1 Einleitung

Für viele Kinder mit Migrationshintergrund ist die Kita ein zentraler Ort, an dem sie die deutsche Sprache erlernen. Entsprechend verweisen Forschungsbefunde auf positive Bildungseffekte institutioneller Kindertagesbetreuung für diese Kinder in Bezug auf ihre schulrelevanten sprachlichen Fähigkeiten (Campbell et al. 2001; Sylva et al. 2006). Vor diesem Hintergrund ist es als positiv zu bewerten, dass sich die Bildungsbeteiligung von mehrsprachig aufwachsenden Kindern in deutschen Kitas im Zeitraum zwischen 2007 und 2019 um 72 % gesteigert hat (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Lernförderlich ist jedoch nicht allein die Quantität, sondern vor allem die Qualität des pädagogischen Angebots (Anders 2013; Burchinal et al. 2000). Allerdings zeigen bisherige Studien Qualitätsunterschiede zuungunsten von Kindern mit Migrationshintergrund bzw. nichtdeutscher Herkunftssprache, beispielsweise in Bezug auf die Fachkraft-Kind-Beziehung (Mayer et al. 2013) oder die allgemeine Prozessqualität (Stahl et al. 2017). Insbesondere die Umsetzung einer hohen (sprachbezogenen) Prozessqualität erfordert auf Seiten der Fachkräfte professionelle Kompetenzen (Hachfeld und Wieduwilt 2020). Dazu gehören auch die professionellen Überzeugungen und Werthaltungen, denen im bildungswissenschaftlichen Diskurs zunehmend eine zentrale, handlungsleitende Bedeutung zugesprochen wird (Castro 2010; Kurucz et al. 2020). Während bislang positive Beziehungen zwischen allgemeinen Förderorientierungen und der pädagogischen Prozessqualität in Kitas gefunden werden konnten (Kuger und Kluczniok 2009), ist für Forschungsbefunde hinsichtlich migrationsbezogener Überzeugungen und der realisierten Prozessqualität im Kita-Bereich ein erhebliches Desiderat zu verzeichnen. Obwohl die Bildungs- und Orientierungspläne der Länder die Wertschätzung und individuelle Förderung aller Kinder, ihrer Sprachen und Kulturen als klares Ziel für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen vorgeben (Diskowski 2008), wurden bislang kaum Untersuchungen zur Ausprägung und Wirkung migrationsbezogener Überzeugungen durchgeführt. Aus pädagogisch-soziologischer Perspektive stellt sich somit die Frage, inwiefern sich die normative Setzung eines wertschätzenden Umgangs mit migrationsbezogener Diversität auch in den Überzeugungen der Fachkräfte finden lässt und wie diese wiederum mit der Realisierung einer hohen sprachbezogenen pädagogischen Qualität in Zusammenhang stehen.

2 Bedeutung von Sprache aus machttheoretischer Perspektive

Gute Sprachkenntnisse sind ein zentrales Element für den Bildungserfolg und für die gesellschaftliche Teilhabe. Für Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache ergeben sich größere Erfolge beim Erlernen der Verkehrssprache, wenn sie sich früh mit dieser auseinandersetzen, sie diese selbst häufig gebrauchen und einen kontinuierlichen Input durch Erstsprachler*innen erhalten (Piske 2014). Dadurch kann möglichen Bildungsbenachteiligungen frühzeitig entgegengewirkt werden.

Doch Sprache fungiert nicht nur als reines Instrument zur Kommunikation und Wissensweitergabe. Entsprechend Bourdieus Konzept des „Sprachmarktes“ (Bourdieu 1977) stellt Sprache auch ein zentrales Distinktionsmittel dar, das – je nach Verortung des Sprachhabitus im sozialen Raum – durch ein hohes oder niedriges Akzeptanzniveau gekennzeichnet ist. Durch dieses variierende Akzeptanzniveau wird einem der unmittelbare Wert der eigenen Sprachkenntnisse und Sprechweise bewusst. Das Bildungswesen nimmt bei der Relation von Sprachkenntnis und Anerkennung eine zentrale Stellung ein, da es die „legitime Sprache“ vermitteln und ihre Kenntnis honorieren soll (Niedrig 2002). Dadurch wird eine allgemein anerkannte Hierarchie von Sprachen und sprachlichen Varietäten geschaffen. Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache, die weniger weit elaborierte deutsche Sprachkenntnisse aufweisen und deren Familiensprache nicht zu den international anerkannten Verkehrs‑, Wirtschafts- und Bildungssprachen zählt, erfahren häufig bereits früh eine Abwertung. So haben sie in der Regel Schwierigkeiten, ihr Minderheitenkapital in einem Bildungssystem mit „monolingualem Habitus“ (Gogolin 2008) geltend zu machen. Bereits im frühkindlichen Bereich kann die Abwertung der unterschiedlichen Familiensprachen von Kindern weitreichende Folgen haben: Entmutigen frühpädagogische Fachkräfte Kinder darin, ihre Familiensprache zu nutzen, kann das Selbstwertgefühl und das Selbstkonzept der Kinder negativ beeinflusst werden (Slot et al. 2017a). Die Abwertung der Familiensprache kann bei Kindern früh das Gefühl entstehen lassen, unzureichend zu sein. Frühpädagogischen Fachkräften wird somit die wichtige Rolle zuteil, die Kenntnisse der Verkehrssprache bei Kindern weiterzuentwickeln und dabei gleichzeitig die unterschiedlichen Familiensprachen nicht (implizit) abzuwerten.

