1 Einleitung

In den letzten Jahren ist eine zunehmende Etablierung eines pädagogisch geprägten Zugriffs auf die gestaltbare Seite der Organisation bzw. auf die konkreten Möglichkeiten und Grenzen produktiver Bearbeitung organisationaler Veränderungsprozesse durch organisationales Lernen deutlich erkennbar (vgl. u. a. Rosenbusch 2005; Göhlich u. Tippelt 2008). Dieser unter der Bezeichnung „Organisationspädagogik“ (vgl. etwa Geißler 2000) geführte Diskurs wird bestimmt durch Fragen „nach der Spezifik organisationalen Lernens, nach dessen bildendem Gehalt, nach dem Verhältnis individuellen, kollektiven und organisationalen Lernens, nach Ressourcen und Hindernissen sowie nach Formen der Unterstützung solcher Lernprozesse“ (AG-Antrag 2006, S. 3). Es geht folglich um Theorie und Praxis der Unterstützung bzw. der Ermöglichung und Kultivierung von Lernprozessen (vgl. Göhlich 2005, S. 15), wobei sich das Augenmerk nicht mehr (nur) auf Bildung und Erziehung von Individuen beschränkt, sondern zentral auf die Erforschung und Unterstützung von Lernprozessen von Teams und Organisationen gerichtet ist (vgl. AG-Antrag 2006, S. 9). Betrachtungs- und Reflexionsgegenstand werden dabei die jeweils in einer Organisation unterschiedlich bestehenden Wirklichkeitssichten, Verhaltens- und Kommunikationsmuster, die „im systemischen Zusammenspiel der Organisationsmitglieder entwickelt und gewohnheitsmäßig eingespielt werden“ (Dollhausen 2007, S. 6). Insbesondere zielt das organisationspädagogische Interesse auf die entwicklungsgerichtete Bearbeitung bzw. produktive Nutzbarmachung dieses Zusammenspiels durch die konkrete Gestaltung organisationaler Dimensionen wie z. B. strukturelle, strategische oder kulturelle Ausprägungen.

Obwohl die Ermöglichung und Unterstützung von Lernprozessen eine originär pädagogische Aufgabe darstellt, ist das pädagogische Wissen um organisationale Lernprozesse und deren Hindernisse und Gestaltungsmöglichkeiten noch vergleichsweise gering (vgl. Göhlich u. Tippelt 2008, S. 633). Es gilt also vonseiten einer pädagogischen Organisationsforschung zu hinterfragen, inwieweit und – vor allem – wie bewusste Gestaltungen der angesprochenen organisationalen Dimensionen individuelle, kollektive und insbesondere organisationale Lernprozesse auslösen bzw. begünstigen.

An dieser Stelle setzt der vorliegende Aufsatz an, indem exemplarisch für den Bereich der Erwachsenenbildung aufgezeigt wird, durch welche konkrete Organisationsgestaltung Lernprozesse in und von Organisationen initiiert und gefördert werden können. Hintergrundthese ist dabei, dass beeinflussbare Gelingensbedingungen organisationaler Lern- und Entwicklungsfähigkeit organisationsübergeordnet existieren und dass sich diese Bedingungen empirisch identifizieren lassen.

Um diese These zu bearbeiten, soll folgendermaßen vorgegangen werden: Zunächst wird im zweiten Kapitel im Sinne einer einführenden thematischen Kontextualisierung des Aufsatzes der Frage nach Konzepten und Ansätzen der Gestaltbarkeit von Organisationen nachgegangen. Ziel ist dabei nicht eine umfassende Aufarbeitung der Thematik oder gar eine ganzheitliche Darstellung der Entwicklung der Organisationstheorie, sondern das pointierte Aufzeigen übergeordneter Entwicklungslinien unter exemplarischer Betrachtung des Weiterbildungsbereichs, um so den Blick auf organisationspädagogische Ansätze zu richten. Im dritten Kapitel werden dann zentrale Ergebnisse einer aktuellen empirischen Studie zum organisationalen Lernen von Weiterbildungseinrichtungen vorgestellt (Feld 2007). Durch die Studie konnte ein Anforderungsprofil einer lernenden Weiterbildungsorganisation mit detaillierten Anforderungsdimensionen und -ausprägungen beschrieben werden. Das Anforderungsprofil verdeutlicht dabei Handlungsoptionen und -aufgaben von Akteuren mit einem auf die konkrete Organisationsgestaltung bezogenen hohen Entscheidungs- und Handlungsspielraum (z. B. Einrichtungsleiter, Organisationsberater). Als bedeutsam stellten sich dabei die Anforderungsdimensionen der Organisationsführung, -strategie, -strukturen, -kulturen, der Kernkompetenzen, des Umgang mit Wissen und die des Umweltbezugs einer Weiterbildungseinrichtung heraus. Der Aufsatz schließt mit dem vierten Kapitel, in dem in einem Ausblick die Ergebnisse der Studie unter einer professionstheoretischen Deutungsperspektive diskutiert werden.

