänglich. Die vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht der wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen globalen Herausforderungen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und diskutiert, in welcher Weise die Verhaltensmedizin am effektivsten zur Verbesserung von Prävention und zur Handhabung dieser Herausforderungen beitragen kann. Dazu gehören sowohl Strategien der Krankheitsprävention, also der Reduzierung der Inzidenz von gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch Strategien zur Gesundheitsförderung, also der Befähigung von Individuen und Gemeinschaften, mehr Kontrolle über gesundheitsrelevante Faktoren zu erlangen und so ihre Gesundheit zu verbessern (World Health Organisation 1986). In diesem Beitrag werden folgende Aspekte besprochen:

  • gesundheitsbezogene Faktoren und Einflüsse im globalen wie im lokalen Umfeld,

  • sozioökonomische Determinanten von Krankheit und Gesundheit,

  • mehrdimensionale Erklärungen von Gesundheit und Krankheit und

  • Methoden für eine verbesserte Verbreitung von Forschungswissen.

Unsere gegenwärtigen "Erfolge" lehren uns für die Zukunft, dass es unbedingt notwendig ist, Interventionen in die Praxis zu übertragen, dauerhafte infrastrukturelle Unterstützung für Präventions- und verhaltensmedizinische Forschung sowie für Bildungs- und Trainingsprogramme zu sichern und sich mit den gesundheitlichen Bedürfnissen von benachteiligten Populationen zu befassen.

Globale gesundheitliche Herausforderungen

Globale Gesundheits- und Krankheitsmuster: die wichtigsten gesundheitlichen Gefahren

Das globale Muster von Krankheitsbelastungen hat sich in den vergangenen 100 Jahren dramatisch verändert. Während der letzten 40 Jahre hat sich die Lebenserwartung von Menschen in Entwicklungsländern stärker erhöht als in der gesamten vorhergehenden Geschichte der Menschheit, nämlich von 40 Jahre auf 63 Jahre zwischen 1950 und 1990 (World Bank 1993). Die Zahl der Kinder, die vor dem 5. Lebensjahr sterben, ist seit 1960 ebenfalls um 50% zurückgegangen (World Bank 1993). In den entwickelten Ländern hat der Anteil der Todesfälle durch übertragbare Krankheiten und Infektionen abgenommen, und der Anteil von nichtübertragbaren Krankheiten, insbesondere der sog. chronischen Krankheiten hat sich deutlich erhöht. Anfang der 90er-Jahre erwiesen sich chronische Krankheiten, wie ischämisches Herzleiden und zerebrovaskuläre Krankheiten, als die Haupttodesursachen; beide zusammen verursachten 21% aller Todesfälle weltweit (World Health Organisation 1999). In den Wohlstandsländern waren 1998 81% aller Krankheiten auf nichtübertragbare Erkrankungen, wie kardiovaskuläre Erkrankungen, psychische Störungen, insbesondere Depressionen, und bösartige Neoplasmen, zurückzuführen. Alkoholkonsum wurde als eine der wichtigsten Ursachen körperlicher und psychischer Beeinträchtigung erkannt (World Health Organisation 1999).

In den Entwicklungsländern sind die drei Hauptursachen von Krankheiten bei Erwachsenen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, HIV/Aids und Tuberkulose (World Health Organisation 1999). Während bei Kindern aus Entwicklungsländern 21% aller Todesfälle durch akute Atemwegsinfektionen, Durchfall, Malaria, Masern und perinatale Umstände verursacht werden, führen die genannten Krankheiten bei 1% der Kinder in den hoch entwickelten Ländern zum Tod (World Health Organisation 1999). Es ereignen sich 98% aller Todesfälle von Kindern unter 15 Jahren in Entwicklungsländern; die Sterbewahrscheinlichkeit zwischen Geburt und dem 15. Lebensjahr erstreckt sich von 1,1% in den etablierten Industrienationen bis zu 22% in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara (Murray u. Lopez 1997). Wichtig ist es, festzuhalten, dass viele dieser Zustände vermeidbar wären: Mindestens 2 Mio. Kinder sterben jedes Jahr durch Krankheiten, für die Impfstoffe vorhanden sind (World Health Organisation 1999).

Unfälle und Verletzungen—beabsichtigt wie unbeabsichtigt –sind im internationalen Maßstab bedeutsame und zugleich vernachlässigte Ursachen von Gesundheitsproblemen und sind für 18% der globalen Krankheitsbelastungen verantwortlich (World Health Organisation 1999). In weniger entwickelten Ländern sind Verkehrsunfälle sogar die häufigste Verletzungsquelle; Krieg, Gewalt und Selbstschädigung rangieren unter den 20 bedeutendsten Ursachen für den Verlust gesunder Lebensjahre (World Health Organisation 1999).

