Einleitung

740.043 ha beträgt die Gesamtfläche Südtirols, die sich über alle Höhenstufen erstreckt, von 207 m Meereshöhe bei Salurn bis zu den 3.904 m Meereshöhe der Ortlerspitze (Astat 2011a, b). Südtirol ist ein Gebirgsland, denn 64,4 % der Landesfläche befinden sich über 1.500 m Meereshöhe (Abb. 1; Astat 2011b). Die Gesamtfläche der 20.212 landwirtschaftlichen Betriebe Südtirols beträgt 486.440 ha (inklusive 201.058 ha Waldfläche). Die landwirtschaftliche Nutzfläche, die sich aus Ackerland, Hausgärten, Obst- und Weinbauflächen, sowie Wiesen und Weiden zusammensetzt, beträgt 241.952 ha und hat in den letzten 10 Jahren einen Rückgang von 9,5 % erfahren (Astat 2011c). 96,1 % der im Jahre 2010 erhobenen landwirtschaftlichen Betriebe sind Einzelbetriebe und sie bewirtschaften zusammen 56,8 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Südtirols, was die Kleinstrukturiertheit von Südtirols Landwirtschaft unterstreicht. Weitere 31,8 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden vor allem von sogenannten Interessent-schaften als Gemeinschaftsbesitz verwaltet. Hierbei handelt es sich vor allem um Almen und Weideflächen (Astat 2011c).

Abb. 1
figure 1

Flächenverteilung der Landesfläche Südtirols (740.043 ha) nach Höhenstufen. (Daten aus Astat 2011b)

Die landwirtschaftliche Nutzfläche Südtirols teilt sich auf Hausgärten (0,1 %), Ackerland (1,7 %), Gehölzkulturen (10,3 %), Dauerwiesen (26,7 %) und Weideland (61,2 %) auf. Die 24.927 ha an Gehölzkulturen umfassen mit 18.538 ha vorwiegend den Apfelanbau und mit 5.291 ha den Weinbau. Alle anderen Kulturen stellen interessante Nischenproduktionen dar, liegen aber flächenmäßig weit dahinter: Kastanien (123 ha), Marillen (65 ha), Birnen (57 ha), Kiwi (13 ha), Oliven (10 ha), Pfirsiche (3 ha), Nektarinen (1 ha) (Abb. 2; Astat 2011c). Zusätzlich produzieren noch 47 Südtiroler Baum- und Rebschulbetriebe auf 307 ha vorwiegend Obstbäume und Reben (Astat 2011c).

Abb. 2
figure 2

a Gehölzkulturen und entsprechende Fläche (ha) nach Kulturart. Der prozentuelle Anteil der Kulturart an den Gehölzkulturen (24.927 ha) ist oberhalb der Säulen angegeben. b Anzahl der Betriebe für die fünf wichtigsten Kulturen. (Daten Landwirtschaftszählung 2010, Astat 2011c)

Südtirols Obst- und Weinbau ist kleinstrukturiert. Im Apfelanbau bewirtschaften 7.275 Betriebe eine Anbaufläche von 18.538 ha. Somit ist die durchschnittliche Betriebsgröße im Apfelanbau Südtirols 2,55 ha, im Weinbau 1,11 ha, bei Marillen (0,52 ha) und Birnen (0,45 ha) noch viel geringer. In den letzten 10 Jahren (2000–2010) ist die Apfel-Anbaufläche Südtirols um 3,2 % gestiegen, während die Anzahl der Betriebe um 10,0 % abgenommen hat. Im Weinbau ist die Anzahl der Betriebe in den letzten 10 Jahren nahezu unverändert geblieben, die Gesamt-Fläche hat jedoch um 10,0 % zugenommen. Die Fläche für den Marillen-Anbau hat sich in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt (von 33 auf 65 ha), während die Fläche für den Birnenanbau auf Grund der zunehmenden Feuerbrandgefahr nur leicht gestiegen ist (von 52 auf 57 ha) (Astat 2011c).

Die Wohnbevölkerung Südtirols beträgt 507.657 Personen (31.12.2010), wobei insgesamt mehr als 43 % in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern leben (Bozen 20,5 %, Meran 7,5 %, Brixen 4,1 %, Leifers 3,4 %, Bruneck 3,1 %, Eppan 2,8 %, Lana 2,2 %), 15,4 % leben in Gemeinden mit 5.000–10.000 Einwohnern, und 41,1 % der Bewohner leben in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern (Astat 2011b). Mit Ausnahme der wenigen Zentren sind demnach ca. zwei Drittel der Bevölkerung im ländlichen Raum angesiedelt.

Die Erwerbsquote, d. h. der Prozentanteil der Erwerbspersonen (= Erwerbstätige + Arbeitssuchende) an der Wohnbevölkerung zwischen 15 und einschließlich 64 Jahren, lag 2011 in Südtirol bei 73,5 % (Männer 81,3 %; Frauen 65,5 %), bei einer geringen Arbeitslosenquote von 3,3 % (Astat 2012b) – und damit höher als im EU-Durchschnitt (EU-27: 71,2 %) (Astat 2012b).

In den landwirtschaftlichen Betrieben Südtirols erfolgte im letzten Jahrzehnt ein starker Strukturwandel. 1999 waren noch 12,3 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt (Männer 13,9 %; Frauen 7,4 %; Astat 2000) bzw. im Jahre 2000 waren es noch 11,9 % (Männer 14,3 %; Frauen 8,5 %; Astat 2001). Letztlich waren es im Jahre 2011 aber nur mehr 6,1 %, die in der Landwirtschaft tätig waren (Männer 7,9 %; Frauen 3,8 %), 23,8 % im produzierenden Gewerbe und 70,0 % im Dienstleistungssektor (Abb. 3; Astat 2012b). Im europäischen Vergleich ist dies immer noch ein hoher Wert, denn im EU-15-Durchschnitt sind nur mehr 3,0 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig (EU-27: 5,0 %) mit sinkendem Trend: Deutschland (1,6 %), Frankreich (2,9 %), Schweiz 3,6 %), Italien (3,7 %), Spanien (4,2 %), Österreich (5,3 %). Höhere Werte liegen beispielsweise in Slowenien (8,6 %), Portugal (9,9 %), Griechenland (12,4 %), Polen (12,7 %) und Rumänien (28,6 %) vor (WKO 2012a). Im internationalen Vergleich bleibt interessant, dass in den Industriestaaten ein eher geringer Anteil der Erwerbstätigen noch in der Landwirtschaft tätig ist (USA 1,8 %; Japan 3,8 %; WKO 2012a), dieser Anteil in den sogenannten BRIC-Staaten aber noch sehr hoch ist: Brasilien (2009: 17,0 %; WKO 2012b), Russland (2009: 9,7 %; WKO 2012c), Indien (2010: 51,1 %; WKO 2012d), und China (2008: 39,6 %; WKO 2012e).

Abb. 3
figure 3

Erwerbstätige Südtirols nach Wirtschaftsbereichen und Geschlecht im Jahre 2011, angegeben in Prozent. (Daten aus Astat 2012b)

81.890 Personen waren im Wirtschaftsjahr 2009/2010 in den Südtiroler Landwirtschaftsbetrieben tätig (Astat 2011c). 66,1 % sind familieneigene Arbeitskräfte, meist die Bewirtschafter selbst, mithelfende Familienangehörige und Verwandte und 31,1 % der Arbeitskräfte sind nur kurzzeitig oder saisonal in der Landwirtschaft beschäftigt. 71,6 % dieser Saisonarbeitskräfte stammen aus anderen EU-Staaten, 25,1 % haben die italienische Staatsbürgerschaft und 3,3 % stammen aus Nicht-EU-Staaten (Astat 2011c). Ohne diese Erntehelfer wäre die heutige Südtiroler Landwirtschaft nicht mehr denkbar.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft ist für Südtirol nicht zu unterschätzen. 2011 wurden in Südtirol Produkte aus Land- und Forstwirtschaft im Wert von 571,1 Mio. € exportiert, darunter Obst und Gemüse im Wert von 216,4 Mio. € (37,9 %). Dem gegenüber steht ein Import von Produkten aus Land- und Forstwirtschaft im Wert von 154,2 Mio. € (WIFO 2012). Südtirols Landwirtschaft verwendet den größten Teil seiner Produktion für den Export (49,4 %) und die Zwischenverwendung (40,8 %), während die interne Nachfrage sehr gering ist (9,7 %) (Astat 2012a).

Die Wertschöpfung zu Herstellungspreisen der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei betrug im Jahr 2008 4,5 % (801,5 Mio. €; Astat 2010) und im Jahre 2009 4,1 % (627,7 Mio. €; Astat 2011d) der gesamten Wertschöpfung Südtirols. 2009, dem ersten Jahr der Wirtschaftskrise, wurde in Südtirol eine Wertschöpfung zu Herstellungspreisen von insgesamt 15,4 Mrd. € erwirtschaftet. 74,0 % davon entfallen auf den Dienstleistungssektor, 21,9 % auf das Produzierende Gewerbe, 3,9 % auf die Landwirtschaft und 0,2 % auf die Forstwirtschaft (Astat 2011d).

Aus Abb. 4 geht klar hervor, dass mehr als die Hälfte (53 %) der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfung Südtirols allein auf den Apfelanbau zurückzuführen ist, in Intensivkulturen auf nur 7,7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Dem gegenüber ist der zweitgrößte Bereich die Milch- und Viehwirtschaft mit einer landwirtschaftlichen Wertschöpfung von 42,3 %, beansprucht aber 87,9 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (Dauerwiesen und Weiden).

Abb. 4
figure 4

Wertschöpfung zu Herstellungspreisen der Landwirtschaft (2010: 593,9 Mio. €) mit prozentueller Aufteilung auf die wichtigsten Landwirtschaftssektoren Südtirols: Obstbau (Äpfel 53,0 %, Erdbeeren, Birnen, Kiwi), Milchwirtschaft (Milch 26,8 %), Viehwirtschaft (Rindfleisch 11,4 %, Geflügel, Schweinefleisch, Schaf- und Ziegenfleisch, Eier, Honig), Weinbau (Wein 1,8 %, Weintrauben), Gemüse (Kartoffel 0,9 %, Blumenkohl, Kohl, Kopfsalat, Radicchio, Karotten). (Daten aus Astat 2011d)

Damit sind die Forschungsschwerpunkte der Südtiroler Landwirtschaft auch schon vorgegeben, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit des Südtiroler Apfelanbaus zu erhalten, die Produktionsbedingungen zu verbessern, die Qualität der Produkte zu steigern, die Nachhaltigkeit der Produktion auszubauen, die Regionalität zu unterstreichen, aber auch die Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht zu lassen, um den zukünftigen Generationen ein angemessenes Einkommen aus der Landwirtschaft zu ermöglichen.

Der Ruf nach fachlicher Begleitung, Beratung, Weiterbildung und Forschung wurde in Südtirol schon früh laut und die Bedeutung der obstbaulichen Forschung wurde bereits von den Pionieren des Obstbaus erkannt. Mittelfristig bis langfristig besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen obstbaulicher Forschung und der Entwicklung der obstbaulichen Produktion einer Region (Dalla Via und Baric 2012). Der Erfolg des Südtiroler Apfelanbaus, dem größten zusammenhängenden Apfelanbaugebiet Europas, wo heute (2011) jeder 9. Apfel der EU-27 aus Südtirol stammt (Prognosfruit 2012), ist nicht nur, aber auch, auf die obstbauliche Forschung zurückzuführen.

Historische Anfänge

Samen von Wildobstarten wurden in jungsteinzeitlichen Siedlungen, Unterständen und Feuerstellen in und um Südtirol gefunden. Aber erst die Griechen, und dann vor allem die Römer, verbreiteten die Techniken des Veredelns und die Pflege des Obstbaus über das gesamte Imperium, auch nach Südtirol (Oberhofer 2007a). Wein- und Obstbau wurden bereits von den im Südtiroler Raum ansässigen Rätoromanen bis um 700 n. Chr. gepflegt, bis im Mittelalter die bayrischen Klöster die Pflege des Obst- und Weinbaues übernahmen. So hat der Heilige Korbinian als Wanderbischof und begeisterter Obst- und Weinbauer, Kritikern zu Folge, sich lieber um die Anlage von Weingütern und Obstplantagen gekümmert als um seine missionarischen Aufgaben. Im Jahre 855 n. Chr. gründete er in Kuens bei Meran den ersten bayrischen Weinhof in Südtirol (Oberhofer 2007a).

Eine um 1500 entstandene, 156 Seiten umfassende Handschrift von Hans Haring aus Latsch im Vinschgau gibt Aufschluss über das ländliche Leben, aber auch Anleitungen zu den obstbaulichen Techniken jener Zeit: Standortwahl, Aufzucht aus Samen und Veredlung der Obstbäume, Pflanzenschutz, Frostschutz, Ertrags- und Qualitätsverbesserung, Pflanz- und Pflücktermine, Obstverarbeitung und Obstlagerung. Die eigene Naturbeobachtung und der praktische Versuch sind Teil dieses ersten in Südtirol entstandenen „Lehrbuches“ (Theiner und Oberhofer 2004; Oberhofer 2007a).

Durch die sich rasch verbreitende Praxis der Veredlung, das Aufkommen der Sortennamen und die Vermarktung auf den Märkten von Bozen und Meran erfährt der Südtiroler Obstbau vom 15. bis 17. Jahrhundert eine Konsolidierung (Oberhofer 2007a). Durch das Aufkommen und die Blüte der Pomologie im 18. und 19. Jahrhundert erhielt die Obstzüchtung und Systematisierung, die Beschreibung der Eigenschaften und Merkmale der Obstsorten, gewaltigen Aufwind und wurde zur Modewissenschaft in Europa.

Erst durch die Verbesserung der Transportwege und Transportmöglichkeiten, vor allem durch die Eisenbahnen des 19. Jahrhunderts, bekam der Erwerbs-Obstbau seinen Aufschwung. 1852 wird die erste Obstausstellung durch die Handelskammer in Bozen organisiert, mit optimistischem Weitblick in die Zukunft (Oberhofer 2007a). Durch die Globalisierung kommen aber auch die Südtiroler Obstbauern unter Druck, nicht nur der eigene Export des Obstes wird möglich, auch der Import – sogar aus den USA. So tauchten nach dem europäischen Frostjahr 1895 auf dem deutschen (Absatz)Markt ganze Schiffsladungen Äpfel aus den USA auf (Oberhofer 2007a). Im Zeitraum 1894–1903 wurden in Südtirol an die 12.000 t Obst pro Jahr produziert, davon gingen 9.000 t in den Export (Oberhofer 2007a).

Wanderlehrer und Obstbauexperten brachten damals das obstbauliche Fachwissen bis zu den Landwirten. Namen wie Karl Mader, Johann Gasser, Johann Jakob Pöll, Josef Schmidberger oder der „Mistapostel“ Adolf Triendl sind hier zu nennen (Stern 1979; Oberhofer 2007a). Der Wunsch nach einer zeitgemäßen und besseren Ausbildung der bäuerlichen Bevölkerung Südtirols wird aber Mitte des 19. Jahrhunderts immer lauter, von landwirtschaftlichen Vereinen und Gesellschaften gefordert und vom Tiroler Landtag als dringende Notwendigkeit angemerkt (Lochmann 2010a). 1868 beschließt deshalb der Innsbrucker Landtag eine Landesanstalt für Landwirtschaft zu gründen, nach dem Vorbild der Obst- und Weinbauschule von Klosterneuburg bei Wien, als ‘Istituto agrario e stazione sperimentale’ in St. Michael an der Etsch, auf den Flächen des ehemaligen Augustiner Chorherrenstiftes (Leonardi 2009; Lochmann 2010a). Am 10. November 1874 wird die landwirtschaftliche Landesanstalt eröffnet und der Schulbetrieb aufgenommen, mit Schwerpunkten im Obst- und Weinbau sowie der Seidenraupenzucht (Bote von Tirol 1874; Tiroler Volksblatt 1874).

Der steinige Weg ins 20. Jahrhundert

Die Globalisierung und die neuen Transportwege brachten aber auch neue Krankheiten und Schädlinge ins Land. Am 3. August 1851 entdeckte man erstmals in Südtirol den Mehltau, der im Laufe der 50er Jahre zu verheerenden Ertragsausfällen und Einkommensverlusten im Obst- und Weinbau führte. Aber bereits 1857 probierte ein findiger Südtiroler Pionier, Ludwig Comini, die Schwefelung an Reben und Apfelbäumen mit Erfolg aus. Diese Praxis setzte sich aber erst allmählich durch, denn als das Gegenmittel für den Mehltau wurde noch immer das Gebet propagiert (Oberhofer 2007a).

Durch den Import von Rebholz aus Nordamerika wurde der Falsche Mehltau in Europa eingeschleppt. 1879 taucht er in Südfrankreich auf, im September 1880 ist er bereits in Südtirols Weinbergen zu finden. Die junge Schule und Versuchsanstalt in St. Michael an der Etsch mit ihrem Direktor und Lehrer Edmund Mach setzt erstmals 1886 versuchsweise die Bordeaux-Brühe (Suspension von gebranntem Kalk in einer wässrigen Kupfersulfatlösung) im Südtiroler Weinbau ein – mit Erfolg (Oberhofer 2007a).

Der Apfel-Schorf hat im Obstbau, in Abhängigkeit der jeweiligen Jahreswitterung, mehr oder weniger starke Schäden verursacht. In feuchtwarmen „Jausch“-Jahren musste man deshalb mit großen Ausfällen rechnen. 1887 unternimmt der Lehrer Karl Mader an der Versuchsanstalt in St. Michael an der Etsch erfolgreiche Spritzungen mit der Kupferkalkbrühe gegen den Apfelschorf und ist auch hierbei erfolgreich (Oberhofer 2007a).

Tierische Schädlinge, wie der Rebenstecher und Traubenwickler bei den Reben und der Blütenstecher und Apfelwickler bei Obstbäumen, wie auch der Maikäfer, sind periodisch immer wieder aufgetreten und wurden seit dem 17./18. Jahrhundert nur durch das Einsammeln der Raupen oder der Käfer (Maikäfer) bekämpft. Auch hat man die Nützlinge, wie auch die Vögel, als Verbündete des Landwirtes viel besser beobachtet und gekannt. Ab 1875 beginnt die Gemeine Spinnmilbe verstärkt in Rebanlagen Südtirols aufzutreten und Edmund Mach vermutet, dass durch den Schwefeleinsatz und das Abtöten der nützlichen Raubmilben indirekt dieses verstärkte Auftreten verursacht wird. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wird gegen die Gemeine Spinnmilbe Schmierseife, Tabakextrakt oder Lysol eingesetzt (Oberhofer 2007a).