2 Konzepte und Ansätze zur (pädagogischen) Gestaltung und Entwicklung von Organisationen

Die (Weiter-)Entwicklung von Organisationen wurde bis in die 1960er-Jahre – in der Tradition linearkausalen Denkens – als rein planerisches Problemfeld aufgefasst, bei der Veränderungen insbesondere aufgrund von Anordnungen erfolgten. Es ging um Planung und Entscheidung einer Neuerung, deren Umsetzung dann als problemlos galt (vgl. Göhlich 2007, S. 222). Gefühle und Bedürfnisse der Organisationsmitglieder wurden weder als entwicklungsförderliche noch -hinderliche Einflussfaktoren bedacht. Die Begrenztheit einer solchen Sichtweise auf die (produktive) Gestaltbarkeit eines organisationalen Wandels zeigte sich dann spätestens durch die zunehmende Etablierung des Ansatzes der Organisationsentwicklung (OE) seit den 1960er-Jahren (vgl. u. a. Becker u. Langosch 2002; Gairing 2002).

Die Organisationsentwicklung – deren Entstehung insbesondere auf die Arbeiten Kurt Lewins zum Feedback und zur Gruppendynamik zurückgeht – richtet sich dabei mit einem prozessorientierten Vorgehen auf die parallele Zielerreichung der Effektivitäts- und Humanitätssteigerung. Im Mittelpunkt dieser verhaltenswissenschaftlich ausgerichteten Konzeption stehen demnach die vom Wandel betroffenen Individuen oder Gruppen, die unter (einer meist externen) Begleitung einen partizipativ-problembezogenen Veränderungsprozess bearbeiten (vgl. Vahs 2005, S. 328). Trotz vielfältiger Erfolge und einer breiten Anerkennung unterlag die Organisationsentwicklung schon seit ihren Anfängen zahlreicher Kritik. Bemängelt wurden u. a. eine unzureichende theoretische Begründung sowie der unrealistische Glaube, Produktivität und Menschlichkeit gleichermaßen umsetzen zu können. So konstatiert Rieckmann bereits Anfang der 1990er-Jahre, dass die „klassische“ humanistisch-emanzipatorische und „normative Organisationsentwicklung“ ihres uneinlösbaren Anspruchs bezüglich Integration und Harmonie „überführt“ wurde (Rieckmann 1994, S. 138).

Betrachtet man die Diskussion um die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit von Organisationsentwicklung, so lässt sich feststellen, dass die Kritik zunehmend schärfer und grundlegender geworden ist (vgl. u. a. von Rosenstiel et al. 2005, S. 401 f.). Der fundamentalste Kritikpunkt zielt auf das überholte Verständnis bezüglich Organisation und Wandel (vgl. z. B. Schreyögg 1999). Zu Beginn der Organisationsentwicklung wurden Organisationen als starr, bürokratisch und hierarchiebetont betrachtet. Probleme entstanden hauptsächlich durch die strukturbedingten Kommunikations- und Entscheidungsproblematiken sowie durch die „Unterdrückung“ von Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Das Verständnis von Wandel beruhte dabei auf relativ stabilen Organisationsverhältnissen, die sich in Organisationsumwelten reproduzieren können, die langsame, evolutionäre Anpassungsprozesse an veränderte Überlebensbedingungen zulassen. Umwelteinflüsse spielten demnach in dem ursprünglichen Wandelverständnis der klassischen Organisationsentwicklung eine eher geringe Rolle.

Die Thematik des organisationalen Lernens kann dann u. a. aufgrund dieser Kritikpunkte als eine Weiterentwicklung der Organisationsentwicklungs-Konzeption verstanden werden (vgl. Feld 2007, S. 64).

Zum einen wird in den entsprechenden Ansätzen des organisationalen Lernens versucht, über die Ebene des individuellen Lernens hinaus das Lernen der gesamten Organisation zu fokussieren, wie z. B. bei March u. Olsen (1975), die durch einen vollständigen Zyklus des Wahlverhaltens die Hürde eines multipersonalen Entscheidungsprozesses überwunden sehen.Footnote 1 Zum anderen wird bei den Ansätzen der lernenden Organisation von einem differenzierteren Wandelverständnis als bei der klassischen Organisationsentwicklung ausgegangen. Die Besonderheit liegt hier in der Überzeugung, dass Veränderungen nie wirklich abgeschlossen sind oder als Sonderfall bestehen, sondern vielmehr als ein Normalfall, der zwar permanenter Bearbeitung bedarf, dessen Steuerung allerdings nur indirekt durch die Gestaltung der organisationalen Rahmenbedingungen möglich ist.

Die hier bewusst nur kurz skizzierten Ausschnitte von Entwicklungslinien zur geplanten Gestaltung organisationalen Wandels wurden allerdings weniger aus erziehungswissenschaftlicher, sondern vornehmlich aus organisationssoziologischer, psychologischer und zum Teil betriebswirtschaftlicher Perspektive begründet.Footnote 2

Das Verhältnis zwischen Organisation und Pädagogik bzw. zwischen der Organisation pädagogischen Handelns und dem Anliegen der Erziehung und Bildung lässt sich dagegen mit Rückblick auf die Vergangenheit als eher widersprüchlich oder gar schwierig charakterisieren (vgl. u. a. Terhart 1986; Fuhr 1994), wobei das schwierige Verhältnis insbesondere der Dominanz bürokratietheoretischer Erklärungs- und Beschreibungsmuster in der Organisationssoziologie angelastet wurde (vgl. Kuper 2001, S. 84 f.).

Seit den 1980er-Jahren entspannte sich dieses Verhältnis und es kam zu einer langsamen Öffnung der Erziehungswissenschaft gegenüber Fragen der organisationalen Veränderung und der Organisationsentwicklung (vgl. u. a. Schäffter 1981). Diese Öffnung war allerdings nur nachrangig darin begründet, einen (verspäteten) Anspruch auf die Theoriegestaltung des Organisationswandels zu stellen, als vielmehr darin, dem steigenden organisationalen Veränderungsdruck, dem viele Bildungseinrichtungen infolge gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse unterlagen, gerecht zu werden.