Damit die Kenntnisse in der Verkehrssprache weiterentwickelt werden können, ist die sprachspezifische Qualität innerhalb der Einrichtungen von zentraler Bedeutung (Sammons et al. 2008). Als eine entscheidende Voraussetzung für die Qualität der sprachlichen Interaktionen innerhalb einer Kindertageseinrichtung lassen sich seitens der Fachkräfte die professionellen Überzeugungen herausstellen (Fröhlich-Gildhoff et al. 2014). Wie sich die professionellen Überzeugungen hinsichtlich migrationsbezogener Diversität innerhalb von Kindertageseinrichtungen darstellen und welche Beziehungen zwischen solchen Überzeugungen und der realisierten sprachspezifischen Qualität bestehen, ist bislang noch nicht erforscht. Die affektive Komponente von Überzeugungen könnte wesentlich mitbestimmen, wie viel Aufwand für die sprachpädagogische Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund von den Fachkräften erbracht wird (Nespor 1987). Studien konnten herausstellen, dass Kinder mit Migrationshintergrund von den Interaktionen mit ihren Fachkräften insbesondere dann profitieren, wenn sich diese auf der Beziehungsebene emotional unterstützend verhalten und Lernen durch einen reflexiven, ko-konstruktiven Prozess stattfindet (Hartman und Manfra 2016; Khalfaoui et al. 2020).

3 Konzeptionen migrationsbezogener Überzeugungen

Bei der Konzeption migrationsbezogener ÜberzeugungenFootnote 1 beziehen wir uns auf Baumert und Kunter (2006, S. 497; in Anlehnung an Op’t Eynde et al. 2002), die Überzeugungen als „implizite oder explizite, subjektiv für wahr gehaltene Konzeptionen, welche die Wahrnehmung der Umwelt und das Handeln beeinflussen“ definieren. Überzeugungen fungieren demnach nicht nur als Wahrnehmungs- bzw. Wissensfilter, die als subjektiv bedeutsames Bezugssystem auf die Verarbeitung neuer Informationen einwirken (Fives und Buehl 2012; Pajares 1992). Auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen und Fishbein 2000) kann darüber hinaus angenommen werden, dass Überzeugungen frühpädagogischer Fachkräfte ihr eigenes Verhalten leiten und diese somit entscheidend für die Bereitstellung sprachförderlicher Lerngelegenheiten sind. Überzeugungen lassen sich nach der Theorie des geplanten Verhaltens in Überzeugungen über die wahrscheinlichen Folgen des Verhaltens (Verhaltensüberzeugungen), Überzeugungen über die normativen Erwartungen anderer (normative Überzeugungen) sowie Überzeugungen über das Vorhandensein von Faktoren, die die Ausübung des Verhaltens fördern oder hemmen (Kontrollüberzeugungen), untergliedern. Migrationsbezogene Überzeugungen frühpädagogischer Fachkräfte – als Teil der Verhaltensüberzeugungen – beziehen sich entsprechend auf Konzeptionen gegenüber migrationsbezogener Diversität im Allgemeinen sowie Kinder und Familien mit Migrationshintergrund im Speziellen, die wiederum das Verhalten gegenüber dieser Personengruppe beeinflussen können (Buehl und Beck 2015; Hachfeld und Syring 2020). Denkbar wären auch Wechselwirkungen, denen zufolge sich frühpädagogische Fachkräfte in kulturell diversen Kita-Gruppen kultursensibler verhalten (vgl. Sanders und Downer 2012).