Die Blutlaus, ebenfalls ein Einwanderer aus Nordamerika, verbreitete sich von London aus (1787) über ganz Europa und wird Anfang der 1870er Jahre auch in Südtirol gefunden. Ab 1908 setzte man im Winter Obstbaumcarbolineum gegen die Blutlaus ein, ab 1928 Neodendrin und im Sommer Schmierseife, Tabaklauge oder scharfen Essig. In den 1920er Jahren wurde mit der Blutlauszehrwespe ein natürlicher Parasit der Blutlaus in Italien eingeführt, um den Befall einzudämmen (Oberhofer 2007a).

1927/1928 wurde die San-José-Schildlaus mit Jungbäumen aus den USA in Italien eingeschleppt. In Südtirol taucht sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Auer auf. Das Mittel der Wahl war die Schwefelkalkbrühe und ab 1950 waren es die Parathione (Oberhofer 2007a).

Schädlinge, Krankheiten, witterungsbedingte Kalamitäten, und eine sehr starke Alternanz bereiteten dem Südtiroler Obstbau große Schwierigkeiten, sodass auf 10 Jahre normalerweise 5 Fehljahre kamen, oder gar nur 3 gute Jahre möglich waren (Ruatti 1940). Deshalb war für die Landwirte der Obstanbau auch nicht die Hauptkultur, sondern der unter den Obstbäumen betriebene Ackerbau oder Futtermittelanbau. Korrekterweise muss man deshalb von einem ‘Wiesenobstbau’ sprechen, denn es wurden nur die bestehenden Kornäcker und Wiesen mit Obstbäumen bepflanzt, meist in einem Abstand von 10 ´ 10 bzw. 10 ´ 20 m. Die Futternutzung für die Viehwirtschaft hatte dabei unbedingten Vorrang und erst gegen Ende der 1940er Jahre entstanden die Obstwiesen mit Baumzahlen zwischen 100 und 350 Bäumen pro ha (Mantinger 2004a; Oberhofer 2007a).

Der Ertrag von den Obstbäumen war jedoch ein willkommener Nebenerwerb und letztlich erst mit der neuen Transportmöglichkeit der Eisenbahn nutzbar, da das Obst nun schonend und schnell zum End-Verbraucher gebracht werden konnte. Zusätzlich entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Talsohle neue Anbau-Flächen. Die häufigen Überschwemmungen durch die Etsch machten im Zuge des Eisenbahnbaues eine Verbauung des Flusses notwendig (‘Etschregulierung’ 1880–1891). Im Schutze der beiden Etschdämme konnten nun die früheren Sumpfgebiete (Möser) kultiviert und fruchtbare Wiesen und Obstgärten angelegt werden (Werth 2003).

1918 – Der Einschnitt

Der Erste Weltkrieg ändert alles und durch den Friedens schluss von Saint-Germain wird Deutsch-Südtirol und Welsch-Südtirol (das heutige Trentino) Italien zugeschlagen. Die traditionellen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen werden gekappt, die kulturelle Isolation wird eingeleitet und unter dem faschistischen Regime beginnt die Italianisierung bzw. die Majorisierung durch geförderte Zuwanderung aus den Provinzen Italiens (Riedmann 1989; Steininger 2000, 2004). Das landwirtschaftliche Ausbildungssystem in Südtirol zerbricht, das Istituto Agrario bzw. das Versuchszentrum in San Michele all’Adige unterrichtet nur mehr in italienischer Sprache und Südtirol hat keine Kompetenzen mehr für das landwirtschaftliche Versuchswesen.

Durch das Wegfallen der mitteleuropäischen Märkte und das Zusammenbrechen des Weinexportes in die k.u.k. Monarchie wird in den 1920/1930er Jahren in der Talsohle vermehrt auf Obstbau umgestellt. 1934 wird in Südtirol auf 8.390 ha Obstbau betrieben (Oberhofer 2007a).

Die Doppelnutzung des Bodens zur Futtermittelproduktion bei gleichzeitigem Obstbau ist zwar noch weit verbreitet, aber der aufkommende Pflanzenschutz stellt eine Unvereinbarkeit dar. Die Arsen-Verbindungen halten im Obst- und Weinbau Südtirols Einzug (Uraniagrün, Bleiarsenat, Kalkarsenat), wobei insbesondere Bleiarsenat weit verbreitet ist und als Fungizid-Beimischung noch bis Ende der 1950er Jahre eingesetzt wurde (Oberhofer 2007a). Schleichend, aber immer mehr Betriebe lassen die Viehhaltung auf.

Der Aufbau

Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam das Land Südtirol wieder die Möglichkeit, die landwirtschaftliche Berufs-Ausbildung in die eigenen Hände zu nehmen und musste sie neu aufbauen, hatte aber weiterhin keine Zuständigkeiten für das landwirtschaftliche Versuchswesen (Stern 1979).

Die Entwicklung und Verfügbarkeit der neuen chemischen Pflanzenschutzmittel (DDT, Phosphorester), der verstärkte Einsatz von mineralischen Düngern und die beginnende Intensivierung auf Grund der steigenden Nachfrage in den Nachkriegsjahren – führten zu vielen strategischen Diskussionen und Umbrüchen. So wurde zwischen 1950 und 1960 die Viehwirtschaft von den Obstbau betreibenden Betrieben aufgelassen und die Obstbau-Erträge pro ha stiegen in den 60er Jahren an, die Frostschutz-Beregnungen wurden eingebaut, Herbizide in der Bodenpflege eingesetzt, der Sortenspiegel war überholt, der Pflanzenschutz überdreht, das Pflanzsystem mit der Rundkrone nicht mehr zeitgemäß und die Konkurrenz aus dem Großraum Ferrara spürbar (Mantinger 1993, 1999, 2004a; Oberhofer 2007a).

Der Ruf nach einer spezifischen Ausbildung für den Obstbau, einer begleitenden Beratung und einer eigenen Versuchsanstalt in Südtirol wurde immer lauter und von Landwirten und Verbänden, insbesondere vom Verein der Absolventen Landwirtschaftlicher Schulen (ALS), gefordert (Mantinger 2008).

Im Jahre 1957 werden von dem im Landesbesitz sich befindenden „Stadl-Hof“ in Pfatten bei Auer ca. 60 ha landwirtschaftliche Nutzfläche ausgegliedert und ab 1958 ein eigener Mischbetrieb für Obstbau, Weinbau, Ackerbau und Viehwirtschaft samt Betriebsgebäude, einigen Wohnungen, Stadel und offenem Laufstall aufgebaut. Das neue „Landesgut Laimburg“ (Abb. 5) wird nach der sich oberhalb des Stadl-Hofs befindenden, im 13. Jahrhundert erbauten Burg und heutigen Ruine Laimburg benannt (Kofler-Engl und Pfeifer 2006). Die neu zu errichtende Obst- und Weinbauschule sollte sich für den Praxisunterricht und die Ausbildung der Schüler auf das Landesgut Laimburg stützen. Der erste zweijährige Lehrgang für Obst- und Weinbau wurde im Spätherbst 1962 an der „Laimburg“ begonnen, obwohl die Schule noch nicht fertig gebaut war (Lochmann 2010b). In der Nacht am 2./3. September 1965 brach der Etschdamm und Schulgebäude, Betriebsgebäude des Landesgutes Laimburg und fast alle Obstanlagen standen meterhoch im Wasser und Schlamm (Dolomiten 1965a, b; Mantinger 2004b; Lochmann 2010b) (Abb. 6). Bis Jänner 1966 wurden insgesamt 47.100 m3 Material bewegt bzw. abtransportiert, aber in der Nacht vom 17./18. August und 4./5. November 1966 folgten zwei weitere Überschwemmungen (Dolomiten 1966a, b, c; Lochmann 2010b). Der Schulbetrieb konnte provisorisch weitergeführt werden und die Obst- und Weinbauschule selbst wurde nun am 6. Mai 1967 offiziell eingeweiht (Pohl 1996; Lochmann 2010b).

Abb. 5
figure 5

Stall und Stadel des Landesgutes Laimburg. Im Vordergrund eine der ersten Versuchsanlagen mit der Öschbergkrone auf Sämlingsunterlage. (Aus Mantinger 2004b)

Abb. 6
figure 6

Bei der großen Überschwemmung im September 1965 standen die Gebäude der Fachschule und des Landesgutes Laimburg meterhoch im Wasser und Schlamm. (Foto: Dolomiten 6. September 1965, Mantinger 2004b)

Neben einer zeitgemäßen Ausbildung war aber auch neues Fachwissen gefragt. Die Kompetenzen für das landwirtschaftliche Versuchswesen und auch die finanziellen Mittel dafür lagen weiterhin in der Hand der Regionalregierung in Trient. Und diese stützte sich auf die Versuchsanstalt in San Michele all’Adige, von der sich die Südtiroler Landwirte nicht bzw. zu wenig berücksichtigt fühlten. Deshalb übernahmen die landwirtschaftlichen Fachschulen in Südtirol ihrerseits Aufgaben im landwirtschaftlichen Beratungs- und Versuchswesen (Lochmann 2010b).

Der Obstbaulehrer Hermann Mantinger, zusammen mit dem Techniker Johann Gasser, beginnt ab 1967, nach den Planierungsarbeiten, auf dem Betriebsgelände des Landesgutes Laimburg mit den ersten Obstbauversuchen. Versuche zur Bodenpflege und Düngung, Vergleiche von Anbausystemen (Öschbergkrone, Schlanke Spindel, Palmette) und Unterlagenprüfung bei Apfel und Birne sind die ersten Schwerpunkte. 1969 wird auch die erste Versuchsanlage als Engpflanzung auf M9 mit mehreren Sorten in verschiedenen Pflanzsystemen und -abständen errichtet. Klone verschiedener Herkünfte und Sorten werden getestet und 1972 wurde der erste Vergleichsversuch zwischen virusfreien ‘Golden Delicious’ Klonen auf virusfreien Unterlagen zum nicht virusfreien Standard begonnen (Mantinger 2004b). Die Obstlagerung wird immer bedeutender und deshalb wird ein Versuchslagerhaus gebaut (1972–1973), um auch diese Fragestellungen berücksichtigen zu können.

Das Versuchszentrum Laimburg

Mit dem neuen Autonomiestatut 1972, dem sogenannten „Paket“ (denn es beinhaltet insgesamt ein Bündel von 137 Maßnahmen zum Schutz der Südtiroler), erhielt Südtirol endlich die Kompetenzen für das Landwirtschaftliche Versuchswesen und zur Errichtung von landwirtschaftlichen Versuchsanstalten (APBZ 2009, 2012). Mit dem Landesgesetz Nr. 53 vom 3. November 1975 wurde schlussendlich das „Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg“ gegründet, und „das Zentrum nimmt seine Tätigkeit mit 1. Jänner 1976 auf“ (Art. 38). Das Zentrum hat Rechtspersönlichkeit und Verwaltungsautonomie, ein Verwaltungsrat verwaltet es, ein Wissenschaftlicher Beirat begutachtet das Tätigkeitsprogramm und ein Kollegium der Rechnungsprüfer kontrolliert die Finanzgebarung des Zentrums.

Das Versuchszentrum Laimburg, wie es nun in Kurzform landauf und landab genannt wird, entwickelt sich schnell weiter und übernimmt die Aufgaben der gesamten landwirtschaftlichen Forschung in Südtirol, nicht nur jene zum Obst- und Weinbau. 1975 wird die Viehzucht am Standort Laimburg aufgelassen und der Tierbestand wird zur Außenstelle in „Mair am Hof“ bei Dietenheim (zum Landesgut Laimburg gehörend) ausgelagert. Stall und Stadel werden nun zwischen 1977–1979 zum Hauptgebäude des neuen Versuchszentrums umgebaut, mit Büroräumlichkeiten, Labors, einem Verwaltungstrakt und aus dem ehemaligen Stall wird ein Vortrags-/Hörsaal für Veranstaltungen und Weiterbildungen (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Nach der Gründung des Versuchszentrums wurde der Stall und Stadel des Landesgutes zum Hauptsitz des Versuchszentrums umgebaut: 1977–1979. (Aus Mantinger 2004b)

Hermann Mantinger wird zum ersten Direktor des Versuchszentrums Laimburg (1.1.1976–1.2.1999) und baut nun ausgehend vom ursprünglichen 2-Mann-Team an der Fachschule Laimburg mit weiteren Fachlehrern und Technikern das Versuchszentrum Laimburg zur international anerkannten Forschungsinstitution im Bereich der Landwirtschaft auf. Namen und Pioniere der ersten Jahre sind Johann Gasser (Techniker), Josef Vigl (Pflanzenschutz und Physiologie), Reinhold Stainer (Pomologie), Carlo Nardin (Lagerung), Günther Giuliani (Techniker). Dazu kommt Klaus Platter, der seit 1965 an der Fachschule Laimburg Kellerwirtschaft unterrichtete und seit 1970 als Betriebsleiter das Landesgut Laimburg führte. Es ist Klaus Platter’s Verdienst, dass in seiner langjährigen Tätigkeit das Versuchszentrum Laimburg eine ständige bauliche Modernisierung und Erweiterung erfahren hat, sodass der Forschung immer moderne Infrastrukturen zur Verfügung standen.

Das Landesgut Laimburg in Pfatten bei Auer (220 m NN; 68 ha Obstbau, Bioobstbau, Weinbau, Stein- und Beerenobst, Schalenobst + 85 ha Wald) bleibt das Zentrum des Versuchszentrums Laimburg. Nach und nach werden alle landeseigenen landwirtschaftlich genutzten Flächen Südtirols dem Versuchszentrum Laimburg zur Verwaltung unterstellt und stellen somit ein großes Potential für die Versuchsdurchführung dar. Diese Außenstellen ermöglichen es nun landesweit gezielt Versuche für bestimmte Regionen, Höhenlagen und Mikroklimate durchzuführen. Auch werden einzelne Außenbetriebe und Höfe für bestimmte landwirtschaftliche Kulturen dediziert ausgebaut und eingesetzt. 1978 wird der Neubau des Landwirtschaftsbetriebes „Mair am Hof“ in Dietenheim bei Bruneck (850 m NN; 20 ha Viehhaltung, Ackerbau, Grünland, Saatkartoffelbau, Imkerei, Obstbau + 30 ha Wald) übernommen. Im selben Jahr wird auch der Seeburg-Hof bei Brixen übernommen (525 m NN; 3,4 ha Obstbau, Weinbau + 17 ha Wald) (VZLB 2012b, c).

1980 übernimmt das Versuchszentrum Laimburg die landwirtschaftlichen Höfe der ehemaligen Opera Nazionale Combattenti (ONC), dem italienischen Veteranenverein des Ersten Weltkrieges. Im Jahre 1927 hatte das faschistische Italien Schloss Trauttmansdorff und die Gehöfte in Freiberg bei Meran von Baron Friedrich von Deuster enteignet (LPA 2009a; Pergher 2009) und dem Veteranenverein überantwortet. Erst im Zuge der Autonomieverhandlungen sind diese Höfe vom Staat an Südtirol übergegangen, und werden nun seit 1980 vom Versuchszentrum verwaltet und als Versuchsflächen genutzt. Es sind dies der „Martebnerhof“ (350 m NN; 14,7 ha Obstbau, Weinbau, Kiwi-Anbau), der Lachlerhof (500 m NN; 6,5 ha Weinbau, Obstbau, Kastanien, Schalenobst), der „Moar/Stegerhof“ (500 m NN; 7 ha Obstbau, Weinbau, Kastanien), der „Sallmannhof“ (530 m NN; 8,7 ha Obstbau, Weinbau, Kiwi-Anbau, Kastanien), der „Hallhof“ (550 m NN; 5,3 ha Obstbau, Bioobstbau, Weinbau, Kiwi-Anbau), der „Fragsburghof“ (700 m NN; 14,2 ha Obstbau, Bioobstbau, Weinbau, Stein und Beerenobst, Schalenobst, Kastanien + 250 ha Wald). Ebenfalls im Jahre 1980 wird der „Ölleitenhof“ in Kaltern für dedizierte Versuche im Weinbau angekauft (350 m NN; 8,2 ha Weinbau, Bioweinbau, Olivenanbau) (Mantinger 2004b; VZLB 2012b). 1983 wird der heutige „Happacherhof“ in Auer (ex „Botta“-Hof) als Lehrbetrieb für die Landwirtschaftliche Oberschule in Auer angekauft, bis 1990 bewirtschaftet, und dann der Oberschule übergeben.

Weitere landwirtschaftliche Nutzflächen und Betriebsstätten im Besitz der öffentlichen Verwaltung Südtirols, die dem Versuchszentrum in der Folge unterstellt werden, sind: Der „Mitterwegerhof und Winklerhof“ in Bozen (230 m NN; 5,2 ha Weinbau, Obstbau), der „Ladstätterhof“ bei Sinich/Meran (300 m NN; 16 ha Obstbau), der „Gachhof“ in Freiberg bei Meran (530 m NN; 0,8 ha biologischer Heil- und Gewürzpflanzen-Anbau), der Burgfried Schloss Tirol mit „Putzngütl“ in Dorf Tirol bei Meran (600 m NN; 4 ha Weinbau, Obstbau), der „Piglon-Hof“ (250 m NN; 5,2 ha Weinbau, Obstbau, Forstgarten), das Versuchsfeld in Aldein (1.300 m NN; 0,5 ha Beeren- und Steinobst), das Erdbeerversuchsfeld im Martelltal im Vinschgau (1.300 m NN; 0,3 ha Beerenobst), das Obstbau-Versuchsfeld in Latsch (640 m NN; 1,5 ha Obstbau, Bioobstbau), das Versuchsfeld am Flugplatz Schluderns (900 m NN; 10 ha Obstbau, Grünland) (VZLB 2012b).