Exemplarisch lässt sich dies am Beispiel der Erwachsenenbildung zeigen, bei der es gegenwärtig kaum noch eine Einrichtung gibt, die sich „sowohl aus inhaltlichen wie auch aus materiellen Gründen nicht im Prozess einer grundlegenden Organisationsveränderung befindet“ (Meisel 2006, S. 200). Die organisationalen Veränderungen betreffen dabei z. B. die Änderung von Betriebsgrößen, Rechtsform, Binnendifferenzierung in Aufgabenbereiche oder einen verstärkten Zwang zur Ressourcenkontrolle (vgl. Schäffter 2003, S. 59 f.). Hinzu kommen unterschiedliche Formen von Einrichtungsfusionen, pädagogischen Neupositionierungen oder Netzwerkbildungen (vgl. von Küchler 2007).

Vor diesem Hintergrund stiegen seit den 1990er-Jahren die erwachsenenpädagogisch orientierten Forschungen zur Erkundung, Erklärung und insbesondere zur praktischen Bearbeitung von Organisationsphänomenen in der Weiterbildung, wobei anzumerken ist, dass die einzelnen Arbeiten insgesamt noch recht losgelöst voneinander bestehen (vgl. Dollhausen 2007, S. 2 ff.). Dennoch ist unter einer entwicklungsorientierten Betrachtung in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren seitens der organisationsbezogenen Weiterbildungsforschung ein verstärkter Rückgriff auf Konzepte des organisationalen Lernens erkennbar (vgl. u. a. Geißler 1995; Arnold u. Weber 1995; Arnold 2000; Dollhausen u. Nuissl 2007).

Erklärbar wird dies u. a. aufgrund der Tatsache, dass bisherige, eher auf einem mechanistischen Weltbild und einem überholten Wandel- und Organisationsverständnis beruhende Veränderungskonzepte an Grenzen stoßen, gleichzeitig aber der Bedarf nach einer wissenschaftlich reflektierten sowie empirisch-fundierten Auseinandersetzung mit Fragen einer effizienteren und effektiveren Organisationsgestaltung sowie daraus entstehenden konzeptionellen Alternativen ungebrochen fortbesteht. Der Bedarf richtet sich dabei insbesondere auf die Identifizierung von Gelingensbedingungen organisationalen Lernens sowie auf die Eruierung von Handlungsoptionen zur Gestaltung lernender (Weiterbildungs-)Organisationen. Organisationspädagogisch ausgerichtete Forschungen richten ihren Fokus daher primär auf die Frage nach der optimalen Unterstützung des organisationalen Lernens, wobei auch die Identifizierung und Überwindung lernhemmender Faktoren impliziert wird.

3 Die Weiterbildungseinrichtung als „lernende Organisation“: empirische Einblicke

Die folgend vorgestellte Studie greift diesen Fokus auf. Konkret ging es darum, empirisch zu klären, durch welche Organisationsgestaltung öffentliche Weiterbildungseinrichtungen ihre organisationale Lern- und Entwicklungsfähigkeit erhalten bzw. ausbauen können. Ziel der Arbeit war das Entwickeln eines auf die Organisation bezogenen idealtypischen Anforderungsprofils mit einer dezidierten Charakterisierung von Anforderungsdimensionen und -merkmalen. Das Anforderungsprofil bündelt schließlich die für das organisationale Lernen förderlichen Vor- und Rahmenbedingungen in sieben verschiedene Dimensionen (vgl. auch Kap. 3.2).

3.1 Forschungsprozess und Methodik

Vollzogen wurde ein dreischrittiger Forschungsprozess (vgl. Abb. 1), bei dem sowohl ein theoretischer, ein empirischer als auch ein entwicklungsorientierter Zugang zur Anwendung kamen.

Abb. 1
figure 1

Forschungprozess

Im ersten Forschungsschritt wurden theoretische Ansätze zum organisationalen Lernen bezüglich ansatzübergreifender Merkmale und Gelingensbedingungen einer lernenden Organisation anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 2003) untersucht. Aus der Vielzahl der bestehenden theoretischen Ansätze (vgl. Pawlowsky u. Neubauer 2001, S. 266) wurden fünf Ansätze ausgewählt, die zum einen die Entstehung und Förderung organisationaler Lernprozesse unterschiedlich begründen (perspektivische Unterschiedlichkeit) und zum anderen gleichzeitig eine für die gesamte Diskussion zum organisationalen Lernen hohe Bedeutung und Rezeption aufweisen (Etablierung und Relevanz). Aufgrund dieser Kriterien wurden folgende Ansätze ausgewählt und analysiert:Footnote 3

  • der Ansatz von March u. Olsen (1975) zur Verbesserung des individuellen Entscheidungs- und Wahlverhaltens in Organisationen als Vertreter einer entscheidungsorientierten Perspektive,

  • der Ansatz von Argyris u. Schön (1978) zur Weiterentwicklung der handlungsleitenden Theorien durch kritische Untersuchung, Abgleichung und gegebenenfalls Korrektur gewohnter Denk- und Handlungsweisen als Vertreter einer Action-Learning-Perspektive,

  • der Ansatz von Schein (1985) zur Thematisierung und Entwicklungsfähigkeit der Kultur in einer Organisation als Vertreter einer Kulturperspektive,

  • der Ansatz von Nonaka u. Takeuchi (1995) zur Explizierung impliziten Wissens durch qualitativen und quantitativen Ausbau der organisationalen Wissensbasis als Vertreter einer kognitiven – und Wissensperspektive,

  • der Ansatz von Senge (1990) zum Systemdenken als Kern von fünf Disziplinen einer lernenden Organisation als Vertreter einer systemtheoretischen sowie eklektischen Perspektive.