In aktuellen Studien werden oft drei migrationsbezogene Überzeugungen fokussiert, die sich untereinander nicht ausschließen müssen: multikulturelle, egalitäre (colorblind) und assimilative Überzeugungen (vgl. Guimond et al. 2014; Hahn et al. 2015). Im Vergleich zu multikulturellen und assimilativen Überzeugungen weisen egalitäre Überzeugungen eine größere Variabilität hinsichtlich des Umgangs mit migrationsbezogener Diversität auf, da sie sich je nach verfolgtem Zweck umdeuten lassen (Civitillo et al. 2021; Knowles et al. 2009). Aufgrund dieser größeren Variabilität von egalitären Überzeugungen wird im weiteren Verlauf nur noch auf multikulturelle und assimilative Überzeugungen eingegangen. Diese binäre Gegenüberstellung soll nicht suggerieren, dass unter (früh)pädagogischen Fachkräften keine transkulturellen Überzeugungsfacetten verbreitet wären, die Kulturen als zunehmend vermischte und nicht klar voneinander abgrenzbare Entitäten auffassen (vgl. Edelmann 2006).

Obgleich die rein normative Setzung zur Wertschätzung migrationsbezogener Diversität in Kitas aufgrund der Bildungs- und Orientierungspläne der Länder gesetzt zu sein scheint, kommen Slot et al. (2017a) im Rahmen ihrer Literaturübersicht zu dem Schluss, dass es bislang wenig Konsens darüber gibt, ob und, wenn ja, wie mit migrationsbezogener Diversität in (früh)pädagogischen Einrichtungen umgegangen werden soll. Die Haltung der Fachkräfte gegenüber migrationsbezogener Diversität reicht von befürwortenden (multikulturellen) bis hin zu völlig ablehnenden (assimilativen) Überzeugungen, wobei Letztere eher implizit als direkt ausgedrückt werden. Ablehnende Überzeugungen werden beispielsweise in Form defizitorientierter Äußerungen oder geringer Erwartungen an Kinder mit Migrationshintergrund ersichtlich. Insgesamt lässt sich anhand der aktuellen Datenlage ein Forschungsdefizit hinsichtlich migrationsbezogener Überzeugungen in der frühen Bildung und ihre Relevanz für die Umsetzung einer sprachförderlichen Prozessqualität feststellen.

3.1 Multikulturelle Überzeugungen

Multikulturelle Überzeugungen zeichnen sich durch eine wertschätzende Haltung gegenüber migrationsbezogener Diversität aus, die theoretisch mit der Umsetzung kulturintegrierender Strategien einhergehen sollte. Personen mit multikulturellen Überzeugungen schätzen migrationsbezogene Unterschiede in alltäglichen Interaktionen und empfinden sie als bereichernd (Levin et al. 2012). Dabei geht es primär darum, Partizipationsmöglichkeiten entsprechend der jeweiligen sprachlich-kulturellen Voraussetzungen als solche zu erkennen, um darauf aufbauend einen konstruktiven Umgang mit dieser Diversität zu ermöglichen. Diese programmatische Dimension ist in der Literatur häufig noch mit dem Attribut „interkulturell“ assoziiert (Gogolin 2011).

Frühpädagogische Fachkräfte mit ausgeprägten multikulturellen Überzeugungen messen dem Aspekt migrationsbezogener Diversität in ihrer pädagogischen Praxis hohe Relevanz bei und sie unterstützen die Bewahrung kultureller Integrität der Kinder und ihrer Familien (Voss et al. 2011). In Interaktionen berücksichtigen sie entsprechend migrationsbezogene Unterschiede, versuchen die Familiensprachen der Kinder pädagogisch einzubeziehen und gehen auf unterschiedliche kulturelle Wertesysteme ein. Die Überbetonung von Unterschieden kann allerdings zu Gruppendichotomisierungen (Wir vs. die Anderen) führen und bestimmte Zuschreibungen verstärken. Stark ausgeprägte multikulturelle Überzeugungen sollten den Blick auf diese Gefahr schärfen und sensibel gegenüber vorschnellen Verallgemeinerungen machen. Dies setzt einen (selbst-)kritischen Reflexionsprozess mit den eigenen Wertesystemen voraus. Zu diesem anspruchsvollen Prozess gehört auch die Reflexion kollektiver Zugehörigkeiten von Individuen, die sich erst im Zuge einer intersektionellen Denkweise erschließen (Nohl 2014).