Die Höfe und Außenstellen des Versuchszentrums Laimburg werden vom Landesgut Laimburg aus bewirtschaftet und verwaltet, wie auch die Gutsverwaltung unter Klaus Platter die buchhalterische und administrative Verwaltung des Versuchszentrums übernommen hat. Durch eine effiziente und privatwirtschaftlich orientierte Bewirtschaftung der Außenbetriebe kann das Versuchszentrum in guten Jahren durch den Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte bis zu/über 50 % des Gesamtbudgets erwirtschaften und durch das Einwerben von Drittmitteln der Forschung weitere 15–20 % des Budgets einbringen.

1989–1990 wird der Felsenkeller gebaut. Durch die vergrößerte Weinbaufläche wurden neue Lagermöglichkeiten für Fässer und Weinflaschen notwendig. Dabei wurde ein neuer Weg beschritten: Um nicht wertvollen Kulturgrund zu verbauen und Energiekosten der Raumklimatisierung zu sparen, wurde die Keller-Erweiterung vom Kellergebäude rückwärts in den Porphyrfelsen gesprengt. Eine über alle Jahreszeiten hinweg konstante Temperatur von 12–14 °C im Felsen, zusätzlich ein eindrucksvoll-ansprechendes und faszinierendes Ambiente, sind ideale Voraussetzungen für die Lagerung und die Präsentation der Weine und der Südtiroler Weinwirtschaft. Nicht nur die Lagerräume, auch der Barriquekeller, die Önothek und ein 300 m2 großer Saal finden mitten im Felsen Platz. Der Saal, allgemein als „der Felsenkeller“ der Laimburg bezeichnet, dient der Südtiroler Landesregierung für Repräsentations-Veranstaltungen und den Empfang prominenter Gäste. Mit 5.000 kg Dynamit wurden 4.000 m3 Felsen herausgesprengt, um diese Räumlichkeiten zu schaffen, die in den Jahren 2003/2004 um weitere 6.000 m3 erweitert wurden (VZLB 2012d).

Im Rahmen des Versuchszentrums und unter der Führung des Landesgutes Laimburg wurde die Landeskellerei Laimburg aufgebaut und 1993 erweitert, die heute aus den ca. 45 ha Weinbau des Versuchszentrums, auf unterschiedlichen Böden und Höhenlagen zwischen 210–750 m NN, jährlich ca. 2.500 hl Wein keltert und daraus an die 200.000 Flaschen Qualitätswein produziert. Insgesamt 15 Sorten werden wirtschaftlich ausgebaut, darunter Weißburgunder, Sauvignon blanc und Gewürztraminer bei den Weißweinen, und Lagrein, Blauburgunder und Vernatsch bei den Rotweinen.

1990 wird die Außenstelle in Eyrs im Vinschgau errichtet (900 m NN; 5 ha Gemüseanbau), als dedizierte Versuchsanlage für den Gemüseanbau, der im Vinschgau mit dem Anbau des Blumenkohls seinen Aufschwung nimmt und heute in Fruchtfolge mit einem aufkommenden Roggen-, Dinkel- und Buchweizenanbau angebaut wird. 1990 erhält das Versuchszentrum den „Binnenlandhof/Salurnerhof“ in Neumarkt von der Nachbarprovinz Trient zurück (210 m NN; 30 ha Obstbau, Baumschule, Sortenzüchtung, Weinbau). Auf den sandigen Böden dieses Hofes in der Talsohle werden nun die Muttergärten für das Baumschulwesen angesiedelt und die 1996 gestartete Sortenzüchtung mit 2000–4000 Sämlingen jährlich.

Die Gärtnerei am Versuchszentrum Laimburg war seit jeher in enger Zusammenarbeit mit der Fachschule Laimburg Lehr- und Ausbildungsstätte für Schüler und Gärtner, sowie für Versuchstätigkeit. 1994 wurde nun, beruhend auf der angesammelten Expertise (Klaus Platter, Klaus Messmer, Karin Kompatscher), begonnen, das 12 ha große Areal rund um das Schloss Trauttmansdorff bei Meran als botanischen Garten mit 80 Natur- und Kulturlandschaften, aber auch als Schau- und Erlebnisgarten aufzubauen. Nach 7-jähriger Bau- und Pflanzzeit wurden am 15.6.2001 die „Gärten von Schloss Trauttmansdorff“, mit 700.000 Pflanzen aus aller Welt, eröffnet, die bis heute über knapp 4 Mio. Besucher in ihren Bann gezogen haben. Am 14. Oktober 2005 wurden die Gärten zum „Schönsten Garten Italiens 2005“ gekürt, und im Folgejahr zum sechst-schönsten Garten Europas (LPA 2005; VZLB 2012b).

1995 wird die Landesfischzucht Passer errichtet. Gelegen an der Passer, wird sie sich in den Folgejahren mit der Aufzucht der Marmorierten Forelle, der Äsche und des Seesaiblings, aber auch der See- und Bachforelle beschäftigen. Die Umsetzung eines Artenschutzprogrammes und gleichzeitige Aufzucht von autochthonem Fisch-Besatzmaterial sind die Schwerpunkte dieser Außenstelle.

Zwischen 1996 und 1999 werden der Hauptsitz des Versuchszentrums, das Hauptgebäude und das Versuchslagerhaus erneuert, aber auch ein eigenes Gebäude für den Pflanzenschutz errichtet (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Zwischen 1996–1999 erfolgte der Umbau und die Neugestaltung des Hauptgebäudes. (Aus Mantinger 2004b)

Die Zielsetzungen des neugegründeten Versuchszentrums wurden mehrmals geändert. Im Gründungsgesetz stand „Die Tätigkeit des Zentrums besteht in grundlegender und angewandter Forschung, zwecks Verbesserung der Kenntnisse und der Techniken auf den verschiedenen Sektoren der Land- und Forstwirtschaft des Landes“ (Art. 4), die mit Art. 2 des Landesgesetzes Nr. 26 vom 3. August 1983 abgeändert wurden, in: „Das Zentrum befasst sich mit Grundlagen- und angewandter Forschung sowie mit Versuchen und den damit verbundenen Maßnahmen; dabei verfolgt es das Ziel, in den verschiedenen Bereichen der Land- und Forstwirtschaft des Landes neue Erkenntnisse und Techniken zu erarbeiten“. Damit wurde ein äußerst moderner Ansatz verfolgt, denn einerseits wurde die Grundlagenforschung mit der angewandten Forschung gleichgestellt, gleichzeitig haben aber praxisorientierte Versuche denselben Stellenwert und die Umsetzung der aus dem gewonnenen Wissen folgenden Maßnahmen gehört ebenfalls zu den Zielen des Zentrums. Auch umfasst der Aufgabenbereich alle „verschiedenen Bereiche der Land- und Forstwirtschaft“ ohne Einschränkungen. Und trotzdem besteht ein starker territorialer Bezug („des Landes“), der z. B. eine Forschung im Orangenanbau oder die Erforschung von Mangrovenwäldern ausschließen würde. Das Ziel, das verfolgt werden soll, ist „neue Erkenntnisse und Techniken zu erarbeiten“ – im modernen Sprachgebrauch würde man von Innovation sprechen. In seiner Komplexität, ein innovativer und moderner gesetzlicher Auftrag. Mit Art. 8 des Landesgesetzes Nr. 2 vom 22. Jänner 2010 wurde dieser Passus entfernt und durch eine unvollständige Aufzählung ersetzt, der universelle gesetzliche Auftrag für die Südtiroler Landwirtschaft ist damit verloren gegangen.

Hermann Mantinger, dem ersten Direktor des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg (1.1.1976–1.2.1999), gebührt der Verdienst, unter schwierigen Bedingungen (s. Abb. 9) mit wenigen Pionieren ein Versuchszentrum aufgebaut zu haben, das von einem reinen Obst- und Weinbau-Versuchszentrum immer mehr Kompetenzen für die gesamte Landwirtschaft übernehmen musste, und die Südtiroler Landwirtschaft in den saisonalen, periodischen und täglichen Problemen mit Wissen und Kompetenz begleitete. In seiner Zeit wurde das Versuchszentrum in 3 Ämter, 7 Sektionen, und 28 Sachbereiche strukturiert, mit einem saisonabhängigen Personalstand von 150–200 Mitarbeitern wurden jährlich an die 200–300 Projekte weitergeführt, mit Ergebnissen, die mit 80–100 Veröffentlichungen und in 150–200 Vorträgen jährlich an das Territorium vermittelt wurden (Zelger und Stimpfl 2000; Maier 1999). Ihm folgte Josef Dalla Via (1.11.1999–31.12.2008), der dieses Werk weiterführte, versuchte den riesigen Erfahrungsschatz der gesamten Institution zu sichern, mit neuen Ansätzen und modernen Methoden zu erweitern und die Tätigkeit des Versuchszentrums auf eine moderne wissenschaftliche Basis zu setzen (Abb. 10). Der Bogen spannte sich vom Dienstleistungszentrum mit jährlich 20.000 Analysen und 180.000 bestimmten Parametern im Dienste der Südtiroler Landwirtschaft, bis hin zum Forschungszentrum mit 180–200 Mitarbeitern, die jährlich an die 400 Projekte und Tätigkeiten weiter- bzw. durchführten, deren Ergebnisse in jährlich ca. 140 Veröffentlichungen und 250 Vorträgen als Fachinformation in lokalen Medien, bei Tagungen und Veranstaltungen der Südtiroler Landwirtschaft zur Verfügung gestellt wurden (VZLB 2008; Dalla Via 2007). Mit 31.12.2008 schied Josef Dalla Via aus Gesundheitsgründen aus dieser Funktion aus (LPA 2008; Brigl und Waldner 2008), und als nun dritter Direktor des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg nahm Michael Oberhuber (seit 1.10.2009) diese spannende Herausforderung an (LPA 2009b).

Abb. 9
figure 9

Aus Einsparungsgründen mussten die Behandlungen in den Pflanzenschutzversuchen mit einem umgebauten VW-Käfer durchgeführt werden. (Aus Mantinger 2004b)

Abb. 10
figure 10

Anzahl der in ISI-Zeitschriften veröffentlichten Publikationen des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg pro Kalenderjahr. (Recherche im ‘Web of Science’ mit dem Suchbegriff „Laimb*“ unter Address; Zugegriffen: 5. Aug. 2012)

Themenschwerpunkte der Forschung im Obstbau Südtirols

Anbausysteme

Bis in die 1960er Jahre war im Südtiroler Apfelanbau die Rundkrone (Öschbergkrone) vorherrschend, auf Sämlingsunterlage und mit rund 300 Bäumen pro ha (Mantinger 2004b). Durch die wirtschaftlichen Verhältnisse zu Änderungen der Anbausysteme gezwungen, wurden die aus Holland und Belgien bekannten Dichtpflanzungen kontrovers diskutiert (Oberhofer 2005, 2007b; Waldner 2012). 1969 wurden in Südtirol an der Fachschule Laimburg die ersten Versuchspflanzungen errichtet (Mantinger 2004b). Frühere und höhere Erträge, eine bessere Fruchtqualität und geringere Produktionskosten überzeugten schließlich die Südtiroler Obstbauern (Österreicher 2007). Gegen Ende der 1980er Jahre wurde die Superspindel mit Baumzahlen von 8.000–10.000 Bäumen pro ha diskutiert, um den Ertrag/ha zu erhöhen. Neben der Diskussion der Dichtpflanzung wurde auch die Doppel- oder Dreierreihe getestet, aber das Beetsystem wies in der Bearbeitung große Schwierigkeiten auf und es mussten Qualitätseinbußen durch starke Beschattung der Innenreihen in Kauf genommen werden. Um dies zu vermeiden und als Alternative wurde das V-System getestet, brachte aber keine wesentlichen wirtschaftlichen Verbesserungen (Mantinger und Vigl 2004). Die Entwicklung vom Wiesenobstbau, über die Südtiroler Palmette zu den Dichtpflanzungen nach niederländischem und belgischem Vorbild, von der Superspindel und dem Schnurbaum bis zur Großen Schlanken Spindel wird von Waldner (2012) aufgezeigt. Seit 1995 liegt die durchschnittliche Pflanzdichte im Obstbau Südtirols bei 3.500–4.000 Bäumen pro ha (Österreicher 2007).

Bodenpflege und Düngung

Die Bodenpflege hat einen großen Einfluss auf die nachhaltige Bewirtschaftung der Böden, aber auch auf die Haltbarkeit und die Qualität der Früchte (Mantinger 2004b). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand im Wiesenobstbau die Grasnutzung zwischen den Obstbäumen im Vordergrund und mit 50–100 Bäumen/ha (bis gegen Ende der 1940er/1950er Jahre mit 100–350 Bäumen/ha) war dies auch möglich. Rund um den Stamm der Obstbäume, unter der Kronentraufe, wurde der Boden mechanisch umgegraben, einerseits um die Konkurrenz durch das Gras für Wasser und Nährstoffe auszuschalten, andererseits auch um Stallmist als Dünger in den Boden einzuarbeiten (Mantinger 2004a). Auch wenn die Bedeutung der Düngung für die Pflanzenernährung schon im 19. Jahrhundert allgemein erkannt wurde und auch in Tirol der Priester und Wanderlehrer Adolf Trientl (1817–1897; „Mistapostel“) landauf landab die organische Düngung mit Stallmist den Bauern vermittelte und Karl Mader, Lehrer an der Versuchsanstalt in St. Michael an der Etsch, im Obstbau Jauche und verrotteten Stallmist empfahl – fehlten die Kenntnisse zum Bedarf an Nährstoffen (Mantinger und Drahorad 2007). Ende des 19. Jahrhunderts wurde in St. Michael an der Etsch ein chemisches Labor zur Bodenanalyse eingerichtet, in Südtirol wurde eine analoge Einrichtung Anfang der 1950er Jahre beim Südtiroler Hauptverband Landwirtschaftlicher Genossenschaften angesiedelt (Mantinger und Drahorad 2007). Durch die Grasnutzung waren die Böden arm an Nährstoffen und besonders in den Unterböden der Obstbauböden die Nährstoffgehalte völlig zurückgegangen (Peer 1981). Nach Auflassung der Viehwirtschaft und durch die Intensivierung des Obstbaus wurde das Gras 5–7 mal pro Jahr gemäht und blieb als Mulchdecke liegen. Dadurch brachte man rund 5.000 kg Trockensubstanz pro ha und Jahr in den Boden ein (Mantinger 2004a). Zusätzlich wurde in den 1950er Jahren über die Düngung noch 80–105 kg Stickstoff, 120–170 kg P2O5 und 245–365 kg K2O pro ha den Obstbau-Böden zugeführt, wobei diese Mengen bis Mitte der 1970er Jahre noch weiter gesteigert wurden: 215–265 kg N, 55–150 kg P2O5 und 210–440 kg K2O pro ha und Jahr (Peer 1981; Mantinger 2004a). Nach einer Umfrage des Südtiroler Beratungsringes für Obst- und Weinbau im Jahre 1974 setzten 35 % der Südtiroler Obstbaubetriebe noch mehr als 100 kg/ha Stickstoff ein, 23 % der Betriebe über 250 kg/ha Kali und 24 % der Betriebe über 60 kg/ha Magnesium (Mantinger und Drahorad 2007). Die Überversorgung mit Nährstoffen zeigte sich dann auch in der geringeren Haltbarkeit der Früchte in der Lagerung (Stippe, Fleischbräune).

Vor diesem Hintergrund bekommen die an der Fachschule Laimburg im Jahre 1967 begonnenen und am Versuchszentrum Laimburg fortgeführten langjährigen Düngungsversuche eine fundamentale Bedeutung. So wurde eindeutig gezeigt, dass Stickstoff-Düngungen über 60 kg N/ha keine Ertragssteigerungen bringen, die Erträge bei einigen Sorten sogar eher abnehmen, die Qualität und Haltbarkeit der Früchte vermindern, das Triebwachstum zu stark steigern und die Bäume dadurch anfälliger für Schorf, Mehltau, Blattläuse und Spinnmilben werden (Mantinger 2004a; Mantinger und Drahorad 2007). 1979 wurde das Labor des Hauptverbandes aufgelassen und am Versuchszentrum Laimburg ein zuerst kleines agrikulturchemisches Labor eingerichtet, das im Laufe der Zeit immer weitere analytische Aufgaben übernahm, so die Bodenanalysen, Blatt-, Frucht-, Futteranalysen, bis letztlich die Rückstandsanalysen auch noch hinzukamen (VZLB 2008, 2012a). Über Jahre wurde die Kenntnis über die Südtiroler landwirtschaftlichen Böden und der Bedarf an Nährstoffen in der Pflanzenernährung, auch bei verschiedenen Kulturen, intensiv untersucht (Stimpfl et al. 2006a, b; Thalheimer 2004b, 2006) und auch in enger Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau die Richtlinien und Grundlagen der Düngung für die Praxis im Obstbau erarbeitet (Aichner und Drahorad 2004). Heute gehen die Düngungsempfehlungen, je nach Ertrag, von 0–50 kg N/ha, 10–20 kg P2O5/ha, 60–100 kg K2O/ha, 20–30 kg MgO/ha, und 0,5–0,7 kg B/ha und Jahr und durch die gezielte Abstimmung der Düngungsmaßnahmen auf die vorhandenen Nährstoffe im Boden und den Pflanzen wird eine nachhaltige Bewirtschaftung im Obstbau erzielt (Aichner und Drahorad 2004; Mantinger und Drahorad 2007).