Die Global Burden of Disease Study (Murray u. Lopez 1997) hat die zukünftige Verteilung von Mortalität und Krankheitsbelastungen prognostiziert. Erwartungsgemäß werden nichtübertragbare Krankheiten für einen immer größeren Teil der Krankheitsbelastungen verantwortlich sein, und vermutlich von 43% im Jahre 1998 auf 73% im Jahre 2020 anwachsen. Zu den 10 wichtigsten Sterblichkeits- und Krankheitsursachen wird HIV gehören und in diesem Sinne "eine beispiellose Umkehrung des Fortschritts in der menschlichen Gesundheit" darstellen (Murray u. Lopez 1997, S. 1506). In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat HIV/Aids bereits eine verheerende Wirkung, weil die Lebenserwartung dadurch um 10 Jahre gesunken ist und sich die Kindersterblichkeit verdoppelt hat (CDC MMWR 2001).

Hauptursachen von Krankheitsbelastung

Die Hauptursachen von Krankheitsbelastung werden in abnehmender Rangfolge die Folgenden sein: ischämische Herzkrankheit, Depression, Verkehrsunfall, zerebrovaskuläre Krankheit, chronische obstruktive Lungenkrankheit, tiefere Atemwegsinfektionen, Tuberkulose, Kriegsverletzungen, Durchfall und HIV. Zu den bedeutenden gesundheitlichen Risikofaktoren werden das Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und starker Alkoholkonsum gehören. Laut Vorhersage wird 2020 das Rauchen mehr frühe Todesfälle und Beeinträchtigungen verursachen als jede andere Einzelerkrankung, und der Zuwachs an Sterblichkeit wird von 3 Mio. im Jahre 1990 auf 8,4 Mio. geschätzt.

Das Erfassen dieser globalen Trends und die wachsende Belastung durch vermeidbare chronische Krankheiten und Behinderungen kann unser Verständnis von Gesundheitsthemen und Gefahren in unseren jeweiligen Ländern fördern. Es gibt zwar immer Schwankungen zwischen und auch innerhalb der Länder. Es ist ihnen jedoch gemeinsam, dass eine relativ kleine Zahl von Gesundheitsrisiken einen großen Teil der globalen Sterblichkeit und Behinderungen verursacht. Nach Erkenntnissen der World Health Organisation (2002) sind die 10 bedeutendsten vermeidbaren Gesundheitsrisiken weltweit:

  • Untergewicht bei Kindern und Müttern,

  • ungeschützter Geschlechtsverkehr,

  • hoher Blutdruck,

  • Tabakkonsum,

  • Alkoholkonsum,

  • verseuchtes Wasser, mangelnde Kanalisation und mangelhafte Hygiene,

  • hoher Cholesterinspiegel; Brennstoffemissionen in Wohnräumen,

  • Eisenmangel,

  • Übergewicht/Fettleibigkeit.

Diese Faktoren zusammen sind für ungefähr 40% der 56 Mio. Todesfälle, die sich weltweit jährlich ereignen, und für ein Drittel des gesamten Verlustes von gesunden Lebensjahren verantwortlich (World Health Organisation 2002). Wenn alle diese genannten Gefahren tatsächlich vermieden werden könnten—so, wie es die WHO empfiehlt (ein zugegebenermaßen sehr hoch gestecktes Ziel)—könnte die gesunde Lebenszeit in den Entwicklungsländern im Durchschnitt 10 Jahre und in den entwickelten Ländern 5 Jahre angehoben werden (World Health Organisation 2002).

Verhaltens- und soziale Epidemiologie von Gesundheit und Krankheit

Es gibt eine Vielfalt von Faktoren, die zur Erklärung der sich ändernden Morbiditäts-, Sterblichkeits- und Krankheitsverbreitungsmuster sowohl in als auch zwischen den Ländern und Regionen herangezogen werden können. Einige dieser Faktoren hängen mit dem Bevölkerungszuwachs, der Alterung und den sozialen Mustern zusammen, während andere mehr mit der lokalen und globalen ökonomischen und ökologischen Umwelt zu tun haben. Eine beeindruckende Anzahl epidemiologischer Erkenntnisse der letzten 50 Jahre zeigt die Wichtigkeit einer Reihe von Verhaltensdeterminanten und modifizierbaren Risikofaktoren, wie Bewegungsmangel, Rauchen und schlechte Ernährung. Die Verhaltens- und Sozialforschung hat Schlüsseltheorien und -modelle entwickelt, die unser Wissen über modifizierbare Determinanten von Krankheit und Gesundheit mit Strategien für Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung verbinden. In der wohl anspruchsvollsten Monographiereihe über dieses Thema bietet Gochman (1997) einen umfassenden Überblick über die Bandbreite der Umwelt-, der kulturellen, der familiären und der persönlichen Faktoren und Einflüsse, von denen wir wissen, dass sie den Lebensstil und das Gesundheitsverhalten beeinflussen.