Aus den fünf Ansätzen zum organisationalen Lernen ließen sich in zusammengeführter und verdichteter Form erste Hinweise auf übergreifend bestehende Anforderungsbereiche bzw. Handlungs- und Gelingensbedingungen einer lernenden Organisation ableiten. So wird u. a. deutlich, dass die Herausbildung organisationaler Lernprozesse spezifische Anforderungen an verschiedene Aggregationsebenen (Individuen, Teams/Gruppen, Gesamtorganisation) stellt, dass von einem differenzierten Lernprozess mit unterschiedlichen Lernniveaus auszugehen ist, dass besondere Anforderungen an die Führungs- bzw. Leitungsebene, an eine kollektiv getragene Vision und an die Reflexions- und Innovationsfähigkeit der Organisation gestellt werden. Zudem konnten Hinweise erfasst werden, die auf besondere Anforderungen an die Organisationskultur, die organisationsinternen Kommunikationsprozesse, die Wissensverarbeitung sowie an den Umgang mit Umweltreizen hindeuten. Diese Ergebnisse dienten dann in ihrer wichtigsten Funktion als Anhaltspunkte zur Erstellung des Gesprächsleitfadens für die Interviews der zweiten Forschungsphase.

Im zweiten Forschungsschritt ging es um die Erfassung der Handlungs- und Gelingensbedingungen aus der Perspektive von Experten sowie um die Diskussion der Ergebnisse des ersten Forschungsschritts in einem auf Weiterbildungseinrichtungen bezogenen Kontext. Dabei wurden sowohl eine innerorganisationale als auch eine außerorganisationale Perspektive erschlossen. Die Rekonstruktion eines organisationalen Innenblicks auf eine lernende Weiterbildungsorganisation erfolgte durch Interviews mit Einrichtungsleitungen (in der Regel die Leitungen von Volkshochschulen), die Rekonstruktion eines organisationalen Außenblicks durch Interviews mit Wissenschaftlern und Beratern, die sich einschlägig mit Themen des Organisationswandels in der Weiterbildung beschäftigten, allerdings keiner Weiterbildungseinrichtung als Mitglied angehörten. Insgesamt wurden 24 Interviews durchgeführt, je zwölf mit Vertretern der inner- sowie der außerorganisationalen Perspektive. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet und transkribiert, sodass schließlich als Datenbasis die Verschriftlichung von ca. 30 Stunden Gesprächsaufzeichnung vorlag.

Ein Rückgriff auf qualitative Experteninterviews zur Rekonstruktion subjektiver Sichtweisen liegt in der zugrunde gelegten Auffassung begründet, dass Organisationen sich nicht als objektives Faktum betrachten lassen, sondern als sozial konstruierte, subjektiv differierende Realitäten, die nur „in den Köpfen“ relevanter Individuen (u. a. Organisationsmitgliedern) existieren (vgl. Berger u. Luckmann 1990).Footnote 4

Im Kontext von Interviewuntersuchungen die „richtigen“ Experten auszuwählen, gilt als ein methodisches Hauptproblem (vgl. Häder u. Häder 2000, S. 18 f.). Zurückgegriffen wurde auf den Expertenbegriff von Bogner u. Menz (2005, S. 46). Die Kriterien für die Auswahl der Experten aus der außerorganisationalen Perspektive waren dabei neben der Nicht-Zugehörigkeit zu einer Weiterbildungsorganisation auch das Aufweisen relevanten Fach- oder Sonderwissens, insbesondere von Praxis- und Handlungswissen, sowie eine Möglichkeit zur zumindest partiellen Durchsetzung der eigenen Orientierungen. Für die innerorganisationale Perspektive wurden Personen als Experten definiert, die Mitglieder einer Weiterbildungseinrichtung sind und die in diesem Praxiszusammenhang maßgeblich an der organisatorischen Gestaltung und Entwicklung der jeweiligen Organisation beteiligt sind. Die Wahl fiel dabei auf Personen aus der höchsten Führungsebene der Einrichtungen. Die Leitungen von Weiterbildungseinrichtungen besitzen relevantes Sonderwissen, insbesondere Praxis- und Handlungswissen zu den Themenbereichen Organisationsgestaltung und -wandel, Qualitätsmanagement, Personalentwicklung, Bildungsmanagement usw., und sind aufgrund ihrer Position in der Lage, eine zumindest partielle Durchsetzung ihrer Orientierungen zu verwirklichen.