Das Kernobstsortiment

Zwischen 1406 und 1610 wurden in Südtirol die folgenden Apfelsorten beschrieben: ‘Freisinger’, ‘Lassleinler’, ‘Weißäpfel’, ‘Schwarzäpfel’, ‘Pitschling’, ‘Hertling’, ‘Siessling’, ‘Schmetterlingsapfel’, ‘Augustapfel’, ‘Süßer Hertling’, ‘Bozner Apfel’. Bei den Birnen waren es die Sorten: ‘Bergamotte’, ‘Kleznbirne’, ‘Holzbirne’, ‘Winterbirne’, ‘Muskateller’, ‘Fieberbirne’, ‘Mostbirne’, ‘Honigbirne’, ‘Augustbirne’, ‘Minigesbirne’ (Oberhofer 2007a). 1873 wurden vom Landwirtschafts- und Gartenbauverein in Bozen 191 benannte Apfelsorten und 240 Birnensorten zur Weltausstellung nach Wien geschickt (Oberhofer 2007c). In den Jahren von 1955–1960 werden im Durchschnitt zwischen 203.000 und 262.000 t Äpfel produziert, wobei die wichtigsten Sorten der ‘Kalterer Böhmer’ (27–33 %), ‘Champagner Renette’ (ca. 18 %), ‘Morgenduft’ (12–16 %), ‘Gravensteiner’ (11–14 %), ‘Goldparmäne’ (4,5–5,7 %), ‘Kanada Renette’ (3–5 %), ‘Jonathan’ (3,6–6,4 %), ‘Winesap’ (1,8–3 %), ‘Golden Delicious’ (0,5–1,9 %) und ‘Red Delicious’ (0,7–1,1 %) waren (Mantinger 2007). Die Sortenerneuerung wird von der neuen Lagertechnologie vorangetrieben, denn Anfang der 60er Jahre werden die ersten CA-Lager gebaut und die Sorten ‘Jonathan’, ‘Red Delicious’, ‘Golden Delicious’ und ‘Morgenduft’ weisen hier wichtige Vorteile auf, denn Sie können bis ins Frühjahr bzw. bis zum Sommer des nächsten Jahres gelagert werden (Stainer 2000; Mantinger 2007). Die alten Sorten verschwinden aus den Erntestatistiken und das Verhältnis verschiebt sich völlig: 2011 nehmen die Sorten ‘Golden Delicious’ (42,4 %), ‘Gala’ (15,6 %), ‘Red Delicious’ (10,7 %), ‘Braeburn’ (8,1 %), ‘Fuji’ (6,4 %), ‘Granny Smith’ (6,4 %), ‘Cripps Pink’ (4,8 %), ‘Jonagold’ (1,3 %), ‘Morgenduft’ (1,2 %), ‘Winesap’ (0,8 %), ‘Idared’ (0,2 %), ‘Elstar’ (0,06 %) die Ränge im Sortenspiegel der Tafelware ein (HKBZ 2011). Heute bestehen über 95 % der in Südtirol produzierten Apfel-Tafelware aus 8 Sorten.

Seit Beginn der Versuchstätigkeit ist die Sortenprüfung ein Schwerpunkt des Versuchszentrums Laimburg. Eine Vielzahl von Apfelsorten, Züchtungen aus aller Welt und verschiedener Herkunft sowie verschiedene Klone/Mutanten wurden und werden getestet. Es war dem Versuchszentrum immer wichtig, bereits zu einem frühen Zeitpunkt Sortenneuheiten für die Sortenprüfung zur Verfügung zu haben, um deren agronomische Leistungsfähigkeit und Eigenschaften, Ertragsleistung, Anbaueignung, Virusstatus, genetische Stabilität und Regressionsneigung, Krankheitsanfälligkeit, äußere und innere Qualitäten der Früchte, wie Fruchtgröße, Aussehen, Ausfärbung, Zucker- und Säuregehalt, Festigkeit bis hin zur Lagerfähigkeit frühzeitig prüfen und über mehrere Jahre beobachten zu können. Heute sind am Versuchszentrum Laimburg, an zwei Standorten (am Versuchszentrum Laimburg und am Versuchsfeld in Latsch im Vinschgau), an die 300 Apfelsorten in der Sortenprüfung – und damit auch in einer Prüfung bezüglich ihrer Eignung für die Talsohle und die Hügellage. Über Vergleichsverkostungen wird die Akzeptanz des Konsumenten für die wichtigsten Sorten erfasst und ausgewertet, und damit zum Teil auch der Marktwert einer Sorte mit erhoben.

Bereits Mitte der 1990er Jahre zeichnet sich das Aufkommen der sogenannten „Clubsorten“ ab, bei denen unter strengem Sorten- und Markenschutz sowohl Anbau wie auch Vermarktung, also die gesamte Produktionskette, vom Züchter über den Lizenznehmer, den Baumschuler, den Produzenten, die Erzeugerorganisation und den Handel teilweise oder vollständig zentral koordiniert und gesteuert werden. Dadurch soll dem Konsumenten eine standardisierte Qualität, dafür im Hochpreisniveau, angeboten werden. Das erfolgreiche Paradebeispiel hierfür ist die Sorte ‘Cripps Pink’ (Premium-Marke: Pink Lady®), die 1973 in Australien an der Stoneville Horticultural Research Station von John Cripps gezüchtet wurde. 1996 standen die ersten Versuchsbäume von ‘Cripps Pink’ in verschiedenen Lagen in Südtirol, 1997 die ersten größeren Anlagen und im Jahre 2000 waren es 500.000 Bäume auf 171 ha im Burggrafenamt, um Bozen und Leifers und dem Südtiroler Unterland (Österreicher et al. 2000). Heute macht diese Apfel-Sorte bereits 4,8 % der gesamten in Südtirol produzierten Tafelware aus, und inzwischen gibt es schon über 30 Club-Apfelsorten, die in exklusiven Vertriebssystemen auf den Markt drängen (Guerra 2012a).

Vor diesem Hintergrund beschloss Hermann Mantinger bereits 1995 eine eigene Sortenzüchtung am Versuchszentrum für den Apfel aufzubauen und 1996 wurden die ersten Bestäubungsversuche durchgeführt. Die Befürchtungen, dass in Zukunft kaum mehr neue, freie Sorten für die Südtiroler Obstwirtschaft zur Verfügung stehen werden, waren die treibende Kraft für die Aufnahme eines eigenen Züchtungsprogrammes. Die eigenen Züchtungsziele waren auf Äpfel hoher innerer und äußerer Qualität von hoher Lagerfähigkeit ausgerichtet, da über Verträge und Kooperationen die Resistenzzüchtungen der Eidgenössischen Forschungsanstalt Wädenswil (CH) und des Institutes für experimentelle Botanik Prag (CZ) zur Verfügung standen. An die 30.000 Sämlinge sind bisher im Rahmen des eigenen Züchtungsprogrammes aufgezogen und geprüft worden, ca. 30 Zuchtnummern haben es in die nähere Auswahl geschafft und befinden sich im fortgeschrittenen Prüfungsstadium. Auf Grund der immer strengeren Pflanzenschutzauflagen, dem steigenden Umweltbewusstsein der Konsumenten und letztlich dem Fehlen von schorfresistenten Apfelsorten (einzige erfolgreiche Sorte ist ‘Topaz’) verschieben sich die Züchtungsziele in Richtung Schorfresistenz/Pilzresistenz (Guerra 2010, 2012b).

Mit den Sortenfragen hängt aber auch die Qualität des Pflanzmaterials zusammen. Bis in die 1970er Jahre stand kein virusfreies Pflanzmaterial zur Verfügung und die Baumschuler schnitten die Edelreiser von Ertragsanlagen – ohne Garantie des Gesundheitszustandes und der Sortenechtheit. So erzielten virusfreie ‘Golden Delicious’ Anlagen bis zum 6. Standjahr einen Ertrag von 176 t/ha, virusinfizierte Anlagen nur 79 t/ha (Mantinger 2004b). Die ersten Vergleichsversuche wurden schon Anfang der 1970er Jahre am Versuchszentrum Laimburg angelegt und, nachdem schon sehr früh die Bedeutung des gesunden und sicheren Edelreismaterials erkannt wurde, folgte Mitte der 1970er Jahre der Aufbau eines Edelreismuttergartens. Mit Landesgesetz Nr. 8/1981 wurde das Baumschulwesen neu geregelt und das Versuchszentrum Laimburg mit der Führung der Edelreismuttergärten beauftragt. Ab 1992 wurde die Pflege des Edelreismuttergartens und die Abgabe der Edelreiser vom Konsortium Südtiroler Baumschuler (KSB) unter Aufsicht des Pflanzenschutzdienstes in Südtirol und des Versuchszentrums Laimburg übernommen (Mantinger 2004b; Stainer et al. 2004). Von ca. 200.000 Edelaugen im Jahre 1979 waren es im Jahre 1992 bereits über 3,5 Mio. (Mantinger 2004b). Der zentrale Edelreismuttergarten und die Abgabe von gesunden und sortenechten Edelreisern für die Vermehrung von Jungbäumen war ein gewaltiger Fortschritt für die Umstellung und Modernisierung des Südtiroler Obstbaus. Mit Ministerialdekret Nr. 30249 vom 07. September 2005 wurde das Versuchszentrum Laimburg als Konservierungs- und Vorvermehrungszentrum von Obstgehölzen auf nationaler Ebene anerkannt (Stainer 2007; Stainer und Endrizzi 2008). Südtirols Baumschuler produzieren heute jährlich ca. 7 Mio. Obstbäume.

Aber nicht nur das Kernobstsortiment wurde kontinuierlich experimentell verfolgt, denn schon Mitte der 1970er Jahre standen am Versuchszentrum Laimburg 27 Sorten an Süßkirschen, 22 Sorten an Sauerkirschen, 13 Zwetschken-Sorten, 9 Walnusssorten, 13 Haselnusssorten, sowie verschiedene Sorten an Johannisbeeren, Himbeeren und Erdbeeren. Alles in allem Sortimente, die zu späteren Zeitpunkten an verschiedene Außenbetriebe und dedizierte Versuchsfelder ausgelagert wurden, da der Standort in der Talsohle wegen des hohen Grundwasserstandes nicht ideal war.

Obwohl das Versuchszentrum Laimburg schon seit Anbeginn auch alte Sorten sammelte und in einer Genbank erhielt, kam der gesetzliche Auftrag erst mit Landesgesetz Nr. 1 vom 22.1.2001, eine Genbank zu führen und zu erhalten. Es ist der Begeisterung einiger Mitarbeiter zuzuschreiben, insbesondere Reinhold Stainer, dass das Versuchszentrum Laimburg heute eine Sammlung alter, in Südtirol vorkommender Apfelsorten besitzt. Das neugegründete molekularbiologische Labor begann alsbald, neben vielen phytopathologischen Fragestellungen (Baric 2012a, b), mit der Genotypisierung der alten Apfelsorten im Rahmen verschiedener großer Projekte (Gene-Save, Apple-Fingerprint, Apfel-Fit) (Baric et al. 2012; Storti et al. 2012). Aber nicht nur die Zuordnung dieser wichtigen genetischen Ressourcen stand im Mittelpunkt, sondern auch die Vergleichbarkeit des methodischen Ansatzes, um diese Daten auch in einem internationalen Netzwerk vergleichen zu können (Baric et al. 2008b).

Baumschnitt und Ertragsregulierung waren ebenfalls seit den ersten Versuchen ein ständiges Dauerthema, das bis 2008 von einem Mitarbeiter der ersten Stunde, Josef Vigl, betreut wurde. Die richtige Erziehungsform und ein ausgewogener Baumschnitt ermöglichen eine optimale Nutzung des Sonnenlichtes und erst durch gezielte Wachstums- und Behangregulierung werden regelmäßige Ernten möglich (VZLB 2008). Hierzu waren und sind eine Vielzahl an Versuchen notwendig, bei den verschiedensten Sorten, in unterschiedlichsten Lagen, unter veränderten klimatischen und meteorologischen Bedingungen und sich ändernden physikalischen Umweltparametern. Dabei erfolgte die Prüfung der verschiedensten Ausdünnungsmittel bei unterschiedlichen Dosierungen, Mischungen und Einsatzterminen.

Bewässerung

Jedes oberflächliche und unterirdische Gewässer ist in Südtirol öffentliches Gut und dessen Nutzung benötigt die Ausstellung einer Konzession. Über 14.000 Konzessionen sind derzeit ausgestellt, über 9.000 betreffen die Beregnungs- und Bewässerungsanlagen (Obst-, Wein- und Gemüseanbau) und 351 Konzessionen wurden gezielt nur für die Frostberegnung ausgestellt. Südtirols Wasserreserven werden von Niederschlägen gespeist, mit langjährigen durchschnittlichen Jahresniederschlagsmengen von 500 mm (Schlanders im Vinschgau) bis 800/900 mm im Obstbaugebiet der Talsohle zwischen Meran und Salurn. Die jährlichen Niederschlagsmengen machen in Südtirol ca. 5.000 Mio. m3 aus, was einem durchschnittlichen Niederschlag von 675 mm pro Jahr entsprechen würde. Davon werden 170 Mio. m3 für Bewässerung und 30 Mio. m3 für Frostberegnung, 52 Mio. m3 als Trinkwasser, 50 Mio. m3 von der Industrie und 6,4 Mio. m3 für die Schneeerzeugung genutzt. Insgesamt werden über 8.000 Beregnungsanlagen aus ca. 6.200 Tiefbrunnen („Ziggl“) gespeist, die sich vorwiegend in der Talsohle von Meran bis Salurn befinden (APBZ 2010).

Gerade im Obstbau hat sich seit den 1950er Jahren die Oberkronenbewässerung durchgesetzt, da sie sich nicht nur für die Bewässerung sondern auch für die Frostberegnung zum Schutz vor Spätfrösten im Frühjahr eignet. Durch die Frostberegnung werden innerhalb kurzer Zeit enorme Wassermengen verbraucht (5 Mio. m3 pro Frostnacht), während der Trinkwasserverbrauch der Stadt Bozen mit > 100.000 Einwohnern 12 Mio. m3 pro Jahr ausmacht (persönliche Mitteilung Wilfried Rauter). Aber auch der deutliche Anstieg der Temperaturen und die Zunahme von Sommer- und Hitzetagen führen in den Sommermonaten zu immer längeren Trockenperioden. Deshalb wurden am Versuchszentrum Laimburg schon frühzeitig Versuche zur Reduktion des Wasserbedarfes, aber auch zu einer bedarfsgerechten Bewässerung im Obstbau durchgeführt (Thalheimer 2004a, 2005; Thalheimer und Paoli 2004, 2008).

Pflanzenschutz

Der Pflanzenschutz spielt seit Bestehen des Versuchszentrums eine zentrale Rolle in den Versuchsfragestellungen (Mantinger 2004b). Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die synthetischen Pflanzenschutzmittel auf den Markt, die äußerst effizient gegenüber den Schädlingen waren. So wurde Bleiarsenat durch DDT ersetzt, und als Insektizide kamen Chlorkohlenwasserstoffe, Phosphorsäureester und insektizide Carbamate auf den Markt und wurden propagiert (Mantinger 2004b). „Das Südtiroler Obst- und Weinbaugebiet war in den 50er Jahren ein Tummelplatz, ja ein Eldorado für die chemische Pflanzenschutzmittelindustrie. …Gegen die Schädlinge im Obst- und Weinbau wurde jedes Mittel eingesetzt, das wirkte. An mögliche schädliche Nebenwirkungen auf den Anwender, die Konsumenten und die Natur dachte damals kaum jemand“ (Waldner 2007a). San Josè Schildlaus, Blattläuse, Blutläuse, Junikäfer, Fruchtschalenwickler, Miniermotten – und natürlich auch alle Nützlinge wurden mit diesen Mitteln bekämpft. Nachdem die Vertreiber der Pflanzenschutzmittel auch gleichzeitig die Beratung durchführten, wurde aufkommenden Resistenzen anfangs noch mit neuen Wirkstoffen, dann mit mehr Spritzungen und mit höheren Dosierungen begegnet. Resistenzen der Schädlinge gegen die Pflanzenschutzmittel, Rückstandsprobleme und Umweltbelastungen wurden dabei nicht berücksichtigt (Oberhofer 1983).

Erst allmählich wuchs dieses Bewusstsein, vor allem durch den 1957 gegründeten Beratungsdienst in Form des Südtiroler Beratungsringes. Die Versuchsfragestellungen konzentrierten sich in der ersten Phase jedoch auf die Mittelprüfung neuer Produkte zur Schorf-, Mehltau-, Spinnmilben- und Wicklerbekämpfung, auf die Bekämpfungsstrategien, die Applikationstechniken und die Pflanzenverträglichkeit (Mantinger 2004b). Durch die in den 1970er Jahren im Obst- und Weinbau zugelassenen synthetischen Pyrethroide hatte man ein Mittel mit hoher Wirksamkeit und geringer Toxizität gegenüber Warmblütern zur Wahl. In den Versuchen am Versuchszentrum Laimburg war das überraschende Ergebnis, dass „sich z. B. die Spinnmilben nach einer längeren Zeit nach der Behandlung mit verschiedenen Pyrethroiden viel stärker vermehrten als in den (unbehandelten) Kontrollparzellen“ (Mantinger 2004b) (Abb. 11). Dies führte dazu, dass nach der in Italien erfolgten Zulassung (der ‘Seveso’-Unfall am 10. Juli 1976 veränderte das Umweltbewusstsein und die Sensibilität der Bevölkerung, und es wurden für einige Zeit keine Pflanzenschutzmittel mehr zugelassen) das Versuchszentrum Laimburg und der Beratungsring die Pyrethroide nicht nur nicht empfahlen, sondern strikt ablehnten (Mantinger 2004b). Der Chemie-Einsatz war an seine Grenzen gestoßen, nach Alternativen wurde gesucht, die Rolle der Nützlinge erkannt.

Abb. 11
figure 11

Auswirkungen von verschiedenen, zur Bekämpfung des Fruchtschalenwicklers ausgebrachten synthetischen Pyrethroide auf das Vorkommen von Spinnmilben und Kugelkäfern. Angegeben sind die Anzahl von Spinnmilben/Blatt und von Kugelkäfern/100 Ästen sowie von Wintereiern der Roten Spinne. Kontrolle: kein Pyrethroid. Behandlung am 19. Juni 1981 am Versuchszentrum Laimburg. (Aus Mantinger 2004b)

In einer Reihe von Versuchen wurde die wichtige Rolle der Nützlinge bewiesen und die Auswirkungen der Spritzmittel auch auf diese untersucht: Kugelkäfer, Marienkäfer, Florfliegen, Raubmilben, Raubwanzen. Man musste auch lernen, dass nicht nur Insektizide die Nützlinge abtöteten, sondern auch die Fungizide. So wurden die natürlichen Gegenspieler der Spinnmilben, die Raubmilben, durch die Fungizide geschädigt – eine Erkenntnis, die zur Ablehnung der Dithiocarbamate im IP-(Integrierte-Produktion)-Programm führte (Mantinger 2004b). Mitte der 1970er Jahre wird mit den gezielten Maßnahmen begonnen: für Traubenwickler und Fruchtschalenwickler wird es möglich, durch Pheromon-Fallen das Vorhandensein des Schädlings zu monitorieren, daraus zu lernen und ihn gezielt zu bekämpfen. Auch kommen weniger giftige und spezifisch wirkende Mittel auf den Markt, wie das Diflubenzuron, ein Chitinsynthesehemmer (Waldner 2007a). Anfang der 1980er Jahre zeigten die Spinnmilben gegen alle damals verfügbaren Akarizide Resistenzerscheinungen, durchschnittlich fünf Spritzungen mit Akariziden wurden durchgeführt und die Bauern gaben die Hälfte der Ausgaben für den Pflanzenschutz für Akarizide aus – jedoch ohne durchschlagenden Erfolg (Waldner 2007a). Dort, wo man die raubmilbenschädigenden Dithiocarbamate zurückdrängte, war der Erfolg augenscheinlich – nach drei Jahren war nur mehr eine und oftmals keine Spritzung mit Akariziden notwendig (Waldner 2007a).