In den letzten Jahren haben wir viel erfahren über die psychobiologischen Mechanismen, die psychosoziale Zustände, wie Stress, Depression und Attributions- bzw. Bewältigungsstile, mit einzelnen gesundheitlichen Folgen in Verbindung bringen, die wiederum mit enormen Kosten und Leiden einhergehen, z. B. Immunfunktionen, Arthritis, Asthma und kardiovaskuläre Reaktivität. So konnten wir nicht nur die Wege, sondern auch die biologischen Stressindikatoren bestimmen, wie Hormone, Blutdruck und Blutfette, die nun auch für die Überwachung der Effekte von Interventionsprogrammen zur Gesundheitsförderung verwendet werden können. Unter anderem haben Schneiderman et al. (2003, in diesem Heft) von ihrem Forschungsprogramm berichtet, dass sich durch kognitiv-behaviorales Stressmanagement in Gruppen kombiniert mit Entspannungstraining die Kortisol- und Noradrenalinwerte reduzieren, während der Testosteronspiegel ansteigt. Dies führt zur Korrektur des Hypogonadismus, der letztlich bei den HIV-positiven Männern zu Muskelschwund führen würde.

Der Anfang dieser Wissensbasis wurde mit der Publikation einer bahnbrechenden Studie zum Zusammenhang von Rauchergewohnheiten englischer Ärzte und Krankheit gemacht (Doll u. Hill 1966). Die ersten Berichte der Framingham-Studie, die eine Anzahl von "Risikofaktoren" für kardiovaskuläre Erkrankungen bestimmt hat (Kannel u. Gordon 1968), und der Bericht über Rauchen und Gesundheit des Amerikanischen Gesundheitsministeriums (US State Surgeon General's Advisory Committee 1964) haben international die Aufmerksamkeit auf den Tabakkonsum als einen entscheidenden Risikofaktor für gesundheitliche Schäden und frühe Sterblichkeit gelenkt. Der Lalonde-Bericht (1974) und die Alameda County Studie (Belloc u. Breslow 1972) haben beide die Wichtigkeit von breiteren Umweltfaktoren festgestellt, wie soziale Unterstützungsnetzwerke und sozioökonomische Faktoren, als Einflussgrößen auf die Gesundheit. Im Jahr 1980 gaben die US Centers for Disease Control einen Bericht heraus, nach dessen Schätzungen in den Vereinigten Staaten 50% der Sterblichkeit infolge der bereits genannten 10 Haupttodesursachen auf Lebensstilfaktoren zurückgeführt werden kann (Centers for Disease Control 1980). McGinnis und Foege (1993) versuchten den relativen Beitrag von bedeutsamem und potenziell veränderbarem Gesundheitsverhalten und sozialen Faktoren zur Sterblichkeit und Krankheit in den Vereinigten Staaten zu schätzen und kamen zu dem Schluss, dass 1990 bei nahezu der Hälfte aller Todesfälle die wirkliche Todesursache in einer relativ engen Konstellation von gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen zu finden war. Im Jahr 1996 wurde im Amerikanischen Gesundheitsbericht über körperliche Aktivität und Gesundheit festgestellt, dass körperliche Aktivität das Risiko von frühem Sterben im Allgemeinen und im Speziellen die Wahrscheinlichkeit von koronaren Herzkrankheiten, hohem Blutdruck, Darmkrebs und Diabetes mellitus senkt (1996).

Der rasch wachsende evidenzbasierte Wissenspool über die entscheidenden sozialen und Verhaltensdeterminanten von Gesundheit wird in vielen Ländern genutzt, um Prioritäten und zu empfehlende Ziele für das öffentliche Gesundheitswesen zu setzen, nämlich durch die Änderung des Lebensstils und der damit verbundenen Risikofaktoren frühen Tod und Krankheiten zu reduzieren. Besondere Berücksichtigung findet dabei die Veränderung folgender Faktoren

  • Bewegungsmangel,

  • Ernährung,

  • Rauchen, Alkohol und andere Drogen,

  • Verletzungskontrolle,

  • Sonnenschutzverhaltensweisen,

  • angemessene Anwendung von Medikamenten,

  • Impfkontrollen,

  • sexuelle und reproduktive Gesundheitsvorsorge,

  • Mundhygiene.

Trotz des schnellen Anwachsens unseres traditionellen Wissens über soziale und Verhaltensepidemiologie von Krankheit und Gesundheit ist eine solche Wissenbasis zwar erforderlich, aber nicht ausreichend, um die Art der globalen gesundheitlichen Herausforderungen, die in diesem Artikel bereits zusammengefasst wurden, anzugehen. Es gibt zahlreiche zusätzliche Herausforderungen, die gründlich durchdacht und in den Mittelpunkt von Verhaltensmedizin und Präventionsforschung gerückt werden müssen. Vier dieser Herausforderungen werden im Folgenden erörtert.

