Die Pandemie hat in den letzten 2 ½ Jahren nahezu alle geriatrischen Themen überschattet und viele geriatrische Einrichtungen in ihrer Existenz bedroht. Positive Entwicklungen der vergegangenen 10 Jahre erlebten einen erheblichen Rückschlag. Die Debatten über die Verhinderung von Todesfällen, Impfungen sowie die psychosozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie verstellten den Blick auf wichtige andere Themenbereiche. Zu diesen gehört u. a. die Tatsache, dass eine pandemische Dekonditionierung v. a. bei älteren Menschen stattgefunden hat [8]. Folgeeffekte sind neben einer nachlassenden Balance, Kraft und Ausdauer eine Zunahme an Stürzen sowie ein Anstieg des Körpergewichts, welche 30–50 % der Bevölkerung im dritten und vierten Lebensabschnitt betreffen. Nur wenige ältere Menschen haben ihr Aktivitätsniveau gehalten oder gar verbessert. Tausende von Gruppenprogrammen wurden pausiert und viele (noch) nicht wieder aufgenommen. Der Zugang zur stationären Rehabilitation wurde insbesondere aufgrund einer Verringerung der Zahl an geriatrischen Rehabilitationsbetten schwieriger [4]. Die ambulante Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie waren oft nur mehr auf dem Papier möglich. Die Liste an Hindernissen für den Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit bei älteren Patienten ist lang. Die öffentliche Debatte hat zwar das Thema der Dekonditionierung mittlerweile bei Kindern und Jugendlichen aufgenommen. Bezüglich der Situation der geriatrischen Population herrscht weitestgehendes Schweigen.

Mit dem vorliegenden Themenschwerpunkt wollen wir daher ein Zeichen setzen. Es sollte und muss über die oben genannten Themen gesprochen werden – über neue Daten, über neue Methoden, über die vergangenen 3 Jahre, und wie es weitergehen kann – respektive muss.

In einer europäischen Ad-hoc-Arbeitsgruppe war es in „warp speed“ möglich, eine Gruppe zu formieren, die sich des Themas Rehabilitation von älteren COVID-Patienten angenommen hat. Durch die Initiative der niederländischen Arbeitsgruppen in Leiden und Maastricht wurde eine Reihe von Publikationen auf den Weg gebracht [3, 5,6,7], die in dieser Ausgabe fortgeführt werden [2]. Auf deutscher Seite ist Stefan Grund hervorzuheben, der die Beteiligung unermüdlich organisiert hat.

Die Rehabilitation und das Training von Patienten mit M. Parkinson werden auch in der Geriatrie immer wichtiger. Viele Patienten in den Krankheitsstadien 3–5 auf der Hoehn-und-Yahr-Skala werden primär geriatrisch behandelt, sei es originär oder nach einem Krankheitsereignis bei vorbestehender Parkinson-Erkrankung. Die Therapieansätze haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Simon Steib und seine Arbeitsgruppe sind auf diesem Gebiet führende Bewegungswissenschaftler und erläutern in ihrem Beitrag neue Aspekte, die auch in einer personalisierten geriatrischen Rehabilitation Beachtung finden sollten [9].

Seit Langem ist es Standard, dass wir die Indikation und die Dosis eines Medikaments individuell für jeden Patienten prüfen. Dieses Prinzip sollte auch hinsichtlich der Häufigkeit, der Dauer und der Intensität einer Behandlung im Rahmen von Physio- oder Ergotherapie sowie Logopädie Anwendung finden. Vor allem eine unterschwellige Therapie gilt es zu vermeiden. Aber wie sieht der therapeutische Alltag aus? Oft werden Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie eher pragmatisch verordnet. Die Frequenz der Therapieeinheiten pro Tag folgt oft der normativen Kraft der Kapazität und nicht der Verbesserung des Angebots. Die Dauer wird meist nur anhand der Regelbehandlungsdauer festgelegt. Der Inhalt der therapeutischen Einheiten ist oft nicht ausreichend transparent, und eine Dosis kann oftmals nicht benannt werden. Ein erster Schritt – gewissermaßen mit der Taschenlampe – wurde hier von Marios Stefanakis, einem griechischen Physiotherapeuten, gemacht, der Patienten während und außerhalb der Therapiezeiten mit einem sensorbasierten Verfahren ausgewertet hat und auf diese Weise die Bewegungsmenge (Dosis) quantifizieren konnte. Mithilfe dieses Verfahrens lassen sich zukünftig vermutlich individuelle Mindestmengen ableiten und damit Verbesserungen entwickeln [10].

Der Erfolg einer Rehabilitation oder einer Trainingsbehandlung sollte auch anhand einer Veränderung des aktiv beanspruchten Lebensraumes, des „life space“, beurteilt werden. Phoebe Ulrich beschäftigt sich in ihrer Übersichtsarbeit mit zur Erfassung des Life space vorhandenen Fragebogen sowie ihrer psychometrischen Eigenschaften. Die Autoren haben hierbei einen besonderen Schwerpunkt auf die in deutscher Sprache vorhandenen Assessmentinstrumente gelegt [12].

Wir müssen im dritten Jahr der Pandemie die drastischen Folgen derselben für ältere Menschen besser sichtbar machen. Die COVID-Erkrankungen sind gerade für diese Bevölkerungsgruppe noch lange nicht vorbei. Daher bedarf es intakter Strukturen für die Geriatrische Rehabilitation dringender als jemals zuvor [1]. Zudem benötigen wir auf den Ebenen von Prävention, Therapie und Rehabilitation nicht nur eine Rückkehr zum präpandemischen Status, sondern relevante Weiterentwicklungen. Hierzu gehören u. a. komplementäre digitale therapeutische Angebote für die intersektorale Betreuung. Der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss und das BMBF fördern eine Reihe innovativer Ideen wie die intersektorale Versorgung im Geras-Projekt und das Prometheus-Projekt zur Frailty-Prähabilitation im häuslichen Umfeld [11]. An Ideen seitens der Geriatrie mangelt es nicht.

Im internationalen Vergleich sind wir im Bereich Rehabilitation (noch) vergleichsweise gut aufgestellt. Das wichtigste Thema in diesem Versorgungssektor wird aber für die kommenden Jahre die Sicherstellung einer ausreichenden Zahl motivierter Therapeuten, Pflegender und Ärzte sein. Es bleibt zu hoffen, dass die richtigen politischen Weichenstellungen und unser Angebot einen extremen Mangel an Fachkräften verhindern werden. Gerade im Bereich des körperlichen und kognitiven Trainings sind in Deutschland international sichtbare Meilensteinprojekte verwirklicht worden. Vor allem die Arbeitsgruppe von Prof. Klaus Hauer aus Heidelberg ist hier zu nennen. Es ist uns in diesem Heft ein Anliegen, seine Verdienste auf dem Gebiet der geriatrischen Trainingsbehandlung in der ZGG zu würdigen. Wir werden seinen Rat und seine Ideen noch viele Jahre benötigen.