Die Bankrotterklärung des unbedachten und uneingeschränkten Chemie-Einsatzes führt Anfang der 1980er Jahre zur Ausarbeitung des auf Versuche fundierten „Integrierten Pflanzenschutzes“, der Ende der 1980er Jahre in die „Integrierte Obstproduktion“ übergeht. Niederschlag finden diese Erkenntnisse im sogenannten AGRIOS-Programm zum integrierten Obstbau in Südtirol und am 20. Dezember 1988 wird in Terlan die Arbeitsgruppe für den Integrierten Obstbau in Südtirol (AGRIOS) gegründet, in die alle im Obstbau tätigen Organisationen und Institutionen eingebunden wurden, um einen möglichst breiten Konsens zu erzielen (Oberhofer 1989; Kiem 2007).

Die Maikäferbekämpfung (Melolontha melolontha) mag als ein weiteres Beispiel für die Entwicklung zum Integrierten Pflanzenschutz angeführt werden. Die regelmäßigen Maikäferplagen der 1950er und 1960er Jahre verursachten große Schäden im Obstbau und in der Grünlandwirtschaft und wurden zumeist mit persistenten Insektiziden, wie DDT, Lindan, Phosphorsäureester, bekämpft. Teilweise wurden gegen Engerlinge sogar Bodenbehandlungen mit Aldrin und Endrin durchgeführt, beide mit stark neurotoxischer Wirkung und einer Halbwertszeit von über 12 Jahren im Boden (Mantinger 2004b; Fortmann und Meesenburg 2007). Mitte der 1970er Jahre trat nun der Maikäfer in den sandigen Böden des Etschtales, insbesondere zwischen Auer und der Etschbrücke wieder verstärkt auf (‘Viesi’-Gründe), verbreitete sich von dort aus und richtete in den jungen Engpflanzungen große Schäden durch Wurzelfraß durch die Engerlinge an. Anfangs, bis 1980–1985, wurde der Maikäfer kaum mehr bekämpft, aber von 1986 bis 1988 wurde wieder die chemische Keule geschwungen, vorwiegend mit Chlorpyriphos-Ethyl und Ethoprofos gegen die Engerlinge, aber kaum gegen die Adulten, deren Reifungsfraß (Blattfraß) in den Wäldern und nicht in den Obstgärten erfolgt (Schweigkofler und Zelger 2002).

Einen Lösungsansatz boten die entomopathogenen Pilze, die als natürliche Pathogene von Insekten und anderen Arthropoden wirken, wobei die Gattungen Beauveria, Metarhizium, Lecanicillium und Paecilomycetes, als meist wenig spezialisierte und leicht kultivierbare Pilze im Boden vorkommen und heute im Handel erhältlich sind (Keller 2008). Bereits 1976 erfolgten in der Schweiz die ersten Feldversuche mit dem entomopathogenen Pilz Beauveria brongniartii (Sacc), wobei damals schon zwei parallele Strategien verfolgt wurden: „Die Anwendung von Blastosporen gegen schwärmende Maikäfer, wobei die Weibchen als Überträger der Krankheit in die Brutgebiete benutzt wurden, sowie der Einsatz eines Pilzgranulates (mit B. brongniartii bewachsene Gerstenkörner) in engerlingsverseuchten Wiesen“ (Keller 2004a). Das Ziel war es, Adulte und Engerlinge mit dem Pilz bzw. Pilzsporen zu infizieren, den Titer an Pilzsporen im Boden hoch zu halten, sodass sich grabende Engerlinge mit den Pilzsporen infizieren.

Das starke Maikäfer-Flugjahr 1986 löste die, allerdings wenig erfolgreiche, Bekämpfung mit Insektiziden im Boden aus. Bis zu 100 Engerlinge/m2 wurden im Boden des Befallsgebietes gefunden. Im Frühjahr 1989, während des Maikäferfluges, wurden am Waldrand des Mitterberges (Etschbrücke, Auer) mit Hilfe eines Helikopters erstmals Blastosporen in flüssiger Formulierung ausgebracht. Die kostspielige Ausbringung, die aufwändigen erforderlichen Sondergenehmigungen durch das Ministerium in Rom und eine geringe Wirksamkeit verschoben deshalb das Interesse im Versuch und in der Praxis auf die ‘Pilzkörner’ (Schweigkofler und Zelger 2002; Mantinger 2004b; Keller 2004a, b; Zelger und Schweigkofler 2004; Schweigkofler 2004a, b). In Reckenholz (CH) war es gelungen Konidiosporen des entomopathogenen Pilzes zu züchten, Gerstenkörner damit zu beimpfen und dieses Pilzgranulat in den Befallszonen auszubringen. 1990 wurde das Pilzgranulat in der Schweiz als Pflanzenschutzmittel bewilligt (Keller 2004a).

In Südtirol wurde dieses Pilzgranulat 1989 und 1990 auf 80 % der mit Engerlingen befallenen Fläche im Südtiroler Unterland (südlich von Bozen) ausgebracht, in einer Dosierung von ca. 30 kg Gerstenkörner/ha. Die mit einem Pilzmycel beschichteten Gerstenkörner werden mit einer Schlitzsämaschine in einer Bodentiefe von ca. 10–20 cm in den Boden eingebracht; der Boden wird dadurch mit Pilzsporen inokuliert, an denen sich die grabenden Engerlinge infizieren (Schweigkofler und Zelger 2002).

Ein weiterer (mechanischer) Bekämpfungsansatz ergibt sich aus dem Lebenszyklus des Maikäfers. Im April-Mai eines Flugjahres graben sich in der Abend-Dämmerung die frisch geschlüpften Maikäfer aus der Erde und fliegen für den Reifungsfraß aus der Obstanlage in Richtung der dunklen Waldränder an den Seiten-Hängen des Etschtales. Nach 1–2 Wochen fliegen die befruchteten Weibchen zur Eiablage wieder zu den sandigen Böden in die Obstanlagen zurück. Dies bietet nun zwei Möglichkeiten der mechanischen Bekämpfung: a) durch Abdeckung des Bodens in der Obstanlage mit Hagelnetzen können die frisch geschlüpften Maikäfer nicht zu ihrem Reifungsfraß an den Waldrand fliegen und verausgaben sich unter dem Netz energetisch, da sie ihrem Flugzwang nicht folgen können. Allerdings wurden auch ohne Reifungsfraß Eiablagen unter dem Netz beobachtet, aber in einem viel geringerem Ausmaß (Keller et al. 1995); b) der Ausflug der Maikäfer wird nicht behindert, aber gleich darauf werden die Netze ausgebracht und damit den Maikäfern beim Rückflug die Eiablage-Möglichkeit versperrt. Im Frühjahr 1992 wurde erstmals in Südtirol diese Technik eingesetzt und dabei 65 % der befallenen Kulturfläche abgedeckt (Schweigkofler und Zelger 2002). Die Idee geht auf den Erfindergeist des Traminer Obstbauern Oswald Überbacher zurück, der die Methode schon einige Jahre zuvor praktisch erprobt hatte (Waldner 2007a).

Diese beiden Techniken ermöglichen den Landwirten, die Maikäferplage ohne chemische Hilfsmittel zu kontrollieren. Jährlich werden im Frühjahr in Südtirol im Durchschnitt an die 4.000–5.000 kg Pilzgerste auf ca. 200–300 ha Obstbaufläche ausgebracht. Zusätzlich wird bei der Errichtung von Neuanlagen ca. 10 g Pilzgerste in jedes Pflanzloch gegeben, um den Wurzelbereich der Jungbäume mit Pilzsporen zu inokulieren und vor dem Wurzelfraß der Engerlinge zu schützen. Durch diese Maßnahmen konnten die Dichten an Engerlingen im Südtiroler Unterland sehr nieder gehalten werden (0–4 Engerlinge/m2 im Jahr 2000), während sie im mittleren Vinschgau (ca. 20 Engerlinge/m2) und im oberen Vinschgau (ca. 30 Engerlinge/m2) angestiegen sind (Schweigkofler und Zelger 2002). Voraussetzung für den Erfolg dieser Techniken ist, dass der Titer an Pilzsporen im Boden nicht absinkt: die Qualität der Pilzgerste kann durch schlechte Lagerung beeinträchtigt sein, oder die Schlitzsämaschine kann auf steinigem Untergrund kaum eingesetzt werden. Als Alternative bleibt die Ausbringung der Bodennetze, wobei vor der Ausbringung das Gras der Fahrgasse gemäht werden muss, um den Maikäfern unter dem Netz weniger Versteckmöglichkeiten zu bieten. Eine Behandlung der unter den Netzen gefangenen Maikäfer mit Pyrethrum oder Rotenon bewirkte eine Mortalität von nur ca. 20 % und war demnach beinahe wirkungslos (Schweigkofler und Zelger 2002).

Der Apfelwickler (Cydia pomonella), oder die „Obstmade“, zeichnet sich durch verhältnismäßig geringe Populationsdichten, versteckte Lebensweise, einen Flugradius von nur 20–25 m und damit eng begrenzte, zwar stabile, aber extrem unterschiedliche Populationen mit ein bis zwei Generationen pro Jahr aus. Der verursachte Schaden ist jedoch beträchtlich, denn eine befallene Frucht ist wertlos.

Der Apfelwickler ist aber auch ein Beispiel dafür, dass die alten starren linearen Denkschemata (Schädling > Pflanzenschutzmaßnahme > Erfolg) nicht mehr dienlich sind. Auch wenn mehrere Wirkstoffe für die Bekämpfung zur Verfügung stehen, muss ein Resistenzmanagement berücksichtigt werden. Dem widerspricht die Forderung des Marktes nach Rückstandsreduktion bzw. Reduktion der Mehrfachrückstände, ein umso schwierigeres Unterfangen, wenn zusätzlich zur Bekämpfung der Adulten auch Ovizide und Larvizide eingesetzt werden müssen. Auch die umweltfreundlicheren Methoden, wie die Verwirrungsmethode, haben ihre geographischen und meteorologischen Einschränkungen, denn die Pheromone müssen über eine ausreichend große Fläche verbreitet und sollten durch Winde nicht verblasen werden. Voraussetzungen für den Einsatz einer beliebigen Methode, sind aber profunde Kenntnisse der autökologischen Zusammenhänge und Anforderungen des Schädlings an seine Umwelt, die physikalisch-chemischen Umweltparameter, die seinen Lebenszyklus beeinflussen und die kontinuierliche Beobachtung des Befallsdruckes bzw. der Populationsdichte, um gezielt, zeitgerecht und angemessen den Schädling bekämpfen zu können (vor allem eines so anpassungsfähigen Schädlings). Dies kann aber nicht mehr über ein allgemeingültiges ‘Kochrezept’ erfolgen, sondern setzt eine dynamische, reflektierte, sich ständig an die Gegebenheiten anpassende Pflanzenschutz-Strategie und vernetztes Denken voraus: Eine Herausforderung für die Beratung im Rahmen der Professionalisierung und Weiterbildung der Landwirte, aber auch für das Versuchswesen, diese Komplexität zu entwirren.

In Südtirol beobachtete man im Jahre 1991 in der Umgebung von Bozen erhebliche Schäden durch den Apfelwickler, die auf die Resistenz bestimmter Populationen und Stämme des Apfelwicklers gegen die Chitinsynthesehemmer zurückzuführen waren. 1993 wurde erstmals auf einer Fläche von 232 ha Apfelanlagen die Verwirrungsmethode eingesetzt, sukzessive verbessert und ausgebaut, sodass heute auf einer Fläche von über 14.000 ha Pheromon-Dispenser ausgebracht werden (Waldner 2007a). Bereits 1988 wurden in Siebeneich bei Terlan und am Versuchszentrum Laimburg die ersten Versuche zur Verwirrungsmethode durchgeführt. Viele Versuchsfragestellungen stellten sich im Zusammenhang mit der Verwirrungsmethode, so die Auswirkungen der Baumhöhe, die Hang- und Windlagen, die Dorfbereiche, die Anzahl und Verteilung der Dispenser in der Anlage, die Höhe der Anbringung der Dispenser und deren Abgabeverhalten, oder die Behandlung von Randflächen. Eine Vielzahl von Untersuchungen wurde auch zur Resistenz des Apfelwicklers gegenüber Entwicklungshemmern aus der Gruppe der Harnstoffderivate durchgeführt (Zelger 2010b), sowie Untersuchungen zu den verschiedenen in Südtirol vorkommenden Populationen, die für Versuchszwecke nachgezüchtet werden mussten. Aus einer Reihe von molekularbiologischen Charakterisierungen dieser Populationen zeigte sich, dass dieser Schädling äußerst anpassungsfähig an die verschiedensten mikroklimatischen, ökologischen, geographischen Gegebenheiten, aber auch an Pflanzenschutzmaßnahmen ist (Meraner et al. 2008; Thaler et al. 2008).

So zeigt der Apfelwickler allein in Südtirol unterschiedliche Phänologien im Laufe der Vegetationsperiode. In den kühleren und höher gelegenen Anbaugebieten des oberen Vinschgaus (Prad, Glurns) durchläuft der Apfelwickler eine einzige Generation (univoltin), während er in den tieferen Tallagen des Etschtales zwei Generationen bildet (bivoltin), wobei die erste Generation meist eine zweigipfelige Verteilung aufweist (Zelger 2010a). Die teilweise Überlappung der Gipfel und der Generationen, die Abhängigkeit der Phänologie von Witterung, Lage und Apfelsorte in der Anlage und der Verdacht einer zumindest teilweisen dritten Generation auf Grund der sich verändernden Klimabedingungen erschweren eine sichere und gezielte Bekämpfung. Gerade das Auftreten einer teilweisen dritten Generation (Rizzolli und Acler 2010a) stellt wegen der vorgegebenen Karenzzeiten und der Abbaubarkeit der Wirkstoffe kurz vor der Ernte, eine Herausforderung für die Bekämpfung des Apfelwicklers und die Wahl der Mittel dar.

Deshalb wurden auch viele Untersuchungen zur Autökologie und Biologie des Schädlings durchgeführt (Mattedi und Zelger 2006; Zelger und Harzer 2006a, b; Zelger et al. 2006). Dabei hat sich gezeigt, dass das Verfolgen des Schlupf-Verlaufes bzw. des Falterfluges mit Pheromon-Fallen unbedingt notwendig ist, da die Populationsdichte bzw. der Befallsdruck wesentliche Entscheidungsgrundlagen für die Wahl der Bekämpfungsstrategien darstellen (Zelger 2010a, b).

Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) war ursprünglich im südost-asiatischen Raum beheimatet und ist ein 2010 in Südtirol neu aufgetretener Schadorganismus, der alle weichfleischigen Obstarten befällt (Beeren, Kirschen, Trauben) (Baufeld 2011; Calabria et al. 2012; Cini et al. 2012). Auf Grund der kurzen Generationsdauer und der Möglichkeit, je nach Temperatur-Bedingungen, 7–15 Generationen pro Jahr zu bilden, wie auch auf Grund der stark ausgeprägten Hitze- und Kältetoleranz der Adulten und der breiten Früchtepalette, die befallen werden, hat dieser Schädling ein enormes Schadpotential und Schadrisiko (Cini et al. 2012). Erste Exemplare wurden 2010 in Kirsch- und Himbeeranlagen Südtirols gefunden und 2011 wurden erstmals große Frucht-Schäden an Trauben, insbesondere der Sorte Vernatsch, festgestellt. In Südtirol geht es nun darum, ein Monitoring-System bezüglich der Kirschessigfliege zu erstellen, deren Verbreitung und Vorkommen in unterschiedlichen Höhenlagen zu erheben, bessere Kenntnisse zu ihrer Biologie und Populationsdynamik zu erlangen und Bekämpfungsmaßnahmen in Abhängigkeit der Kultur- und Standortbedingungen auszuarbeiten (Pichler 2012).

Die Apfeltriebsucht, auch als „Besenwuchs“-Krankheit bezeichnet, zeichnet sich durch Krankheitssymptome wie Hexenbesen, vergrößerte Nebenblätter, Kleinfrüchtigkeit und/oder verfrühte Rotfärbung aus. Gerade die Kleinfrüchtigkeit und die verminderte Qualität dieser sind für den beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden ausschlaggebend. In Südtirol wurden seit den 1960er Jahren Krankheitsfälle in Sämlingsanlagen beobachtet, aber erst 1998 wurden Symptome auch in einer Ertragsanlage auf M9 Unterlage im Eisacktal bemerkt. In den Jahren 2000 und 2001 trat die Krankheit verstärkt im Vinschgau und in den Hanglagen der anderen Bezirke auf und im Jahre 2005 zeichnete sich bereits eine neue Welle des verstärkten Krankheitsausbruches ab (Österreicher und Thomann 2006). Während der Weißdornblattsauger (Cacopsylla melanoneura) als Vektor bekannt war, trat 2004 ein neuer Vektor in Südtirol erstmals auf: der Sommerapfelblattsauger (Cacopsylla picta) (Wolf und Zelger 2006). Auf Grund des stark auftretenden Krankheitsbefalls und um auch das tatsächliche Ausmaß feststellen zu können, wurde die verpflichtende Meldung der erkrankten Bäume festgeschrieben (Mair 2011). So wurden 2006 insgesamt 520.000 befallene Bäume gemeldet und gerodet und in den Folgejahren 333.000 (2007), 109.000 (2008), 67.200 (2009), 54.000 Bäume (2010) (Mair 2011). Der Befall erfolgte in zwei Wellen, wobei die zweite Welle mit dem Auftreten des neuen Vektors einhergeht, bzw. auch ein neuer Erregerstamm mit diesem Vektor auftritt (Baric et al. 2010a). Auffallend ist jedoch, dass im unteren Vinschgau und im Burggrafenamt nach wie vor ein verhältnismäßig starker Befall vorherrscht.