Zukünftige Herausforderungen für verhaltensmedizinische Forschung, Praxis und Prävention

Den Einfluss der globalen und lokalen Umgebung auf die menschliche Gesundheit besser verstehen

Auf der globalen Ebene wird sich die gegenseitige Verzahnung zwischen den gesundheitlichen Herausforderungen, mit denen sowohl die Industrienationen als auch die Entwicklungsländer konfrontiert sind, durch die Globalisierung der Weltwirtschaft, den wachsenden internationalen Verkehr, der wachsenden Weltbevölkerung, durch Krieg und durch den Einfluss von klimatischen und anderen Veränderungen in der natürlichen ökologischen Umwelt steigern (McMichael 2001; McMichael u. Beaglehole 2000). Diese Veränderungen werden eine Herausforderung für traditionelle Denkweisen, insbesondere für die Epidemiologie darstellen. Koopman (1996) stellte fest, dass die Epidemiologie im Begriff ist, sich von einer Wissenschaft, die die Risikofaktoren von Krankheit bestimmt, zu einer Wissenschaft zu werden, die die Krankheitsmuster bestimmende Systeme analysiert.

Gleichzeitig mit dem beträchtlich gewachsenen Wissen über globale Einflüsse auf die Gesundheit ist das Interesse an "lokalen" sozialen, ökonomischen und Umgebungseinflüssen auf das Gesundheitsverhalten und auf die Gesundheit im Allgemeinen wiedererwacht (Sallis u. Owen 1997). Solche Einflüsse zeigen in den Settings Schule, Arbeitsplatz, häusliches Umfeld, unmittelbare Nachbarschaft oder Gemeinde. Die Tabakkonsumforschung hat besonders klar gezeigt, welche bedeutsame Rolle soziale Netzwerke, Vereine und das politische Umfeld spielen. Die Forschung zu körperlicher Aktivität und die populationsbezogenen Interventionen zur Reduktion sitzender Tätigkeiten fokussieren auf Veränderungen des lokalen Umfelds; konkret auf die Stadtentwicklung, die Gestaltung der Nachbarschaftsverhältnisse, auf die Bestimmung von Determinanten, wie Bevölkerungsdichte, Straßenverbindungen und gemischte Landnutzung (Sallis et al. 1998). Die heutigen Veränderungen der Arbeitswelt in den Industrieländern, wie die Globalisierung des Arbeitsmarkts, das beschleunigte Arbeitstempo, Konkurrenz und Personalabbau, spielen vermutlich ebenfalls eine große Rolle im dramatischen Zuwachs von solchen gesundheitlichen Problemen, wie Burnoutsyndrom, Depression und chronische Müdigkeit. Die rasche Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnologie verändert auch die Struktur des Arbeitslebens, indem es die Flexibilität und Mobilität der Angestellten erhöht, um fast überall und zu jeder Zeit zu arbeiten. Allerdings gehen damit auch erhöhte Risiken von Arbeitsüberlastung oder Schwierigkeiten, Arbeit, Freizeit und Familienleben zu trennen, einher. Die positiven und negativen gesundheitlichen Folgen dieser Phänomene sind noch unerforscht.

Die sozioökonomischen Determinanten von Gesundheit und Krankheit und die soziale Position besser verstehen

Es ist seit über 100 Jahren allgemein bekannt, dass Armut sowie soziale und ökonomische Ungleichheit Hauptgründe für schlechte Gesundheit und Krankheit sind. Im Jahr 1999 wurde darüber im World Health Report in eindringlichen Worten berichtet (World Health Organisation 1999).

"Der schlimmste Mörder und der bedeutendste Auslöser für Krankheiten auf der Welt steht fast am Ende der Liste der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ICD. Er ist mit dem Code Z59.5 als "Äußerste Armut" aufgeführt. Armut ist der Hauptgrund, weshalb Säuglinge nicht geimpft werden, weshalb kein sauberes Wasser und keine Kanalisation vorhanden sind, weshalb Medikamente und andere Behandlungsformen unerreichbar sind und weshalb Mütter bei der Geburt ihres Kindes sterben. Es ist die entscheidende Ursache von verkürzter Lebensdauer, von Behinderung, von Beeinträchtigung und Hunger. Armut ist ein entscheidender Faktor bei der Auslösung psychiatrischer Erkrankungen, von Stress und Suizid, von familiärer Desintegration und von Drogenmissbrauch" (Executive Summary S. 1).

Solche Ungleichheiten tief greifend anzugehen, ist mindestens ebenso eine politische und ökonomische Aufgabe wie eine Herausforderung für das Gesundheitssystem per se. Mehr zu wissen über die "hinderlichen" Determinanten von Gesundheit, die solche gesundheitliche Disparitäten schaffen, ist zweifellos sehr wichtig, aber dieses Wissen wird nur dann etwas ändern, wenn es für geeignete, langfristige und nachhaltige Interventionsstrategien auf mehreren Ebenen verwendet wird. In mehreren neueren internationalen Berichten wurde die geringe Anzahl und bescheidene Qualität der Versuche, gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren, bemängelt (Acheson 1998; Dahlgren u. Whitehead 1998). Die hier folgende Typologie der Interventionsebenen bietet einen Weg, die Präventionsoptionen, für deren Effektivität zunehmend Beweise vorliegen, einzuordnen (Oldenburg et al. 2000). Hierbei ist zu beachten, dass sie sich gegenseitig nicht ausschließen:

  • Änderungen der Sozial- und Wirtschaftspolitik auf der Makroebene,

  • Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen,

  • Einbeziehung der Gemeinden in die Gesundheitsinitiativen,

  • Reduzierung von Risikoverhalten,

  • Stärkung der Individuen und ihrer sozialen und familiären Netzwerke,

  • Steigerung der Gerechtigkeit im Gesundheitsversorgungssystem.