Gerade in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen könnten die multikulturellen Überzeugungen der Fachkräfte die Voraussetzung für die Ausgestaltung lernförderlicher Interaktionen sein. So wurde für den Schulkontext argumentiert, dass Lehrer*innen mit multikulturellen Überzeugungen bei der Unterrichtsgestaltung auf die Bedürfnisse von Schüler*innen mit Migrationshintergrund eingehen, respektvolle Beziehungen zu ihnen aufrechterhalten und insgesamt ein Klima der Akzeptanz und Inklusion aller Beteiligten erzeugen (Civitillo et al. 2016; Schachner et al. 2016). Forschungsbefunde deuten darauf hin, dass multikulturelle Überzeugungen – im Vergleich zu assimilativen Überzeugungen – zu einem sensibleren und vorurteilsbewussteren Umgang mit migrationsbezogenen Unterschieden beitragen (Vorauer et al. 2009). Gleichwohl zeigen Befunde auch in die entgegengesetzte Richtung: Wolsko et al. (2006) konnten bei Personen mit ausgeprägten multikulturellen und geringen assimilativen Überzeugungen zwar belegen, dass diese weniger dazu tendieren, die Eigengruppe positiver zu bewerten als eine Fremdgruppe. Jedoch zeigte sich bei ihnen auch die Tendenz, Fremdgruppen verstärkt zu stereotypisieren.

Bis dato liegen relativ wenige empirische Untersuchungen vor, die einen Einfluss von Überzeugungen von frühpädagogischen Fachkräften – vermittelt über die Prozessqualität – auf die kindliche Entwicklung aufzeigen konnten (Kluczniok et al. 2011). Im Hinblick auf eine sprachpädagogische Förderung von Kindern in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen konnten Anders et al. (2016) einen Einfluss der multikulturellen Überzeugungen von sprachpädagogisch hoch qualifizierten Fachkräften auf die sprachspezifische Prozessqualität nachweisen. Kratzmann et al. (2020) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen multilingual-pädagogischen Einstellungen und der Integration von Mehrsprachigkeit im Handeln von frühpädagogischen Fachkräften. Gleichzeitig zeigte sich in dieser Studie ein erwartungskonformer (tendenziell) negativer Zusammenhang zwischen assimilativen Einstellungen und der Integration von Mehrsprachigkeit. Auf der anderen Seite verdeutlichen die Befunde von Kratzmann et al. (2013), dass ausgeprägte multikulturelle Überzeugungen mit einem tendenziell einfacheren und weniger förderlichen Sprachverhalten der frühpädagogischen Fachkräfte einhergehen kann. Die Autor*innen vermuten, dass aufgrund der Bemühungen zur Integration der Herkunftskulturen und Familiensprachen der Kinder die migrationsbezogenen Unterschiede von den Fachkräften überbetont werden und der individuelle Unterstützungsbedarf nicht adäquat erkannt wird.

3.2 Assimilative Überzeugungen

Im Gegensatz zu multikulturellen Überzeugungen gehen assimilative Überzeugungen mit einer ablehnenden Haltung gegenüber migrationsbezogener Diversität einher, die für eine erfolgreiche Integration in die Mehrheitsgesellschaft die Überwindung sprachlich-kultureller Eigenheiten von Minderheitengruppen voraussetzen. Entsprechend befürworten Personen mit assimilativen Überzeugungen es, wenn Menschen mit Migrationshintergrund die Werte, Normen und Verhaltensweisen der Mehrheitsgesellschaft übernehmen und jene ihrer ethnischen Minderheitengruppe ablegen (Verkuyten 2011). Als Prozess drückt Assimilation aus, dass Personen die Aufnahmekultur in die eigene Identität aufgenommen und dabei die Herkunftskultur aufgegeben haben (Berry 2015).

Frühpädagogische Fachkräfte mit ausgeprägten assimilativen Überzeugungen empfinden migrationsbezogene Diversität als eine zusätzliche Herausforderung im pädagogischen Alltag. Sie plädieren für eine Anpassung der mehrsprachig aufwachsenden Kinder an die Verkehrssprache Deutsch und an die kulturellen Eigenheiten der Mehrheitskultur (Kratzmann et al. 2020). In Interaktionen werden die unterschiedlichen Familiensprachen der Kinder nicht berücksichtigt, da sie für den Erwerb bzw. die Entwicklung von Deutschsprachkenntnissen als hinderlich betrachtet werden. Aus der Perspektive der interkulturellen Pädagogik werden assimilative Überzeugungen wegen ihrer defizitären Orientierung und ihrer Unvereinbarkeit mit einem inklusiven Werteverständnis in Fachkreisen zunehmend kritisch betrachtet (Prengel 2019). Der Begriff „Assimilation“ hat folglich eine weitgehend negative Konnotation erfahren. Diese kritische Perspektive ist auch auf zahlreiche Forschungsbefunde zurückzuführen. So kommen beispielsweise Whitley und Webster (2018) in einer Metaanalyse zu dem Schluss, dass assimilative Überzeugungen im Vergleich zu multikulturellen Überzeugungen mit Vorurteilen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund assoziiert sind. Cummins et al. (2012) betrachten Assimilationsprozesse in Schulen kritisch, da sie die Bedeutung der Familiensprache für die Identitätsentwicklung von Kindern und für das Erlernen der Zweitsprache ausblenden.