Nach Etablierung des neuen molekularbiologischen Labors am Versuchszentrum Laimburg (Baric 2012a) und der neuen Methode zum Nachweis des Phytoplasmas (Baric und Dalla Via 2004) konnten Untersuchungen zur Infektionsrate vier verschiedener Blattsaugerarten in den Apfelanlagen Südtirols durchgeführt werden. Über 800 Individuen aus 18 Anlagen wurden auf den Erreger des Besenwuchses analysiert und die Infektionsraten bestimmt: Trioza urticae (0 %), Cacopsylla melanoneura (0,6 %), C. mali (0,9 %) und C. picta (11,1 %) (Baric et al. 2010c). Durch die häufige Verbreitung der effizienten Vektorart C. picta (Walch 2006) und durch die hohe Infektionsrate (lokal bis zu 30 %, Baric et al. 2010c) wurde im Sommerapfelblattsauger einer der Hauptüberträger der Krankheit in Südtirol gesehen.

Ein weiterer Übertragungsweg der Krankheit konnte in einer Fallstudie bestätigt werden, und zwar über Wurzelanastomosen und Wurzelverwachsungen in einer 24 Jahre alten Anlage im Südtiroler Unterland (Baric et al. 2008a).

In zwei Modellanlagen konnten auch die latent mit dem Besenwuchs-Erreger infizierten Bäume nachgewiesen werden (Baric et al. 2003; Unterthurner und Baric 2011), so dass in einer Anlage 2,3 % und in einer Junganlage sogar 10,5 % der Bäume den Erreger der Apfeltriebsucht in sich trugen, ohne Symptome zu zeigen (Baric et al. 2003, 2007). Erst nach einem Zeitraum von 1,5 bis 4 Jahren konnte die Symptomausprägung in der Junganlage beobachtet werden (Baric 2012a). Auch die verfrühte Rotfärbung wird häufig als ein Symptom der Apfeltriebsucht angesehen, es besteht aber kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der partiellen Rotfärbung eines Baumes und dem Vorhandensein des Apfeltriebsucht-Phytoplasmas (Öttl et al. 2008).

Nach der Entwicklung der Methode zur Quantifizierung des Erregers, wurde es nun auch möglich, die Verteilung der Apfeltriebsucht-Phytoplasmen innerhalb des Baumes zu verfolgen und in seiner saisonalen Abhängigkeit zu erfassen (Baric et al. 2011b, Baric 2012b). Die Typisierung der einzelnen Stämme des Apfeltriebsucht-Phytoplasmas hat zur Aufklärung der Ausbreitungswellen des Besenwuchses in Südtirol beigetragen (Baric et al. 2011a).

Der Feuerbrand (Erwinia amylovora) hat in der letzten Zeit in Südtirol Einzug gehalten. In Europa erstmals 1957 in Südengland beschrieben (Billing 1980), taucht er 1990 in Süditalien in Apulien und 1991 in Sizilien auf. 1994 werden fünf Fälle nördlich von Bologna entdeckt, von wo er sich über die gesamte Poebene ausbreitet. In Südtirol wurde der Erreger demnach vom Süden kommend erwartet, deshalb wurden die Meldungen der Feuerbrandfälle in Nordtirol mit Überraschung und Besorgnis wahrgenommen, darunter auch Fälle im Zillertal und ein Fall in Gries am Brenner, nur wenige Kilometer von der Staatsgrenze entfernt. Am 1. Juli 1999 wurde der erste konkrete Verdachtsfall auf Feuerbrand in Südtirol dem Pflanzenschutzdienst in Bozen gemeldet, ein Birnbaum im Ortskern von Gossensaß in der Gemeinde Brenner (Lindner 2004a). Die Krankheit ist in Italien meldepflichtig und deren Bekämpfung obligatorisch bzw. auch die offizielle Nachweismethode im entsprechenden Gesetzesdekret vorgeschrieben, die jedoch zeitaufwändig und 9–10 Tage für die Diagnosestellung benötigt. Am Versuchszentrum Laimburg wurde deshalb eine vom offiziellen Protokoll abweichende Methode entwickelt, um den aktiven Erreger bereits innerhalb von 3–5 Tagen nachzuweisen und damit die oft notwendigen Rodungsmaßnahmen zeitgerecht einleiten zu können (Lindner 2004b).

Die Anzahl der in Südtirol aufgetretenen Feuerbrandfälle sind in Abb. 12 dargestellt. Im Jahre 2002 wurde der Feuerbrand erstmals direkt im Erwerbs-Obstbaugebiet nachgewiesen, und als Maßnahme zur Bekämpfung wurden im Jahr 2002 24.913 Apfelbäume gerodet und verbrannt (Lindner 2004a). Es ging in erster Linie um eine Eindämmung der Ausbreitung des Erregers und das Entfernen der Inokula. So wurde mit Beschluss der Südtiroler Landesregierung Nr. 346 vom 10. Februar 2003 angeordnet, dass „alle sich auf dem Gebiet des Landes Südtirol unterhalb einer Meereshöhe von 1.400 m befindlichen Pflanzen der Gattung Zwergmispel (Cotoneaster) und Feuerdorn (Pyracantha) von deren Inhaber … gerodet und vernichtet werden müssen“ – aber auch das Ausbringen von möglichen Wirtspflanzen wurde untersagt (BSLR 2005). Starke Feuerbrand-Jahre waren in Südtirol die Jahre 2003, 2007 und 2011. Im Jahr 2011 gab es in Südtirol 945 Fälle von Feuerbrand in 37 Gemeinden, wobei 7.913 Apfelbäume und 4.954 Birnenbäume gerodet werden mussten (Waldner et al. 2012; SBR 2011), während im laufenden Jahr 2012 auf Grund des eher trockenen Witterungsverlaufes bisher weniger Fälle zu verzeichnen sind (SBR 2012a).

Abb. 12
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Anzahl der Feuerbrandfälle in Südtirol. Daten des Jahres 2012 nur bis 31. Juli 2012. (Daten des Pflanzenschutzdienstes Bozen und aus Lindner 2004a, SBR 2012b)

Am Versuchszentrum Laimburg wurde eine Vielzahl an Versuchen zur Feuerbrandbekämpfung durchgeführt. Der methodische Nachweis wurde verbessert und Methoden für die molekulare Diagnostik des Feuerbrand-Erregers Erwinia amylovora wurden adaptiert (Lindner 2004b, Baric 2012a). Über Jahre hinweg wurde die Wirksamkeit verschiedener Mittel in unterschiedlichen Dosierungen an Blütenversuchen im Labor getestet, Gesteinsmehle, Pflanzenextrakte, Desinfektionsmittel (z. B. Polyhexamethylen Biguanidin Hydrochlorid, Kaliummonopersulfat), Blattdünger (z. B. Ammoniumthiosulfat, Calciumformiat), Antagonisten (z. B. Panthoea agglomerans, Bacillus subtilis, Aureobasidium pullulans, Pseudomonas fluorescens A506), Resistenzinduktoren (Harpin Protein, Prohexadion-Ca, Bion) oder Fungizide (Armicarb) und verschiedene Kupferverbindungen (Kupferhydroxid, Kupferoxychlorid, Kupfersulfat), mit keinen Wirkungen oder stark schwankenden Ergebnissen (Bertagnoll und Marschall 2006; Marschall und Rizzolli 2008; Marschall et al. 2011). Aber auch die Pflanzenverträglichkeit der möglichen Mittel sind über Jahre in unterschiedlichen Dosierungen an verschiedenen Apfel-Sorten im Freiland getestet worden, im Hinblick auf ihre phytotoxischen Nebenwirkungen auf Blätter und Früchte (Berostung der Früchte, Blattnekrosen, Blattverbrennungen, Wachstumshemmung der Bäume usw.), oftmals noch bei verschiedenen Temperaturen oder Blattnässen. Um einen Feuerbrandbefall letztlich zu verhindern, stehen derzeit keine gut wirksame und zugleich pflanzenverträgliche Produkte zur Verfügung (Marschall et al. 2011; Fischer 2012). Die einzige wirksame Alternative, Streptomycin, steht in Südtirol nicht zur Verfügung, da in Italien die Ausbringung von Antibiotika in der Landwirtschaft seit dem Jahr 1971 gesetzlich verboten ist (Zelger 2008). Als sofortige Maßnahme bleibt deshalb nur die akribische Beobachtung im Feld, die sofortige Entfernung der befallenen Teile bis hin zur Rodung, um eine Ausbreitung einzuschränken. Mittelfristig bis langfristig könnte eine Hinwendung zu feuerbrandtoleranten Unterlagen und Sorten eine Lösung darstellen (Fischer 2012). Deshalb werden nun am Versuchszentrum Laimburg die feuerbrandresistenten Unterlagen G 11 und CG 3041 aus dem Züchtungsprogramm der Cornell-Universität in Geneva (USA) auf ihre Eignung mit den Sorten ‘Golden Delicious’ Reinders®, ‘Gala’ Brookfield®, ‘Rosy Glow’ Pink Lady®, ‘Granny Smith’ Challenger® und einem ‘Red Delicious’ Spur Klon geprüft (Höller et al. 2010).

Unter den Pilzkrankheiten beschäftigt der Schorf-Pilz (Venturia inaequalis) schon seit mehreren hundert Jahren den Südtiroler Obstbau. Da es keine Bekämpfungsmöglichkeit gab, blieb nur die Hoffnung auf ein trockeneres Jahr, um seinen Obstertrag zu schützen. In feuchtwarmen Jahren, sogenannten „Jausch“-Jahren, fiel die Ernte entsprechend nieder oder ganz aus (Oberhofer 2007a).

Auch heute noch erfordert die Schorfbekämpfung im Südtiroler Obstbau die häufigsten Pflanzenschutzbehandlungen und trotzdem bereitet der Schorfpilz immer wieder Überraschungen (Österreicher 2011). Über die Jahrzehnte zogen sich viele Versuche zum Testen der zur Verfügung stehenden Mittel, neuer in Entwicklung sich befindender Mittel, ihrer Wirkung und Einsetzbarkeit, zu Niederschlag, Blattnassdauer und Luftfeuchtigkeit, der Durchschnittstemperatur und der aktuellen Temperatur auf 2 m über Boden usw. (z. B. Marschall et al. 2004b; Rollinger et al. 2006; Bertagnoll und Marschall 2011). Aber der Schorfbefall ist genauso abhängig vom Inokulum an Schorfsporen in der Anlage, von der Sorte, dem Wachstum und der Kulturführung der Anlage (Rizzolli und Acler 2010b). Dazu kommt die Strategie der Bekämpfung, ob mit einem Belagfungizid kurz vor Regenbeginn eine vorbeugende Schorfabwehr verfolgt, oder mit einem Kurativfungizid kurz nach der Regenphase eine rückwirkende Behandlung durchgeführt wird (Rizzolli und Acler 2011). Durch Ascosporenfallen kann der Sporenflug verfolgt werden und die Daten fließen in den Schorfwarndienst des Südtiroler Beratungsringes ein (Unterthurner 2011).

Für den Bio-Anbau ist der Schorf ein Problem, da nur wenige nicht-synthetische Mittel zu dessen Bekämpfung zur Verfügung stehen (Kelderer und Casera 2010). Umso wichtiger sind deshalb die schorfresistenten Sorten im biologischen Anbau (Kelderer und Lardschneider 2004).

In den letzten Jahren gibt es immer mehr Probleme mit verschiedenen Pilzkrankheiten, die Blattflecken erzeugen oder epiphytisch die Qualität der Früchte beeinträchtigen. So breitete sich im Laufe der 1990er Jahre vom Raum Vilpian ausgehend eine Blattfleckenkrankheit aus, mit bis zu 2 cm großen braunen Flecken, oft mit einem lila Rand, die sich grau bis silbrig verfärben, und bei steigendem Befall zum verfrühten Blattfall führen können. Kleine schwarze oder braune, bis 0,5 mm große Lentizellenflecken an den Früchten sind typisch (Marschall et al. 2004a). Dies ist das klassische Schadbild des Pilzes Alternaria alternata, der sich in Südtirol immer mehr verbreitete und Lentizellenfäulen und Blattnekrosen verursacht. Hierzu mussten in vielen Versuchsreihen geeignete Wirkstoffe und Einsatzstrategien getestet werden, auch im Hinblick einer Fungizid-Einsatzstrategie zur Resistenzvermeidung (Marschall et al. 2006; Rizzolli et al. 2006; Rizzolli und Acler 2012). Zusätzlich wird die Frage abzuklären sein, in wie weit die mikroklimatischen Bedingungen unter den Hagelnetzen die Wachstumsbedingungen für verschiedene Pilze fördern.

In verschiedenen Anlagen wurden auch so genannte „Qualitäts-Pathogene“ gefunden, die zwar keinen direkten Schaden verursachen, aber durch ihr epiphytisches Wachstum eine oberflächliche Verpilzung der Fruchtschale verursachen, die wertmindernd unästhetische Beläge an den Früchten bildet (Lindner 2006). Zu den bereits bekannten, den Rußpilzen (Alternaria sp., Cladosporium sp., Capnodium sp.), der Regenfleckenkrankheit (Gloeodes pomigena u. a.), gesellte sich der ‘Weiße Hauch’ hinzu, mit einer „feinen, engmaschigen, mehrschichtigen, mattgrauen Myzel-Struktur, die dicht und zäh an der Kutikula der Fruchtschale anhaftet“ (Lindner 2006). Auch hier wurden eine Reihe von Untersuchungen zur Identifikation und Charakterisierung dieses Schädlings durchgeführt (Lindner 2009a, b; Lindner und Baric 2006; Baric et al. 2010b; Baric 2012a).

Kürzlich tauchte in einigen Bio-Anbau-Betrieben Südtirols eine weitere Blattfleckenkrankheit auf, die einen vorzeitigen Blattfall auslösen kann. Als Erreger konnte der Pilz Marssonina coronaria identifiziert werden. Ein Schaderreger, der 2001 in Italien nachgewiesen und 2010 auch im Süddeutschen Raum und der Schweiz bzw. 2011 in Österreich vorgefunden wurde (Lindner 2012a).

Eine weitere Blattkrankheit, die in Südtirol vorwiegend in biologisch bewirtschafteten Apfel-Anlagen auftritt, ist der durch Phyllosticta sp. verursachte Blattbefall (Lindner 2011, 2012b). In biologischen Anlagen stehen für die Abwehr von Pilzinfektionen im Wesentlichen nur Kupfermittel, Schwefelprodukte oder Schwefelkalkbrühe zur Verfügung.

Neben den etablierten alten und den ständig neu auftauchenden Schaderregern ist der Pflanzenschutz auch noch mit völlig neuen Problematiken konfrontiert (Palm 2011). Der Konsument und der Lebensmitteleinzelhandel fordern immer geringere Rückstände, aber auch immer weniger Mehrfachrückstände. Soll in der Bekämpfungs-Strategie der Schädlinge auch noch ein effizientes Resistenzmanagement mit einem Wirkstoffwechsel mitberücksichtigt werden, so ist dies eine große Herausforderung. Einerseits ist die Rückstandsproblematik im Auge zu behalten (Unterthurner 2002; Zelger 2009), andererseits müssen selektiv wirksame Wirkstoffe bezüglich ihrer Wirkung gegen den Schaderreger und die Nützlingsfauna geprüft, ihre Pflanzenverträglichkeit überprüft, Applikationstechniken optimiert und Bekämpfungsstrategien entwickelt werden. Auch wird eine immer bessere Kenntnis der Biologie des Schädlings notwendig, denn kennt man die ökologischen Anforderungen der Erreger, kann man ihnen ihre ökologische Grundlage entziehen und darauf gezielt Pflanzenschutzstrategien abstimmen.

Obst-Lagerung

Nach dem Bau des Versuchslagerhauses (1972–1973) konnten Lagerversuche mit den Hauptsorten des Südtiroler Obstsortiments begonnen werden. Acht kleine Lagerzellen zu je 10 t und zwei große Lagerzellen zu je 50 t standen für Versuche zur Verfügung. Um die verschiedenen Versuchsansätze befriedigen zu können, wurden Versuchs-Kleinbehälter mit einem Fassungsvermögen von 6 Obststeigen angeschafft, in denen CO2, O2 und Luftfeuchtigkeit einzeln eingestellt werden konnte. Die Temperatur wurde über die Lagerzelle vorgegeben und war demnach für alle Kleinbehälter einer Lagerzelle identisch. Die Kleinbehälter ermöglichten in vielen Versuchsfragestellungen und für viele Sorten die Lagerbedingungen zu testen, die dann in größeren Mengen in den Lagerzellen bestätigt wurden (‘upscaling’), bevor die Empfehlungen an die Genossenschaften weitergegeben wurden.

Die Bestimmung der Erntetermine der wichtigsten Sorten für die Langzeitlagerung und die Erhaltung der inneren Qualität während der Lagerung waren die Hauptaugenmerke dieser Zeit. Gerade die im Lager auftretenden Lager-Schäden wurden über viele Jahre verfolgt und ausgewertet, deren Ursachen ergründet und die Lagerbedingungen ständig optimiert, um die physiologischen Schäden zu reduzieren bzw. zu vermeiden (Pernter und Oberrauch 1999). Besonders die Schalenbräune bereitete viele Probleme und konnte nur durch eine Nacherntebehandlung durch Tauchen oder Besprengen der Früchte mit Antioxidantien, wie Diphenylamin (DPA) oder Ethoxyquin, wirksam verhindert werden – vor allem bei den empfindlichen Sorten wie ‘Granny Smith’, ‘Red Delicious’, ‘Winesap’, ‘Morgenduft’ oder ‘Cripps Pink’. Versuchsreihen mit unterschiedlichen Konzentrationen, das Abbauverhalten des Wirkstoffes und der Zeitpunkt der Auslagerung, wie auch die Rückstände, waren wichtige Fragestellungen. International empfohlene Höchstrückstandswerte betrugen für Ethoxyquin in Äpfeln und Birnen 3 mg/kg und für Diphenylamin 5 mg/kg (EUR 1985). Beide Substanzen sind heute nicht mehr zugelassen.