Heranziehung von Mehrebenen-Erklärungs-Ansätzen für Gesundheit und Krankheit zur Entwicklung und Evaluierung von Interventionen

Wenn die sozialen, sozioökonomischen, Verhaltens- und Umweltfaktoren einzeln bedeutsam sind, ist anzunehmen, dass sie bei der Beeinflussung von Gesundheit und Krankheit zusammenwirken. Wie McKinlay u. Marceau (2000) anmahnen, sollte von der Bestimmung individueller Risikofaktoren bzw. der "Risikofaktorologie" abgerückt und zu komplexeren Mehrebenen-Erklärungen des menschlichen Verhaltens und dessen gesundheitlichen Folgen übergegangen werden. Mit anderen Worten, ohne wesentlich anspruchsvollere und komplexere Erklärungen von Verhalten und den gesundheitlichen Folgen wird es nicht möglich sein, die Wirksamkeit unserer Präventionsmaßnahmen zu belegen. Die jeweilige Analyseebene—z. B. die physiologische Ebene, der Lifestyle, die Umwelt- oder die soziale Struktur—muss besser mit der angemessenen Interventionsebene abgestimmt werden.

Die Entwicklung, Implementierung und Evaluation einer Reihe von umfassenden kardiovaskulären Präventionsmaßnahmen auf Gemeindeebene in den 70er- und 80er-Jahren zeigte, dass die Interventionen auf mehreren Ebenen durchaus wirksam sind. Diese Strategien zielten nicht ausschließlich auf die Änderung des Individuums ab, sondern auch auf die Medien, die Rechtsprechung und restriktive politische Maßnahmen. Die Interventionen erstreckten sich auf spezifische Settings, wie Schule, Arbeitsplatz, Gesundheitsversorgungsdienste, oder andere Schlüsselpositionen der Gemeinde, mit dem Ziel, die Rate von Risikoverhalten, Morbidität und Mortalität in der Population zu reduzieren. Das Nord Karelien Projekt in Finnland (Puska et al. 1985) ist nach wie vor eines der hervorragendsten Beispiele einer solchen Herangehensweise. Im Mittelpunkt dieses Gesundheitsförderungsprogramms auf Gemeindeebene stand die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Hierbei wurde darauf fokussiert, das Rauchen zu reduzieren, eine Ernährung zu fördern, die cholesterinarm ist und einen hohen Anteil an Gemüse und fettarmen Produkten aufweist, und schließlich die Aufdeckung und Kontrolle von erhöhtem Blutdruck zu verbessern. Die Strategien waren mehrgleisig; sie reichten von Informationsvermittlung durch Massenmedien über Gemeindekurse für neuartiges Kochen und Nahrungsmittelzubereitung, soziales Modelllernen durch Fernsehprogramme, Erhöhung der Tabaksteuer, Förderung von rauchfreien Räumen bis zur Unterstützung durch lokale und internationale Organisationen und der Neuorganisierung des präventiven Gesundheitswesens durch die Einrichtung von lokalen Büros.

In neuerer Zeit haben umfassende Interventionsversuche am Arbeitsplatz mit einer Kombination von traditionellen Verhaltensinterventionen und von umgebungsorientierten Interventionen gerabeitet, um die gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen, die bei chronischen Krankheiten, wie kardiovaskuläre Erkrankung und Krebs, entscheidend sind, zu beeinflussen. Das Australian National Work Health Project (Simpson et al. 2000) fokussierte z. B. auf körperliche Aktivierung, gesunde Ernährung sowie eine Reduktion des Rauchens und des Alkoholkonsums. Die soziobehaviorale Intervention umfasste eine individuelle Beratung. Darüber hinaus wurden Selbstinstruktionsmaterialien in Gruppensitzungen mit dem Ziel verteilt, verschiedene soziale und psychologische Faktoren, Selbstwirksamkeit, soziale Unterstützung durch Familie und Freunde und die Wahrnehmung von Grenzen zu beeinflussen. Die umgebungsorientierte Intervention beinhaltete die Veränderung wichtiger Aspekte des Arbeitsplatzes. Dazu gehörten Veränderungen des physikalischen Umfelds, Modifikation Informations- und politischer Prioritäten zur Förderung gesundheitlicher Veränderungen, wie z. B. Botschaften über die Auswahl von gesunden Lebensmitteln an Verkaufsstellen oder das Bestücken der Lebensmittelautomaten mit fettarmen und ballaststoffreichen Nahrungsmitteln. Die Ergebnisse solcher Versuche waren jedoch nicht unbedingt so positiv wie die vorhergehende Generation der Arbeitsplatzinterventionen, die offener und gezielter auf die gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen der Individuen abzielten, wie z. B. eine australische Studie mit dem Personal von Rettungsdiensten (Gomel et al. 1993).