Im dritten Forschungsschritt wurden dann die Ergebnisse der ersten beiden Phasen auf einer übergeordneten Ebene in ein idealtypisches Anforderungsprofil einer lernenden Weiterbildungsorganisation integriert, indem übergreifend bestehende Anforderungsdimensionen und -ausprägungen sowie zentrale Gelingensbedingungen organisationaler Lernprozesse zusammengefasst werden konnten. Die Auswertung erfolgte auf Grundlage einer am spezifischen Erkenntnisinteresse und am vorliegenden Datenmaterial ausgerichteten qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. z. B. Mayring 2003) mit dem Ziel, „das Überindividuell-Gemeinsame [der Interviews; T. C. F.] herauszuarbeiten, Aussagen über Relevanzstrukturen, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und Deutungsmuster zu treffen“ (Meuser u. Nagel 2005, S. 80). Konkret erfolgte die Auswertung zunächst für beide Perspektiven parallel in einem mehrstufigen Schleifenprozess von Kategorienbildung über die Codierung einzelner Textteile zur thematischen Zuordnung der Textteile zu Subkategorien. Die Kategorienbildung erfolgte „mischförmig“, d. h. deduktiv und induktiv, indem zum einen Kategorien anhand des Gesprächsleitfadens (und somit der ausgewerteten Theorien organisationalen Lernens) definiert wurden und zum anderen durch eine Kategorienbildung aus dem erhobenen Material heraus. Die Aufhebung der Sequenzialität der einzelnen Interviews führte zu einer Reduzierung des Materials, nicht aber dazu, dass der Sinngehalt der einzelnen Interviews außer Acht gelassen wurde. Sowohl bei der Codierung als auch bei der späteren Auswertung wurde kontinuierlich ein Rückbezug zur inneren Logik der einzelnen Interviews beachtet. Die inhaltlich strukturiert und verdichtet vorliegenden Textpassagen in den einzelnen Kategorien und Subkategorien wurden dann zur Rekonstruktion der forschungsrelevanten Wirklichkeitsbereiche zunächst jeweils getrennt für die Interviews der inner- sowie der außerorganisationalen Perspektive interpretiert, bevor dann das Überindividuell-Gemeinsame im Anforderungsprofil zusammengefasst wurde. Bei der abschließenden Verschriftlichung wurden die Ergebnisse dann durch prägnante Interviewzitate ergänzt.

3.2 Anforderungsprofil an lernende Weiterbildungsorganisationen

Aus den Ergebnissen wurde deutlich, dass organisationale Lernprozesse vor allem dann entstehen, wenn es der Organisation kontinuierlich gelingt, die „mentalen Modelle“ der Individuen sowie die individuellen und kollektiven Lernergebnisse und Lernerfahrungen – unter Einbezug relevanter Umwelteinflüsse – durch systemumfassende, kollektive Reflexionsprozesse dialogisch zu kommunizieren und aus den Resultaten dieser Reflexionsprozesse alternative (bzw. neue) Handlungsoptionen zu transformieren (vgl. Feld 2007, S. 254). Durch organisationales Lernen steigt dann das Problemlösungspotenzial, welches ein soziales System in die Lage versetzt, (komplexe) Veränderungsfaktoren zu antizipieren und in Form von spezifischen Organisationsveränderungen proaktiv zu agieren (und nicht bloß zu reagieren). Eine Organisation entwickelt und verbessert somit ihre Selbststeuerungs- und strukturelle Selbsterneuerungsfähigkeit. Direkt bezogen auf Weiterbildungseinrichtungen trägt dies zur Überlebens- und Leistungsfähigkeit bei. Die qualitative Steigerung von Handlungsalternativen unterstützt die Einrichtungen bei der Erzeugung ihres spezifischen „Produkts“ Bildung, also dem Erstellen und Bereitstellen von Wissen sowie dem Gestalten von Lehr- und Lernarrangements für Erwachsene im Kontext des Lebenslangen Lernens (vgl. ebd.).

Insgesamt konnten sieben Anforderungsdimensionen einer lernenden Weiterbildungsorganisation abgeleitet werden, die sich (beschränkt auf ihre Kernaussagen) wie folgt darstellen lassen:Footnote 5

Die Führung bzw. Leitung einer Weiterbildungseinrichtung nimmt bei der Entstehung und Entwicklung organisationalen Lernens aufgrund eines umfassenden Aufgaben- und Verantwortungsbereichs, des zentralen Informationszugangs sowie der Entscheidungsbefugnis bezogen auf die Organisationsgestaltung eine Schlüsselposition ein. Das Begünstigen und Sicherstellen iterativer organisationaler Lernprozesse lässt sich dabei als eine zentrale Managementaufgabe begreifen, die sich zusammensetzt aus gezielter Förderung der Lernprozesse einzelner Organisationsmitglieder (insbesondere der Selbstorganisations- und Reflexionskompetenzen) sowie der Gestaltung der Gesamteinrichtung als lernendes System, das für das Lernen der Individuen anschlussfähig ist.

Für Einrichtungsleiter bedeutet dies eine Erweiterung des Rollenverständnisses, welches bisher primär das Lernen der Teilnehmenden, nicht aber das der Mitarbeitenden oder gar der Organisation fokussierte. Als „Lern-Manager“ ist die Leitung gefordert, die Rahmenbedingungen für ein optimales Lernen der Mitarbeitenden und der Organisation sicherzustellen. Sie ist in diesem Verständnis nicht nur bezogen auf die eigene Lern- und Arbeitsbereitschaft ein Vorbild für die Mitarbeitenden, sondern zudem in der Rolle als organisationsinterner Lerncoach.