War es am Anfang noch die CA-Lagerung (‘controlled atmosphere’) (Thompson 2010) konnte 1982/1983 erstmals mit der ULO-Lagerung (‘ultra low oxygen’) im größeren Ausmaß experimentiert werden. Eine wichtige Neuerung, denn die ULO-Lagerung mit einem niederen Sauerstoffgehalt (1,0 % O2 und 1,0 % CO2) in der Lageratmosphäre konnte die Entwicklung der Schalenbräune zwar stark vermindern, aber nicht vollständig kontrollieren.

Zu Beginn mussten die laufenden Versuche von Hand, mit einer Sperrholzschablone, sortiert werden. Erst 1972 konnte eine kleine mechanische Sortiermaschine angekauft werden. Während der Lagersaison 1994/1995 wurde die Lagerhalle umgebaut, ein großer Sortierraum entstand, in der Folge wurden neue Versuchsbehälter angeschafft, neue Möglichkeiten der automatischen Analyse von Zucker, Säuregehalt und Penetrometerwert geschaffen (Zanella und Werth 2004), eine neue Sortiermaschine mit Farbauswertung und NIRS-Technologie (Nahinfrarotspektroskopie) angekauft, ein Stoffwechsellabor errichtet und die gesamte Steuerung der Lagerzellen und Kleincontainer erneuert.

Die Suche nach optimalen Lagerungsbedingungen für die verschiedenen, auch neu eingeführten Sorten, die Eruierung der optimalen Parameter von Temperatur, Sauerstoff, Kohlendioxid und Luftfeuchtigkeit und das ‘upgrading’ der Ergebnisse aus den Kleinbehältern auf große Lagervolumina – um die erntefrische Qualität der Früchte in der Lagerung zu erhalten – war über alle Jahre hinweg der wichtigste Schwerpunkt (Zanella 2003). Die Ermittlung des optimalen Reifezeitpunktes/Erntezeitpunktes für die Einlagerung und die Suche nach nicht destruktiven oder automatisierbaren Methoden des Reifetests hat über viele Jahre Versuchskapazität gebunden. Vorerntebehandlungen und agronomische Techniken im Feld wurden in die Strategien der Lagerung mit einbezogen und mit dem Auftreten von Druck- und Lagerschäden korreliert (Zanella 2011). Die Qualität der Früchte zum Zeitpunkt der Auslagerung bzw. nach einem entsprechenden ‘Shelf-life’ waren der Maßstab, an dem die getesteten Verfahren, Methoden und Techniken gemessen wurden (Zanella et al. 2010). Eine entsprechende Analytik wurde aufgebaut (Zanella und Werth 2004; Zanella 2006a).

Die Entwicklung der Dynamischen-CA-Lagerung (DCA) am Versuchszentrum Laimburg veränderte die Lagertechnologien Europas im Apfelanbau völlig. Von der Firma Satlantic Inc. (Canada) wurden dem Versuchszentrum Laimburg neuartige Fluoreszenz-Sensoren zum Testen angeboten, die das Chlorophyll in der Fruchtschale des Apfels anregten und die von diesem emittierte Fluoreszenz messen konnten. Dazu kommt, dass unterhalb einer bestimmten Sauerstoffschwelle, das Chlorophyll verstärkt Fluoreszenz emittiert und zwar als scharfes und sehr zeitnahes Signal zum gegebenen Sauerstoffmangel. Damit hatte nun Angelo Zanella, der Leiter des Versuchslagers am Versuchszentrum Laimburg, ein Instrument zur Hand, den Beginn des Sauerstoffstresses im Apfel zu messen.

Die Schalenbräune blieb ein Problem geblieben, das nur durch den Einsatz von DPA als chemische Nacherntebehandlung lösbar war. Schalenbräune war häufig durch eine frühzeitige Ernte oder warme Witterung vor der Ernte verursacht, konnte aber durch einen niedrigen Sauerstoffgehalt der Lageratmosphäre reduziert werden. So war die ULO-Lagerung (1 % O2 – 1,0 % CO2) nicht immer erfolgreich, während die HLO-Lagerung (‘hyper low oxygen’, 0,7 % O2 – 0,7 % CO2) und die ILOS-Lagerung (‘initial low oxygen stress’; 0,4 % O2 für 14 Tage und danach ULO) die Schalenbräune erfolgreich unterdrücken konnten. Aber Sauerstoffabsenkungen in den Lagerzellen unter 1,0 % fanden in der Praxis keine Akzeptanz, denn welche Obstgenossenschaft riskiert ihre Zellen mit je 200–400 t Äpfel in Fermentation zu schicken? Mit den Flureszenzsensoren Harvest Watch™ war es nun möglich 6–8 Subsamples der Äpfel pro Lagerraum, an kritischen Stellen des Lagerraumes verteilt, als „Wächter“ online zu monitorieren. Damit war es möglich, den Sauerstoffpegel des Lagerraumes unter die 1 % O2 Grenze zu senken, und zwar so weit, bis der Apfel durch eine verstärkte Fluoreszenz sein Signal des Sauerstoff-Mangel-Stresses gab. In der Folge reichte es den Sauerstoff-Pegel um 0,1–0,2 % darüber zu fixieren. Dadurch wurde es möglich, sich an die physiologischen Anforderungen der einzelnen Sorten, der einzelnen Partien, oder über den gesamten Lagerungszeitraum dynamisch an den sich ändernden Schwellenwert anzupassen. Letztlich ist es die Anpassung der Sauerstoffkonzentration der Lageratmosphäre an den physiologischen Fruchtzustand, an den Reifezustand, an die Jahrgangs-Schwankungen, an die Herkunfts-Verschiedenheiten. Dadurch wurden nun in der Regel Sauerstoffkonzentrationen von 0,3 bis 0,7 % in der Lagerung möglich.

In der Saison 2001/2002 wurden die ersten Versuche mit den Flureszenzsensoren Harvest Watch™ und mit ‘Granny Smith’ durchgeführt, mit dem durchschlagenden Erfolg, dass Schalenbräune und Kernhausbräune durch die DCA-Lagerung nahezu unterdrückt werden konnten und die Festigkeit im Lager und im Shelf-life wesentlich besser als bei den Kontrollen war. 2002/2003 wurde das Spektrum der Sorten erweitert, um ‘Gala’, ‘Red Delicious’ und ‘Braeburn’ mit demselben Erfolg. In der Lagersaison 2003/2004 wurde im Versuch das Spektrum noch um die Sorten ‘Golden Delicious’, ‘Rubens’ und ‘Cripps Pink’ ergänzt. Gleichzeitig wurde auch in der Obstgenossenschaft ‘Kaiser Alexander’ in Leifers bei Bozen, ein praxisbezogener Großversuch durchgeführt. Durch eine Ausfallhaftung von Seiten der Erzeugerorganisation VOG wurde dieser Großversuch möglich: in einem 150 t fassenden Raum wurden 500 Großkisten ‘Granny Smith’ aus 23 verschiedenen Herkünften unter DCA-Bedingungen eingelagert. Nach 6 Monaten Lagerung – und dies ohne Nacherntebehandlung mit DPA – gelang es, die Schalenbräune bei ‘Granny Smith’ völlig zu vermeiden und dies sogar noch während der 2 Wochen Shelf-life bei 20 °C (Zanella 2004). Es war ein beindruckender Moment, als wir bei der Auslagerung der Großkisten zusammen mit den höchsten Vertretern der Obstgenossenschaften das Ergebnis in den Großkisten begutachteten. Ein seit Jahrzehnten schwelendes Problem, die Schalenbräune, war gelöst – ohne chemische Einwirkung (auch ohne 1-MCP). Die Dynamische CA-Lagerung (DCA), wie sie nun von uns genannt wurde, hatte sich im Praxistest bewährt: ein Verdienst von Herrn Angelo Zanella und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Die Verantwortlichen der Obstgenossenschaft ‘Kaiser Alexander’ waren von diesem Innovationsschub dermaßen überzeugt, dass sie in der folgenden Lagersaison 2004/2005 die DCA-Lagerung nicht nur auf die Sorte ‘Granny Smith’ beschränkten, sondern auch auf die Sorten ‘Gala’ und ‘Red Delicious’ ausweiteten. Im Versuch wurden in dieser Saison die Sorten ‘Granny Smith’, ‘Gala’, ‘Red Delicious’, ‘Braeburn’, ‘Golden Delicious’, ‘Cripps Pink’, ‘Fuji’ und ‘Topaz’ getestet. Der Erfolg war eindeutig, nicht nur die Schalenbräune konnte vermieden werden, auch die Ernte-Qualität der Früchte konnte unter der DCA-Lagerung bei einigen Sorten sogar besser erhalten werden (z. B. bei ‘Golden Delicious’). In der folgenden Lagerungssaison 2005/2006 stiegen bereits 4 Obstgenossenschaften auf die DCA-Lagerung um, was eine logistische Herausforderung für das Versuchszentrum darstellte, diese auch fachlich zu begleiten und die Lagerwarte und Techniker zu schulen. Im Jahr 2006/2007 waren es 15 Obstgenossenschaften mit über 80 Groß-Zellen, 2007/2008 bereits 107 Groß-Zellen in Südtirols Obstgenossenschaften, 2009/2010 waren es 213 Großzellen, wobei eine mittlere Groß-Zelle an die 350 t Äpfel aufnehmen kann. Heute ist die DCA-Lagerung in vielen Genossenschaften eine selbstverständliche Routine. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine starke Reduktion der gewöhnlichen Schalenbräune bei den anfälligen Sorten und das ohne chemische Nacherntebehandlung mit DPA und im Vergleich zur ULO-Lagerung eine höhere innere Qualität der Früchte bezüglich Penetrometerwert und Säuregehalt (z. B. bei ‘Braeburn’, ‘Golden Delicious’), eine bessere Erhaltung der Grundfarbe (z. B. bei ‘Granny Smith’, ‘Golden Delicious’) und weniger Kernhausbräune (z. B. bei ‘Red Delicious’, ‘Braeburn’, ‘Fuji’). Zusätzlich trat bei anfälligen Apfelsorten weniger Morschigkeit auf und weniger Kernhaus-Fäule (z. B. bei ‘Fuji’) (Zanella et al. 2005b; Zanella 2006b).

Die zweite große Neuerung in der Lagertechnologie des letzten Jahrzehnts ist die Einführung des 1-Methylcyclopropen (1-MCP), unter dem Handelsnamen Smart Fresh SM (Zanella und Cecchinel 2006). 1-MCP bindet an die Ethylen-Rezeptoren der Zellmembran und hemmt dadurch die Signalwirkung des exogenen Ethylens wie auch die endogene Ethylen-Produktion. Letztlich verhindert 1-MCP den Qualitätsabbau des Apfels durch die Hemmung des Reifehormons Ethylen und damit den Reifeprozess. Am Versuchszentrum Laimburg wurden Versuche mit dieser Substanz schon seit 2001 durchgeführt. Es ist als Pulver formuliert, wird in Wasser gelöst und wirkt als Gas (0,6–1,0 ppm). Im Kühllager und Shelf-life ist die Wirkung von 1-MCP besser bezüglich der Qualität, Festigkeit, Säuregehalt, Grundfarbe und Fettigkeit, auch wenn dies sortenabhängig ist. Auch bewirkt 1-MCP eine Reduktion der Schalenbräune. Der Qualitäts-Unterschied unter CA- und ULO-Lagerung ist geringer. Die Aromabildung ist gehemmt (Hemmung des Reifeprozesses), demnach ist auch ein Nachreifen im Shelf-life nicht möglich, mit der Auswirkung, dass bei zu früher Pflücke die Äpfel den geschmacklichen Zustand zum Zeitpunkt der Ernte beibehalten. Unter Einsatz von 1-MCP kann CA-Lager-Qualität erreicht werden, bei höherem Sauerstoffgehalt und höheren Temperaturen (Energieersparnis) und ohne hochtechnisierter Lagertechnik, wie sie für die ULO-Lagerung erforderlich ist (Dierend 2012). Der Einsatz von 1-MCP ist sicherlich überall dort angebracht, wo Äpfel in Kühllagern ohne Qualitätsverlust über weite Entfernungen transportiert werden müssen (Übersee: Brasilien, Neuseeland) (Zanella 2005; Zanella et al. 2005a, b). Für die Lagerung von Äpfeln aus dem Biologischen Anbau ist 1-MCP nicht zugelassen, da es eine chemische Nacherntebehandlung darstellt (Raffo et al. 2009).

Nachernte-Biologie und Nachernte-Technologie werden auch in Zukunft Hand in Hand gehen müssen, wobei die Erhaltung der Qualität auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen wird – auch wenn der Begriff Qualität einem kontinuierlichen Wandel ausgesetzt sein wird (Zanella 2007; Köpcke 2011).

Biologischer Apfel-Anbau

Karl Graiss, aus Morter im Vinschgau stammend, war der Südtiroler Pionier des Bioanbaus, der 1974 mit der Umstellung seines Betriebes begonnen hat und 1980 sein Sprühgerät verkaufte (Laner 2005). Anfang der 1980er Jahre begann das Interesse am biologischen Obstbau zu wachsen und deshalb wurde am Versuchszentrum Laimburg in dieser Zeit mit den ersten Versuchen durch Hermann Mantinger und Sergio Boscheri begonnen. Kupfer- und Schwefel-Behandlungen gegen Pilzkrankheiten und die ersten Versuche mit Bacillus thuringiensis und dem Granulosevirus wurden durchgeführt. Auf Grund des wachsenden Interesses am Bio-Obstbau wurde 1991 eine eigene Arbeitsgruppe am Versuchszentrum Laimburg gegründet, um einerseits die Versuchstätigkeit zu intensivieren und andererseits die Beratung im Bio-Obstbau aufzubauen. Im Laufe der Zeit erfolgte ein langsames, aber stetiges Wachstum des Interesses an der Bio-Produktion und damit wuchsen auch die Anforderungen an die Versuchs- und Beratungstätigkeit des nur aus drei Personen bestehenden Teams. Die zunehmenden Beratungen vor Ort und Lokalaugenscheine beanspruchten viel Zeit, die der Versuchstätigkeit abhandenkamen. Im Jahre 2000 erklärte sich der Südtiroler Beratungsring bereit, die Bio-Beratung zu übernehmen. Nach anfänglicher Skepsis der Bio-Verbände, konnten diese in mehreren Aussprachen davon überzeugt werden, dass die vorgeschlagene Lösung für den gesamten Bio-Obstbau einen entsprechenden Vorteil darstellte: die Beratung ging an eine professionell operierende Beratungsstruktur über (der Beratungsring war bereit, zwei neue Berater für den Bio-Obstbau einzustellen) und die Mitarbeiter am Versuchszentrum gewannen neue Kapazitäten, um die Versuchstätigkeit zu intensivieren. Eine Übergangszeit von zwei Jahren gewährte auch den neuen Mitarbeitern des Beratungsringes eine angemessene Ausbildungs- und Einarbeitungszeit und in enger Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg konnte der Übergang (2002 und 2003) fließend von statten gehen, sodass 2004 die Bio-Obstbau-Beratung auf eigenen Füßen stand (Waldner 2007b). Dies umfasste das volle Beratungsangebot, das den Mitgliedern des Beratungsringes zuteilwird. So wurde bereits 2003 vom Beratungsring erstmals der Leitfaden für die biologisch wirtschaftenden Betriebe herausgegeben.

Die Versuchsstätigkeit im biologischen Anbau hat einige Besonderheiten. Nicht nur, dass die oftmals abweichenden Richtlinien der einzelnen Verbände berücksichtigt werden müssen, es ist auch der Ansatz ein holistischer. Es geht weniger um lineare Zusammenhänge eines einfachen Ursachen-Wirkungs-Mechanismus, als vielmehr um die netzwerkartige Komplexität der Ökologie bereits im Versuchsansatz zu berücksichtigen. Zusätzlich hatte der gesamte Bereich, vom Anbauer bis zum Versuchsansteller, mit Vorurteilen, Geringschätzung bis hin zur Lächerlichkeit zu kämpfen. Erst im Laufe des letzten Jahrzehnts hat der Biologische Obstbau die Anerkennung erhalten, die er schon längst verdient hätte. 2011 wurden in Südtirol 43.430 t an Bio-Äpfeln geerntet, das sind 4,5 % der gesamten Südtiroler Tafelware an Äpfeln. Auffällig ist hierbei, dass im Bioobstbau dasselbe Sortenspektrum abgedeckt wird, wie in der Integrierten Produktion, d. h. der Konsument möchte dasselbe Sortenspektrum zur Verfügung haben, aber eben nur unter ökologischen Anbaubedingungen produziert.

Die Frage der Sorten bleibt aber weiterhin aktuell, so werden nicht nur die schorfresistenten Sorten getestet, sondern auch die im Anbau diskutierten Neuheiten, wie z. B. Kanzi®, Mairac®, Diwa®, Jazz®, Cameo®, Rubens®, oder die roten Mutanten von ‘Pinova’. Ausdünnungsmöglichkeiten, Kulturmaßnahmen, Bewässerung, Schnitt, Erziehungsform und verschiedene Unterlagen werden hierbei getestet (Kelderer und Lardschneider 2004). In der Ertragsregulierung im Bio-Anbau ist eine gezielte Ausdünnung besonders wichtig, insbesondere bei stark Alternanz-anfälligen Sorten, wie ‘Fuji’. Ein häufig getesteter Ansatz ist hierbei auch die mechanische Knospen- bzw. Blütenausdünnung (Kelderer et al. 2009a, 2012).

Fragestellungen zur Bodenpflege und Düngung sind von großer Aktualität, denn die im Handel angebotenen organischen Dünger sind oft nur teuer, zeigen aber ein schlechtes Verhalten der Stickstofffreisetzung im Frühjahr und damit eine unzureichende Stickstoffversorgung des Bodens (Kelderer et al. 2008, 2010).

Ein Sorgenkind des Bio-Anbaus bleiben weiterhin die Pflanzenschutzmittel-Rückstände, denn Abdrift und Überwehung aus konventionell oder integriert geführten Nachbarparzellen passieren häufig und können für den Bio-Anbauer letztlich einen wirtschaftlichen Totalverlust darstellen, wenn seine Produktion mit den Pflanzenschutzrückständen des Nachbarn kontaminiert wird. Hecken geben nicht immer ausreichend Schutz vor Überwehungen.