Sorensen et al. (1996) haben beschrieben, in welchen Bereichen ihrer Meinung nach die nächste Generation von Interventionen auf Bevölkerungsebene in Gemeinden, an Arbeitsplätzen und an Schulen erfolgen sollte. Nach ihrer Auffassung müssen diese Interventionen, wenn sie wirksam werden sollen,

a):

auf mehreren Einflussebenen eingesetzt werden,

b):

die sozialen Ungleichheiten bei Krankheitsrisiken angehen,

c):

die Gemeinden in die Programmplanung und -umsetzung einbeziehen,

d):

Ansätze anwenden, die auf "maßgeschneiderte" Interventionen setzen und

e):

rigorose Prozesskontrollen durchführen.

Verbesserung der Wissensverbreitung

Den tatsächlichen Wert der Forschung bestimmt das Ausmaß, in dem die "Nutzer" das erarbeitete Wissen verbreiten, anwenden, umsetzen und beibehalten und schließlich ihre Auswirkung auf die Systeme und die Politik auf regionaler, staatlicher und/oder nationaler Ebene. Während beträchtliche Anstrengungen unternommen wurden, um effektive Interventionen zu erarbeiten, galt relativ wenig Aufmerksamkeit der Entwicklung und der Erforschung effektiver Methoden für die Verbreitung ihrer Anwendungen (Oldenburg et al. 1997). Es ist bekannt, dass die Verfügbarkeit relevanter Forschungsbefunde an sich noch keine gute Praxis garantiert. Ein solcher Wissenstransfer setzt die Entwicklung formaler Forschungspolitik, formalisierter Unterstützung durch Organisationsstrukturen, angemessene und gezielte Finanzierung, formale Tätigkeitsüberwachung und kontinuierliche Aus- und Weiterbildung voraus.

Neuere Modelle haben verschiedene Entwicklungsstadien in der Erforschung, Entwicklung und Evaluierung von innovativen Ansätzen bezüglich eines bestimmten Gesundheitsproblems identifiziert. Typischerweise bestehen sie aus der Entwicklung von Hypothesen, von Methoden, von kontrollierten Interventionsversuchen, von Bevölkerungsstudien sowie Demonstrations- und Umsetzungsstudien. Ein von Oldenburg et al. (1996) entwickeltes Modell kann sich als nützlich erweisen, den Weg einer Intervention von ihrer ursprünglichen Entwicklung bis zu ihrer Institutionalisierung in der Politik zu verfolgen, um ihre potenzielle Nützlichkeit bei der Umsetzung im öffentlichen Gesundheitswesen einzuschätzen. Das Modell besteht aus den vier Stadien:

a):

Grundlagenforschung und Entwicklung,

b):

Innovationsentwicklung,

c):

Innovationsverbreitung,

d):

Institutionalisierung und Nachhaltigkeit

und kann zur Bestimmung von Interventionen verwendet werden, die mit Individuen oder kleinen Gruppen getestet wurden, bis zu ihrer weitesten Anwendung auf der Bevölkerungsebene, Änderungen in der Gesetzgebung und im politischen Umfeld inbegriffen. Diese vier allgemeinen Stadien sind zwar konzeptuell unterschiedlich, aber der Zuwachs an Nachweisen von Stadium zu Stadium läuft vermutlich bidirektional und die einzelnen Stadien werden sich zwangsläufig oft überlappen. Sollte z. B. die dauerhafte Anwendung des Programms nicht erreicht werden, kann es sich als nötig erweisen, eine Intervention an die Bedürfnisse des Zielanwenders, z. B. durch eine vereinfachte Vorgehensweise, anzupassen.

Oldenburg et al. (1996) haben das Gerüst und die Qualität der verhaltensmedizinischen Forschung, der Gesundheitsförderung, der Gesundheitspsychologie und des öffentlichen Gesundheitswesens nach diesem Modell evaluiert. Vermutlich überrascht es wenig, dass die Ergebnisse jenseits der Stadien von Grundlagenforschung, Programmentwicklung und Innovationsentwicklung eine Forschungslücke zeigen. Damit haben wir ein weiteres Beispiel für den Bedarf, die Bandbreite der Verhaltensmedizin zu erweitern, um die Forschung auf dem Gebiet der Verteilung und Verbreitung von Wissen zu fördern, damit die Befunde effektiv und angemessen in "reale" Praxis umgesetzt werden können.

Wie erkennen wir, dass es eine Veränderung gibt?