Dabei geht es auch darum, „Sinn“ für notwendige Veränderungsprozesse aufzuzeigen, mögliche Veränderungsängste bei den Mitarbeitern zu reduzieren sowie Sicherheiten zu erzeugen. Dazu exemplarisch die Aussage einer Einrichtungsleitung:

die Mitarbeiter mitnehmen, nicht überfordern, einen Blick darauf haben, wann fange ich an zu überfordern? Wo mache ich Dinge auch ganz bewusst noch nicht, weil es sonst eine Überforderung wäre? Und auch immer wieder relativ offen zu kommunizieren: ‚Wenn bei euch Grenzen erreicht sind, meldet es mir, und dann müssen wir damit umgehen.‘ Da wird dann keinem der Kopf abgerissen oder er wird für unfähig erklärt […] (IP 11/K 3).

Die Führung trennt sich zudem von einem mechanistischen Weltbild und orientiert sich dagegen bei ihren Entscheidungen an systemischen Erkenntnissen, insbesondere an einem ganzheitlich-vernetzten Denken und Handeln. Das heißt: Alle relevanten Variablen der Individuen, Organisation, Umwelt und Zeit werden in ihren Wechselwirkungen und Systemzusammenhängen betrachtet. Um negativ verlaufende Dynamiken zu verringern, ist eine stetige Selbstreflexion der Führung, bezogen auf das eigene (Veränderungs-)Handeln, notwendig.

Bezüglich der Organisationsstrategie – also der grundsätzlichen und langfristigen Ausrichtung – wurde deutlich, dass sie eine handlungsleitende Funktion erfüllen muss: Es ist notwendig, dass sich die Mitarbeiter an gemeinsam erstellten Zielen und Werten – die z. B. im Leitbild zum Ausdruck kommen – orientieren können. Die Strategie bildet sich dabei auf Basis einer Klärung der eigenen Systemidentität durch eine von allen Organisationsmitgliedern kommunikativ-reflexiv geleistete Selbstzuschreibung sowie durch eine übergeordnete institutionelle Verortung, also der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Funktionsbestimmung von Erwachsenenbildung sowie dem „Herunterbrechen“ auf die eigene Einrichtung. Eine unter den Mitarbeitern kongruente Systemidentität, deren Kern ein kollektiv geteiltes erwachsenenpädagogisches Selbstverständnis ist, ermöglicht dann auch bei sich wandelnden Umwelten das Beharren auf Grundelemente der Organisation, bietet Sicherheit und eröffnet so Ansatzpunkte für individuelle und kollektive Reflexionen, aus denen sich neue Handlungsoptionen entwickeln können.

Bezogen auf die Strukturen zeigte sich, dass klassische, fachbereichsförmige Ablauf- und Aufbaustrukturen von Weiterbildungseinrichtungen bei der Förderung organisationaler Lernprozesse an ihre Grenzen stoßen. Zudem verlieren Hierarchie, Zentralisierung, Kontrolle und zerstückelte Aufgabenzuweisungen an Bedeutung gegenüber flexiblen Strukturen, die u. a. durch flache und fluide Hierarchien, Dezentralisierung, Vernetzung und gruppenorientierte Arbeitsformen charakterisiert sind. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Organisations- und Kommunikationsstrukturen den Mitarbeitern Raum für Autonomie, lokale Selbstorganisation, Partizipation, Reflexion und Austausch gewähren, was dann wiederum eine höhere Lern- und Arbeitsleistung, Eigenmotivation und Kreativität fördert. Deutlich wird dies exemplarisch durch eine Äußerung einer Einrichtungsleitung, die auf die Strukturveränderungen der eigenen Einrichtung in den letzten Jahren zurückschaut:

Wir müssen uns bei der Gestaltung der Strukturen eigentlich immer zuerst fragen, ob diese den Anforderungen, die wir an eine moderne Bildungseinrichtung haben und den Notwendigkeiten, die wir auch haben, gerecht wird. Und die Frage nach den geeignetsten Strukturen ist eigentlich eine ganz entscheidende. In den letzten Jahren haben wir hier bei uns […] einiges [an verschiedenen Strukturvarianten; T. C. F.] ausprobiert und kommen doch immer wieder zu dem Schluss, dass nur die Strukturen sinnvoll sind, die den Mitarbeitern ein Höchstmaß an Autonomie bei gleichzeitig hoher Eigenverantwortung ermöglichen. Und Autonomie und Eigenverantwortung werden halt nicht durch Kontrolle, Hierarchie und Ausschluss gefördert. (IP 5/K 4)

Eine lernende Weiterbildungsorganisation stellt bezüglich der Organisationskultur Anforderungen an eine spezifische Lernkultur, die in der Organisation „gelebt“ werden sollte. Die Einrichtungen sind in diesem Kontext nicht gefordert, Lernprozesse für andere zu planen und durchzuführen, sondern es müssen Lernprozesse für die Organisationsmitglieder, also für die Organisation selbst realisiert werden. Voraussetzung dafür ist ein unter den Mitarbeitern verankertes Bewusstsein über die Bedeutung eigenen Lernens für die Leistungs- und Lernfähigkeit der Einrichtung. Das eigene Lernen besitzt somit in der Organisation einen hohen Stellenwert, ist positiv konnotiert und wird durch Anreizsysteme unterstützt. An die einzelnen Mitarbeiter stellt sich die Anforderung, eine hohe Lernbereitschaft und -motivation einzubringen. Die Organisation ist dagegen gefordert, Lernentwicklungs- und Lernunterstützungssysteme (insbesondere strategische Personal- und Potenzialentwicklung) bereitzustellen. Dazu die Aussage einer Einrichtungsleitung:

Bevor wir Lernen für unsere Teilnehmer anbieten, müssen wir selbst lernen. Eine Personalentwicklung, die nicht nur die Defizite aufgreift, sondern im Sinne einer Potenzialentwicklung auch die bereits bestehenden Fähigkeiten weiter fördert, ist dazu unerlässlich. Eine solche [Personalentwicklung; T. C. F.] muss aber zwingend an die strategische Ausrichtung der Einrichtung gekoppelt sein, sonst ist nicht klar, welche Kompetenzen benötigt werden. (IP 7/K 5)

Des Weiteren sind Weiterbildungsorganisationen bei ihrer Leistungserbringung in besonderem Maße auf eine optimale Nutzung der Ressource Wissen angewiesen. Dies zum einen, weil die Kernarbeitsprozesse in einer Bildungseinrichtung in Form von Wissensschaffung durch in der Regel hoch qualifizierte Mitarbeiter vollzogen werden und zum anderen, weil sich die Einrichtungen zunehmend in Konkurrenzsituationen mit anderen Organisationen befinden sowie – um dabei bestehen zu können – einen Wettbewerbsvorteil (erzeugt durch Wissensvorsprung) benötigen. Hier stellt sich die zentrale Anforderung, die „organisationale Wissensbasis“ in einer bewussten Auseinandersetzung und mithilfe eines implementierten strategisch ausgerichteten Wissensmanagements effizient zu nutzen und weiterzuentwickeln. Zur Wissensbasis gehören dann so unterschiedliche Bestände wie u. a. die theoretischen und didaktischen erwachsenenpädagogischen Wissensbestände der Mitarbeitenden (auch der Kursleitenden), die jeweiligen Kontaktnetzwerke oder auch die organisationsspezifischen Erfahrungswerte (z. B. von vergangenen Krisenzeiten).

Eine lernende Weiterbildungsorganisation erfordert zudem das Vorhandensein bestimmter Kernkompetenzen, also hervorgehobener, dauerhaft bestehender Fähigkeiten und Eigenschaften einer Organisation und ihrer Mitglieder, die dazu beitragen, individuelle und kollektive Lernprozesse zu realisieren. Kernkompetenzen lassen sich zudem als organisationale Querschnittsaufgabe beschreiben, was bedeutet, dass in der Regel alle organisatorischen Bereiche diese Kompetenzen aufweisen bzw. integrieren. Häufig angesprochen wurden die Kernkompetenzen Flexibilität, Lernfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Qualitätsbewusstsein.

Insbesondere die Reflexionsfähigkeit stellte sich als eine der wichtigsten Komponenten für Prozesse des organisationalen Lernens heraus. Sie bildet quasi den Ausgangspunkt, um Denk- und Handlungsmuster aufzudecken, zu überprüfen und durch Entwicklung alternativer Optionen zu erweitern, um so das Problemlösungspotenzial der Organisation zu steigern. Reflexion meint hier die Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung der Organisation. Kern ist dabei eine systemische Betrachtung von Denk- und Handlungsmustern der Organisationsmitglieder, der daraus entstandenen Entscheidungen sowie deren Auswirkungen für die Gesamtorganisation. Zudem erfolgt eine Thematisierung des individuellen und kollektiven Lernverhaltens mit dem Ziel, Hindernisse und Abwehrmechanismen aufzudecken. Für lernende Weiterbildungsorganisationen geht es somit nicht nur um eine „Produktreflexion“ (z. B. durch Programmevaluationen), sondern auch um eine kritische Hinterfragung der Organisationsgestaltung sowie um eine Verbesserung bestehender Lernprozesse.

Die Entwicklung des Reflexionsprozesses sollte in verschiedenen, aufeinander aufbauenden Schleifen verlaufen, bei denen sich Arbeits- und Reflexionsphasen kontinuierlich abwechseln. Bei den aufbauenden Schleifen wird dann jeweils das Arbeits- und Reflexionsergebnis der vorherigen Schleife erneut reflektiert und gegebenenfalls verändert. Ein solcher Schleifen-Prozess zwischen Arbeits- und Meta-Reflexions-Ebene führt dann in seiner Konsequenz zur Fähigkeit der Selbstreflexion der Organisation. Ein qualitativ hochwertiger Reflexionsprozess ist zudem angewiesen auf die Interaktion mehrerer Personen und erfolgt durch Feedback.

Die letzte Organisationsdimension, an die sich Anforderungen stellen lassen, ist der Umgang mit der Umwelt bzw. die Ausgestaltung der Umweltbeziehungen. Gerade Weiterbildungseinrichtungen, die sehr engmaschig in das gesellschaftliche, kulturelle und politische Netz eingebunden sind, benötigen eine Art Sensibilität, um Umweltkomplexitäten reduzieren und frühzeitig relevante Einflüsse herausfiltern zu können. Hierzu exemplarisch ein Experte der außerorganisationalen Perspektive:

[E]in Merkmal einer lernenden Organisation ist die Beachtung zukünftiger Einflussfaktoren. Also das heißt, eine z. B. VHS versucht systematisch, die für sie wichtigsten und bedeutendsten Faktoren, die gerade im Entstehen sich befinden […] herauszufiltern und auf mögliche Auswirkungen auf die eigene Einrichtung zu untersuchen. Aus diesen Ergebnissen wird dann eine Handlungsstrategie entworfen und mögliche Handlungsalternativen auf Grundlage eigener Leistungsmöglichkeiten, also den eigenen Ressourcen erstellt. Es geht dabei um das Erkennen von Trends und zentralen Entwicklungen zum einen auf der inhaltlichen Ebene, also um erwachsenenpädagogische Entwicklungen und Trends, und auf der anderen Seite um globale Entwicklungen wie z. B. die demographische Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Teilnehmer oder Einrichtungen. (AP 3/K 8)

Die erkannten Umwelteinflüsse bestehen hier in der Funktion als Impulsgeber für Veränderung und Entwicklung und tragen so auch zur Anregung von organisationalem Lernen bei. Als bedeutsam eingeschätzt wurde, dass die Umweltanalysen routinemäßige Handlungsmuster der Organisation darstellen.