Der Pflanzenschutz bleibt im Bio-Apfelanbau eine Herausforderung und erfordert immer wieder das Testen von neuen Mitteln, Formulierungen oder Mischungen, wie Kupfer- oder Neem-Präparate, verschiedene Carbonate, sowie auch die Schwefelkalkbrühe gegen den Schorfpilz. Die Tests umfassen aber nicht nur die Wirkung gegen den Schädling oder die Krankheit, sondern auch die Pflanzenverträglichkeit des Wirkstoffes (Kelderer 2007; Kelderer et al. 2009b, 2011; Kelderer und Casera 2010)

Molekularbiologie

Im Dezember 1999 erhielt Josef Dalla Via vom Landeshauptmann Luis Durnwalder die Zusage zur Errichtung eines molekularbiologischen Labors. Nach notwendigen Umbauarbeiten wurde das Labor im Jahre 2001 eingerichtet, die Geräte angekauft und nach einem Probelauf konnte im Jahre 2002 die Forschungsarbeit aufgenommen werden. Der zugesagte Personalstand belief sich auf zwei Vollzeitstellen.

Die erste Herausforderung des neuen Labors war die Implementierung eines Nachweisverfahrens für den Besenwuchs. Der Erreger, ‘Candidatus Phytoplasma mali’, ein zellwandloses Bakterium, ist nicht kultivierbar und damit für die Erforschung schwer erfassbar. Zudem ist der Erreger nicht gleichmäßig in der Pflanze verteilt: er kommt in einem befallenen Baum auf Dauer nur in den Wurzeln vor, während er die oberirdischen Pflanzenteile nur saisonal besiedelt (Schaper und Seemüller 1982; Baric et al. 2011b). Auf Grund von unsachgemäßer Probennahme unterliegt es einem bestimmten Zufall, ob man den Erreger nachweisen kann oder nicht. Auch die Auswahl der Analysemethode hat einen Einfluss auf die Nachweisbarkeit des Erregers. Die bis dahin gängigen immunologischen Methoden waren zu unempfindlich, denn immer wieder mussten eindeutig symptomatische Bäume für den Besenwuchserreger als negativ befundet werden. Blieb also die Polymerasekettenreaktion (PCR) als Nachweistechnik des Apfeltriebsucht-Erregers, und die Überraschung war groß, als wir feststellen mussten, dass die allgemein bisher verwendeten PCR-Methoden a) mit anderen Bakterienarten des Bodens interferierten und damit bezüglich des Nachweises des Erregers falsch positive Ergebnisse lieferten (Baric und Dalla Via 2005) und, b) dass durch Pflanzenstoffe (z. B. phenolische Verbindungen), die im DNA-Extrakt auch vorhanden sind, die PCR-Nachweis-Reaktion selbst gehemmt werden konnte und damit zu falsch negativen Ergebnissen führen konnte (Baric et al. 2006). Es war klar, dass auf solchen Methoden beruhende Ergebnisse weder vertrauenswürdig, noch für eine seriöse Interpretation der Daten zielführend waren – insbesondere als es in Südtirol galt, den Grad der latenten (aber nicht symptomatischen) Infektion durch den Erreger zu bestimmen.

Eine völlig neue Methode wurde deshalb entwickelt: eine duplex TaqMan real-time PCR, wobei ein, die 16S rRNA codierendes Gen-Fragment des Erregers und ein in der Wirts-Pflanze vorhandenes Chloroplasten-Gen gleichzeitig amplifiziert werden (Baric und Dalla Via 2004). Letzteres fungiert als interne analytische Kontrolle, da es immer vorhanden sein muss, damit es eine Aussage über die Qualität der Analyse zulässt und dadurch falsch negative Analysen ausgeschlossen werden können. Die neue Methode bewies eine hohe Zuverlässigkeit, hohe Sensitivität und hohe Spezifität im Nachweis des Erregers. Zusätzlich konnte die Zahl der Arbeitsschritte reduziert werden und damit auch die Möglichkeit geschaffen werden, einen höheren Probendurchsatz zu erzielen (Baric und Dalla Via 2008). Die Nachteile liegen in höheren Geräte- und Verbrauchsmaterialien-Kosten, die allerdings durch geringere Personalkosten wettgemacht werden können (Baric et al. 2004).

Bald reichte aber der alleinige qualitative Nachweis des Phytoplasmas nicht mehr aus. Fragestellungen zur Epidemiologie schoben sich in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit, insbesondere, da viele Fälle an symptomatischen Apfelbäumen dokumentiert wurden, die in den Folgejahren ohne Symptome waren, aber den Erreger immer noch in ihren Wurzeln trugen. Die Frage, ob es einen bestimmten Titer des Phytoplasmas gab, der für die Symptomausprägung verantwortlich ist, rief nach einer Methode der Quantifizierung des Apfeltriebsucht-Phytoplasmas. Die bestehenden Methoden hatten alle die Schwierigkeit, die Erregermenge auf einen bestimmten Bezugspunkt zu beziehen, um eine bessere Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Es ging also um das Finden eines neuen Bezugspunktes, der bereits in der DNA-Probe vorhanden ist und damit von den Abweichungen in der DNA-Ausbeute während des Extraktionsprozesses unabhängig wird. Dies konnte nun dadurch erreicht werden, dass das 16S rRNA Gen-Fragment des Erregers zu einem Single-Copy-Gen der Wirtszelle in Bezug gesetzt wird. Beide Gene werden im selben Analysenansatz gleichzeitig analysiert und über eine Standardkurve kann die Anzahl der Genome des Erregers pro Anzahl vorhandener Wirtszellen (durch das Single-Copy-Gen definiert) bestimmt werden. Damit ist eine klare Aussage über die Anzahl der Erreger pro Wirtszelle möglich – für ein obligates endoparasitisches Bakterium, wie die Phytoplasmen, der treffendste Bezugspunkt (Baric et al. 2011b). Die Methode wurde inzwischen dermaßen weiterentwickelt, dass die arbeitsintensive Erstellung und Analyse von Standardkurven nicht mehr notwendig ist (Baric 2012b).

Neben Routineanalysen zu Schaderregern, der Identifikation und Typisierung von Pathogenen – oft in enger Zusammenarbeit mit dem Pflanzenschutzdienst Südtirols und dem Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau – hat das molekularbiologische Labor auch in vielen anderen Bereichen der Südtiroler Landwirtschaft Forschungsthemen bearbeitet und neue Methoden entwickelt. So war das Labor an der Aufklärung des ‘Weißen Hauchs’ im Obstbau beteiligt (Baric et al. 2010b) oder an der Bestimmung und Typisierung der Schwarzholz-Phytoplasmen im Weinbau zum besseren Verständnis der Epidemiologie (Berger et al. 2009a, b).

In mehreren internationalen Projekten wurde auch die Genotypisierung und Charakterisierung von alten Apfelsorten vorangetragen, die eine wichtige Gen-Ressource für Südtirol darstellen (Baric et al. 2008b; Baric 2012a; Storti et al. 2012), aber auch Fragestellungen der Berglandwirtschaft wurden bearbeitet, bis hin zum Artenschutz und der Genotypisierung von Fischen und Flusskrebsen (Baric et al. 2005; Meraner et al. 2007). Von den anfangs genehmigten zwei Vollzeitstellen ausgehend, wurde über eingeworbene Drittmittel eine Arbeitsgruppe von zwischenzeitlich bis zu 12 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufgebaut (Abb. 13).

Abb. 13
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Die Arbeitsgruppe Molekularbiologie (31.5.2007)

Der Erfolg vieler Untersuchungen zum Besenwuchs, wie auch vieler anderer Fragestellungen der Südtiroler Landwirtschaft, beruhte auf der Entwicklung sensitiver und spezifischer Analysenmethoden, aber auch in der intelligenten Detektivsarbeit und der forschenden Neugier in Zusammenarbeit mit vielen Kollegen und Kolleginnen aus anderen Fachbereichen. Molekularbiologische Techniken werden in der heutigen landwirtschaftlichen Forschung häufig immer noch als „(Hilfs-)Labor-Untersuchungs-Methoden“ abgetan. All jene Institutionen, die in der Molekularbiologie keine eigene Wissenschaft sehen (wollen), werden in ihrem „Restaurant“ nicht über eine Kochrezept-Küche hinauskommen, die Virtuosität eines Haubenkoches nie erreichen und den Entwicklungen immer hinterherhinken. Das Verdienst, das molekularbiologische Labor aufgebaut zu haben, und mit detektivischer Akribie die interessanten Fragestellungen verfolgt zu haben, gebührt an dieser Stelle Frau Sanja Baric und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ausblick

Die infrastrukturelle Weiter-Entwicklung

Der eingangs erwähnte „Stadlhof“ in der Gemeinde Pfatten war ursprünglich im Besitz des Grafen Josef von Thun und mit Beschluss vom 19. Jänner 1891 genehmigte der Landtag der Gefürsteten Grafschaft Tirol die Errichtung einer Besserungsanstalt für gefährdete und schwer erziehbare Jugendliche. 1907 wurde die „Landwirtschaftliche Erziehungsanstalt Stadlhof“ für ‘sittlich verwahrloste’ deutschsprachige, männliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren eröffnet (Egger 1999; UIBK 2009). 1924 wurde die Anstalt geschlossen, 1938 aber wieder als Außenstelle des Psychiatrischen Krankenhauses Pergine (Provinz Trient) geöffnet, und zwar als „Landwirtschaftliche Siedlung für ruhige Geisteskranke“. 1963 ging die Führung des „Landesinstitutes für Psychiatrische Arbeitstherapie“ an die Provinz Bozen über. Mit der Psychiatriereform in Italien („Basagliareform“, Gesetz Nr. 180 vom 13.5.1978) sollten psychisch Kranke nicht mehr länger isoliert und weggesperrt werden und deshalb alle psychiatrischen Anstalten in Italien geschlossen werden. „Stadlhof“ wird erst zwanzig Jahre später, 1999, geschlossen.

Bereits 2000 gibt die Südtiroler Landesregierung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, um aus dem aufgelassenen Areal „Stadlhof“ ein Zentrum der landwirtschaftlichen Forschung und Ausbildung zu machen. Es ist geplant, die Labors der Boden-, Blatt- und Fruchtanalytik, die Rückstandsanalytik, die Labors der Molekularbiologie, der Lebensmittelanalytik und die Genbank des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg in diesem Neubau unterzubringen. Hinzu kommen Werkstätten, Kurs- und Lehrräume der Fachschule für Obst-, Wein-, und Gartenbau Laimburg, wie auch der Fachschule mit italienischer Unterrichtssprache, der ‘Scuola professionale provinciale per la frutti-viticoltura e il giardinaggio. Ein Zubau mit Labors, Lagermöglichkeiten, einem Hörsaal und Büros der Freien Universität Bozen sind ebenfalls vorgesehen. Ein europäischer Architekturwettbewerb wurde 2004 ausgeschrieben (LPA 2004), allerdings verzögert sich der Baubeginn auf Grund der archäologischen Grabungen im Bauareal: Eine ausgedehnte eisenzeitliche Siedlung mit zahlreichen Häusern der Räter aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. wird gefunden und die Grabungen werden erst 2012 abgeschlossen (LPA 2012). Erst Anfang 2012 wird das ursprüngliche „Verwaltungsgebäude Stadlhof“ abgerissen, sodass die Baugrube errichtet werden kann.

In diesem neuen, rund 50.000 m3 großen Bauvolumen liegt das zukünftige Potential der Südtiroler Landwirtschaftlichen Forschung, denn es stellt einen auf engsten Raum vereinten Pool an bestehenden und neuen Infrastrukturen dar, die aus dem Standort ‘Laimburg’ ein Zentrum der landwirtschaftlichen Forschung, wie auch der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung machen.

Die inhaltliche Weiter-Entwicklung

Das Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg ist das führende Forschungszentrum für die Südtiroler Landwirtschaft und sieht sich in der Vorreiterrolle als Ideenschmiede und Zugpferd für das Wohl derselben (VZLB 2003). An die 400 Projekte und Tätigkeiten, darunter die meisten mehrjährig, werden vom Versuchszentrum Laimburg bearbeitet. Viele Detailprobleme der Praxis werden genauso behandelt, wie in vielen Bereichen oft erst die Grundlagen ausgearbeitet werden müssen – eine ständige Gratwanderung zwischen praxisorientierten Versuchen, angewandter Forschung und Grundlagenforschung. Es ist aber auch wichtig, dass die Südtiroler Landwirtschaft sich in den bearbeiteten und zu bearbeitenden Themen und Projekten wiederfindet, ansonsten geht der enge Kontakt zwischen Landwirtschaft und Forschung verloren – vor allem, wenn sich alle Beteiligten in nichtssagenden, allesumfassenden Verallgemeinerungen verlieren.

Die Gratwanderung zwischen Dienstleistung und Forschung war dem Versuchszentrum Laimburg schon in die Wiege gelegt, der Dienst am Territorium ein Auftrag, der Weitblick für neue Entwicklungen gefordert, der Dank des Territoriums nicht immer sicher – aber oft mit überraschender Offenheit Tadel, aber auch große Anerkennung und Würdigung der Leistung. Die uneingeschränkte Identifikation der Mitarbeiter/innen mit dem „Unternehmen Laimburg“ war und ist das höchste Kapital dieser Forschungsstätte seit ihrer Gründung. Dieses gilt es zu erhalten: „Laimburger“ zu sein, wurde als Auszeichnung verstanden.

In Zukunft wird das Versuchszentrum Laimburg, auch um Ressourcen und Kräfte effizient zu bündeln, eine inhaltliche Konzentration auf vier große und besonders wichtige Kernthemen vornehmen (Oberhuber 2011; Berger und Oberhuber 2011):

  1. a.

    Pflanzengesundheit: Nur eine gesunde Pflanze, die optimal an ihren Standort angepasst ist, gewährleistet eine ertragreiche und qualitativ hochwertige Produktion unter sparsamen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

  2. b.

    Qualität: Ziel ist eine gezielte Produktion von Qualität in der Landwirtschaft und deren Erhaltung während der Lagerung und Verarbeitung.

  3. c.

    Sorten und Agrobiodiversität: Nur perfekt angepasste, sorgfältig ausgewählte Sorten ermöglichen maximalen Ertrag bei hoher Qualität und geringem Aufwand an Pflanzenschutzmitteln.

  4. d.

    Höhenlage Berg: Als Chance und Herausforderung ermöglichen die unterschiedlichen Höhenlagen in Südtirol die Produktion einer besonderen Berg-Qualität und erlauben die Nutzung der unterschiedlichen Vegetationsperioden in höheren Lagen als Nischen.“

In Zukunft werden Themen – wie gezielter Pflanzenschutz, Reduzierung der (Mehrfach)Rückstände, ökokompatible, umweltfreundliche und nachhaltige Produktion – die landwirtschaftliche Forschung im Obstbau, nicht nur in Südtirol, beschäftigen. Das Sorten-Karussell wird sich weiter und schneller drehen, der Boden als Ressource gewürdigt und die Bodenmüdigkeit besiegt werden müssen. Der Klimawandel zeigt seinen Schatten immer schärfer: neue Schädlinge werden einwandern, alte Schädlinge werden sich anpassen, ihr Verhalten, ihre Entwicklung und ihren Lebenszyklus ändern, Wasserressourcen werden optimiert werden müssen, Strategien geändert oder neu entwickelt werden – und im Gegenzug wird sich das Apfel-Anbaugebiet in höhere Lagen bis 1.000 m Meereshöhe ausweiten, oder in völlig neue Regionen vordringen (Mals im Vinschgau, Dietenheim bei Bruneck).

Neue Methoden werden in die obstbauliche Forschung Einzug halten. Mussten unsere Obstbauern im letzten Jahrzehnt die „PCR“ verstehen lernen, so werden es im nächsten die „omics“ und „metas“ sein: Genomics, Proteomics, Metabolomics und Meta-Genomics. Intelligente Lösungen, auch in der Molekularbiologie, werden gesucht werden müssen, um die obgenannten Probleme zumindest teilweise lösen zu können (Dalla Via und Baric 2007).

Auch wird die Landwirtschaft selbst Begleitmaßnahmen setzen müssen, wenn sie Verständnis in der Bevölkerung für ihre Intensiv-Anlagen und -Produktion finden will, denn so, wie der Strom aus der Steckdose kommt, das Schnitzel und das Fischfilet aus der Tiefkühltruhe und alle Kühe lila sind – so werden in Zukunft die Äpfel in den praktischen grünen Plastikkisten im Supermarkt wachsen. Es wird für den Obstbauern in Zukunft immer schwieriger werden, die steigenden Qualitätsansprüche des Konsumenten zu befriedigen und dies im extensiven Streuobstbau zu erreichen.

Ein Forschungszentrum allein wird dies nicht mehr schaffen. Es gilt Allianzen zu schmieden, Absprachen in der Versuchsplanung zu treffen, Informationen auszutauschen, gemeinsame Schwerpunkte zu setzen und die eingesetzten Ressourcen zu optimieren. Das EUFRIN-Netzwerk mit seinen Arbeitsgruppen bietet hierzu eine geeignete Plattform (European Fruit Research Institutes Network). Trotzdem müssen diese Forschungsinstitute am Puls des Territoriums tätig bleiben und es ist bezeichnend, dass überall in den erfolgreichen Obstbauregionen nichtuniversitäre Forschungszentren zum langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der Region beigetragen haben und beitragen, ob dies nun beispielhaft die Fondazione Mach in San Michele all’Adige im Trentino, Agroscope Changins-Wädenswil in der Schweiz, das Landwirtschaftliche Versuchszentrum Haidegg in Österreich, das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee in Bavendorf in Süddeutschland, oder das Esteburg-Obstbauzentrum in Jork in Norddeutschland sind.

In der Zukunft der obstbaulichen Forschung werden wir verstärkt Zusammenhänge und Mechanismen aufklären müssen – vom Molekül bis zu den biologischen Grundlagen. Die Zeit des „Probierens“ ist vorbei: wir brauchen eine anwendungsorientierte Grundlagenforschung, um unseren Produkten eine höhere Qualität als Mehrwert mitgeben zu können (Dalla Via 2007).