Sorensen et al. (1996) beobachteten nach 15 Jahren Präventionsforschung in verschiedenen Settings kaum signifikante Effekte ihrer Studien und in den seltenen Fällen signifikanter Befunde einen vernachlässigbaren Wirkungsgrad. Diese Beobachtungen kommentieren die Autoren wie folgt:

  1. 1.

    Es muss die Größenordnung der Ergebnisse solcher Durchgänge nach ihrem potenziellen Effekt auf der Ebene der Bevölkerung beurteilt werden. "Klinische" Standardinterpretationen solcher Ergebnisse sind fehl am Platze, da kleine Veränderungen auf der individuellen Ebene große Gewinne auf der Populationsebene bringen können (Rose 1994).

  2. 2.

    Bei der Bewertung der Effektivität solcher Interventionen kann es notwendig werden, die Bedeutung von sekundären Trends zu überprüfen.

Künftige Forschungs- und Präventionsprogramme, die soziale Veränderungen erreichen wollen, fokussieren möglicherweise auf die Medien und die Politik, um soziale Veränderungen anzuregen; dies kann dann nur schwerlich spezifischen Veränderungen zugeschrieben werden. Deshalb brauchen wir alternative Bewertungsmethoden. In Einklang damit bemerkt Susser (1995), dass Präventionsversuche unter Umständen die Erwartungen zwar nicht erfüllen, ihre scheinbar geringe Wirkung jedoch nicht inkompatibel ist mit den Effekten nichtexperimenteller Interventionen, die über Jahre durchgeführt werden. Statt die Versuche aufzugeben, sollten wir das notwendige Wissen zu ihrer Verfeinerung erwerben. Soziale Bewegung auf nichtstaatlicher Ebene braucht Zeit, und sobald diese Bewegung stark genug ist, um die Politiker zu formalen politischen Änderungen zu bewegen, wird sich die Veränderung beschleunigen.

Im Jahr 1999 haben die US Centers for Disease Control (CDC) eine Artikelreihe mit dem Titel "Zehn große Errungenschaften des öffentlichen Gesundheitswesens im 20. Jhd." gestartet (CDC MMWR 1999). Jeder Artikel dieser Reihe wurde im Lauf des Jahres 1999 in "Morbidity and Mortality Weekly Report" publiziert. In diesen Veröffentlichungen verwiesen die CDC, dass es den Initiativen des öffentlichen Gesundheitswesens zu verdanken sei, dass die Lebenserwartung der Menschen in den Vereinigten Staaten im 20. Jh. um 25 Jahre gestiegen sei (CDC MMWR 1999).

Gemäß der World Health Organisation (2002) zeigt dieErfahrung, dass der Erfolg von Interventionen auf Gemeindeebene die Teilnahme der öffentlichen Hand erfordere durch unterstützende politische Entscheidungen, sektorenübergreifendes Handeln, angemessene Gesetze, Gesundheitsreformen sowie die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen, mit der Industrie und mit dem privaten Sektor. Die außerhalb des Gesundheitssektors getroffenen Entscheidungen haben oft eine große Auswirkung auf die zu beeinflussenden Faktoren. Oft wird größerer gesundheitlicher Gewinn im Sinne von Prävention durch öffentliche politische Strategien, die ihren Einfluss in Bereichen, wie Handel, Lebensmittel- und pharmazeutische Produktion, Landwirtschaft, Stadtentwicklung und Steuerpolitik, ausüben, erreicht als durch Veränderungen in der Gesundheitspolitik selbst.

Ein Hauptthema, das aus solchen Analysen der nationalen und internationalen Unternehmungen zur Bewältigung der großen Herausforderungen und Fragen der öffentlichen Gesundheit entsteht, ist das komplexe Zusammenspiel zwischen der Praxis der Gesundheitsexperten, der staatlichen Politik, der Forschung und der Bildung. Allerdings sind der Gesamtbeitrag und der Einfluss, den Individuen während eines einzelnen Arbeitslebens als Forscher, Politiker oder Praktiker auf die Verbesserung der sozialen, mentalen und körperlichen Gesundheit der Population ausüben können, i. Allg. recht bescheiden, außer einigen individuellen und sehr bemerkenswerten Ausnahmen. Diese Wirkung wird jedoch auch durch eine Reihe sowohl formeller als auch informeller Kommunikations- und Einflusskanäle vermittelt. Die formellen Kanäle umfassen Publikationen in Fachzeitschriften und andere Publikationen sowie Vorträge auf Konferenzen. Die weniger formalen Beeinflussungsmittel umfassen Unterricht und Ausbildung von jungen Forschern. Dazu gehört auch die Teilnahme in Gremien oder die Ausübung einer Reihe anderer Beratertätigkeiten, die die nationale und internationale Gesundheitspolitik und die Forschungsagenda beeinflussen können. Nationale und internationale Organisationen und Gesellschaften, wie die Internationale Gesellschaft für Verhaltensmedizin und ihre nationalen Mitgliedsgesellschaften (wie z. B. Deutsche Gesellschaft für Verhaltensmedizin; www.dgvm-online.de), weltweit sind weitere Kanäle zur Förderung und Anregung der Zusammenarbeit zwischen Praktikern, Forschern und Studierenden. Solche Kommunikation und Kooperation können wiederum der Forschung und der Ausbildungsprogramme nicht nur in unseren Ländern, sondern weltweit Auftrieb geben.