Neben den Umweltanalysen ist zudem eine generelle Umweltoffenheit notwendig, die sich aus der Bereitschaft, externe Beratung anzunehmen und entwicklungsförderliche Austauschbeziehungen zu unterhalten (Kooperationen und Netzwerke), zusammensetzt.

4 Ausblick: Organisationspädagogik als komplexe Form pädagogisch-professionellen Handelns

Die vorausgegangenen, auf Basis von empirischen Forschungsergebnissen und am Beispiel der Erwachsenenbildung gemachten Ausführungen zu Handlungsanforderungen und Gelingensbedingungen verdeutlichen, insbesondere mit einer institutionellen Innensicht, die konkreten Anforderungen an die Gestaltung lernender (Weiterbildungs-)Organisationen. Insgesamt bestätigen die vorgestellten Forschungsergebnisse dabei auch bisherige Erkenntnisse, dass die Erzeugung und Förderung organisationaler Lernprozesse durchaus beeinfluss- und gestaltbar sind (vgl. u. a. Rosenbusch 2005).Footnote 6

Der Erkenntnisgewinn der dargestellten Studie wird darüber hinaus auf einer weiteren Ebene relevant. So zeigt sich bei der Identifizierung beeinflussbarer Gelingensbedingungen organisationaler Lern- und Entwicklungsfähigkeit, dass die Realisierung organisationalen Lernens den Aufbau und die Strukturierung enormer Komplexitätsverhältnisse voraussetzt. Durch das unter einer idealtypischen Perspektive formulierte Anforderungsprofil konnten die entsprechenden Organisationsdimensionen und Gestaltungsvoraussetzungen, aus denen sich die Komplexitätsverhältnisse entwickeln, benannt und charakterisiert werden.Footnote 7

Daran anschließend – dies lässt sich als weiterer Erkenntnisgewinn ableiten – wird zudem deutlich, dass der Gestaltungsprozess als eine komplexe Form pädagogisch-professionellen Handelns besteht, bei der sich sowohl Kompetenzprofile als auch Rollenverständnisse der einzelnen Mitarbeitergruppen in Erwachsenenbildungseinrichtungen erweitern. Die Herausbildung organisationaler Lernprozesse ist dabei grundsätzlich als eine Querschnittsaufgabe zu verstehen, welche äußerst komplexe und anspruchsvolle personelle, kommunikative, fachliche und kognitive Anforderungen an Führung und Mitarbeiter stellt.

Von Bedeutung ist dabei – insbesondere als Anforderung an die Führungs- bzw. Leitungspersonen – die Verantwortung für eine produktive Bearbeitung und Strukturierung der Komplexitätsverhältnisse durch eine kontinuierliche organisational-reflexive Entwicklungsarbeit (u. a. bezogen auf strukturelle, strategische und kulturelle Ausprägungen) unter der Zielperspektive, organisationale Lernprozesse herauszubilden. Dabei bedarf es bei den Organisationsmitgliedern der Entwicklungsarbeit an den eigenen individuellen Kompetenzen mit Fokus auf Veränderungs- und Lernfähigkeit sowie auf die Herausbildung reflexiven und systemischen Denkens und Handelns.

In einem solchen Verständnis lässt sich organisationspädagogisches Handeln als ein zentrales Element pädagogischer Professionalität (vgl. Ehses u. Zech 1999, S. 16 ff.) charakterisieren, bei der nicht nur das individuelle, sondern insbesondere das Lernen größerer sozialer Systeme als pädagogisches Handlungsfeld fokussiert wird. Primär geht es darum, „die Organisation selbst zum Lernen zu befähigen, um sie an die sich immer schneller wandelnden Umweltbedingungen und -anforderungen anzupassen“ (ebd., S. 17). In einer derartigen Perspektive wird die Entwicklung der Organisation als organisationspädagogische Gestaltungsaufgabe sichtbar, welche sich vornehmlich durch drei Elemente zusammensetzt:

  1. 1.

    der bewussten und ganzheitlichen Förderungs- und Gestaltungsleistung optimaler individueller, kollektiver und organisationaler Lernprozesse,

  2. 2.

    der Verknüpfungsleistung der einzeln bestehenden Lernergebnisse mit zeitgleich existierenden Ansprüchen und Erwartungen von und an Individuen und Organisation sowie

  3. 3.

    der Transferleistung, die gewonnenen Lernergebnisse in kontinuierliche (reagierende und proaktive) Organisationsveränderungs- bzw. -entwicklungsprozesse zu überführen.

Die Verortung von Organisationspädagogik als eine gestaltbare Handlungsaufgabe in und von Organisationen und die Charakterisierung von Organisationspädagogik als einen professionellen pädagogischen Handlungstypus eröffnen zwei Perspektiven, denen sich die (erwachsenen-)pädagogische Organisationsforschung zukünftig verstärkt widmen sollte.Footnote 8