Von Zeit zu Zeit scheint das Ausmaß der gesundheitlichen Herausforderungen, wie die neuerliche Epidemie der chronischen Krankheiten und HIV/Aids oder der Ausbruch von SARS ("severe acute respiratory syndrome") noch neueren Datums, das viele Länder heimgesucht hat, überwältigend und unlösbar zu sein. Bei solchen Gelegenheiten empfiehlt es sich, sich die herausragenden "Erfolgsstorys" des öffentlichen Gesundheitswesens und der Verhaltensmedizin während der letzten 50 Jahre in Erinnerung zu rufen. Wichtig ist aber auch, sich darauf zu besinnen, dass der Zeitraum, der zwischen der Beschreibung und dem Verstehen eines öffentlichen Gesundheitsthemas, der Entwicklung und der Bewertung von wirksamen Interventionsstrategien und schließlich der Umsetzung dieser Forschungsbefunde in Routinepraxis verstreicht, lang und dornig sein kann. Es ist ernüchternd z. B. zu bedenken, dass König James von England 1604 in seinem "counterblast to tobacco" (Schlag gegen Tabak) folgende Feststellung machte:

"Eine Gewohnheit, die abscheulich für das Auge ist, abstoßend für die Nase, schädlich für das Gehirn, gefährlich für die Lunge und mit seinem schwarzen stinkenden Rauch am meisten dem schauerlichen stygischen Rauch der bodenlosen Grube ähnelt."

Vierhundert Jahre später steht die Welt dennoch vor einer Explosion von Morbidität und Sterblichkeit aufgrund von Rauchen und Tabakkonsum in den Ländern Asiens und Afrikas.

Schlussbemerkungen

Die Ansätze zur Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen, die während der nächsten Generationen allen Ländern bevorstehen, erfordern ein gewachsenes Verständnis der verschiedenen Fragen, die in vorliegender Arbeit beschrieben wurden. Solche Gesundheitsprobleme müssen in einem globaleren Rahmen gesehen werden, und es muss mehr Aufmerksamkeit den "hinderlichen" ökonomischen, sozialen und Umweltfaktoren von Gesundheit gewidmet werden. Zur Bewältigung dieser Probleme benötigen die Länder eine Gesundheitspolitik und Versorgungssysteme, die mehr als bisher auf die Prävention und auf die öffentliche Gesundheit ausgerichtet sind, und es wächst die Notwendigkeit, deutlich mehr Wissens- und Ressourcenaustausch jenseits der traditionellen disziplinären, kulturellen und nationalen Grenzen zu betreiben. Es gibt bereits Ansätze zu solcher internationalen Zusammenarbeit in Zusammenhang mit der Kontrolle von Rauchen und HIV/Aids.

Als ein weiterer Punkt in der Frage der gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen und innerhalb der Länder ist festzuhalten, dass die Leistung der Gesundheitssysteme und der verhaltensmedizinischen Ausbildung und Forschung nicht ausschließlich auf der Grundlage dessen beurteilt werden soll, ob sie zur Verbesserung der Gesundheit der ganzen Population beigetragen haben. Die Leistung sollte vielmehr daran gemessen werden, wie weit diese Aktivitäten solchen Individuen und Bevölkerungsgruppen—im nationalen wie im internationalen Maßstab—zugute kamen, die besonders benachteiligt sind und die weltweit am meisten einer fokussierten, koordinierten und langfristigen verhaltensmedizinischen Betreuung in Forschung und Praxis bedürfen.

Die Präventionsprogramme für die Bewältigung der zukünftigen gesundheitlichen Aufgaben, die auf die nächsten Generationen zukommen, müssen einen fundamentalen Paradigmenwechsel vollziehen mit einem erweiterten Fokus, der sich auf die verschiedenen sozialen, ökonomischen, Umwelt- und Lebensstildeterminanten von Gesundheit erstreckt. Interventionsversuche müssen mit innovativen Mitteln auf vielen Ebenen mit starker Gemeindebeteiligung und sektorenübergreifender Zusammenarbeit jenseits des Gesundheitssektors gleichzeitig umgesetzt und bewertet werden.

Fazit für die Praxis

Die Länder brauchen eine Gesundheitspolitik und Versorgungssysteme, die in erhöhtem Maße auf die Gesundheit der Bevölkerung ausgerichtet sind, und es muss über die traditionellen disziplinären, kulturellen und nationalen Grenzen hinaus viel mehr Austausch von Wissen und Ressourcen erfolgen, um die Bandbreite und die Praxis der Verhaltensmedizin und der Prävention zu erweitern.