Im Rahmen dieser Untersuchungen wird Assimilation als eine Überzeugung verstanden, die die Aufrechterhaltung der Mehrheitskultur legitimiert. Gleichwohl lässt sich das Assimilationskonzept auch in Bezug auf die Herstellung von Harmonie zwischen Gruppen auslegen, die wiederum zu positiven Bewertungen von Minderheitengruppen führen kann (Verkuyten 2011). Auf den frühkindlichen Bereich übertragen, wäre es somit denkbar, dass gerade in kulturell diversen Einrichtungen assimilative Überzeugungen von frühpädagogischen Fachkräften einen positiveren Einfluss auf eine kompensatorische Sprachförderung haben als multikulturelle Überzeugungen, da die Fachkräfte mit ihrem Fokus auf die Herstellung von Harmonie stärker auf die Umsetzung der gemeinsamen Verkehrssprache Deutsch achten. Diese frühpädagogische Praxis würde der Familiensprache – als wichtiger Teil der kindlichen Identität – allerdings keine Bedeutung zusprechen. In Bezug auf den Umgang mit sprachlicher Diversität in (früh)pädagogischen Einrichtungen zeigen verschiedene Untersuchungen eine Präferenz für einen starken assimilativen Ansatz von Fachkräften (Slot et al. 2017a). Es wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass bestimmte Familiensprachen, die ein hohes Prestige in der Gesellschaft genießen und als Fremdsprachen in Schulen gelehrt werden (wie z. B. Englisch, Französisch oder Spanisch), bei Kindern mit Migrationshintergrund weniger als Nachteil und Schwierigkeit für das Erlernen des Deutschen bewertet werden als bei Kindern, deren Familiensprache in der öffentlichen Meinung eher skeptisch eingestuft wird (wie z. B. Türkisch, Arabisch oder Rumänisch) (Raml 2014). Entsprechend dieser Logik bestehe insbesondere bei Kindern mit letztgenannten Familiensprachen die Notwendigkeit der Assimilation. Die Frage nach sprachlicher Kompetenz wird in der (früh)pädagogischen Praxis auf diese Weise durch die Frage nach dem Wert und der symbolischen Macht einer Sprache ersetzt (Bourdieu 1977).

4 Das strukturell-prozessuale Modell frühpädagogischer Qualität

Gemäß dem strukturell-prozessualen Modell pädagogischer Qualität gehören Überzeugungen neben pädagogischen Werten und normativen Erziehungsvorstellungen von frühpädagogischen Fachkräften zu den Aspekten der Orientierungsqualität in Kindertageseinrichtungen (Roßbach et al. 2008; Tietze et al. 2005), dementsprechend auch die Überzeugungen von Fachkräften über den Umgang mit migrationsbezogener Diversität und über die sprachliche Bildungsarbeit. Diesem Modell zufolge umfasst pädagogische Qualität neben der Orientierungsqualität noch drei weitere Qualitätsdimensionen: Strukturqualität, Prozessqualität sowie Familienbezug/Vernetzung. Die Strukturqualität bezieht sich auf situationsunabhängige, zeitlich relativ stabile Rahmenbedingungen von Kindertageseinrichtungen, die im Allgemeinen politisch regulierbar sind. Zu diesen Aspekten zählen räumlich-materielle (z. B. Anzahl verschiedener Materialien), soziale (z. B. Anteil der Kinder unter drei Jahren oder Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund) und personelle Rahmenbedingungen (z. B. Fachkraft-Kind-Schlüssel, Fachkraftqualifikation) (Tietze 2008). Die Orientierungs- und Strukturqualität hängen miteinander zusammen; sie bilden die Grundlage für pädagogisches Handeln und beeinflussen so die Prozessqualität. Unter Prozessqualität werden alle Interaktionen und Erfahrungen zusammengefasst, die Kinder mit ihrer sozialen und räumlich-materialen Umwelt in Kindertageseinrichtungen machen. Damit sind die dynamischen Aspekte des Kita-Alltags angesprochen, die entwicklungsangemessene und auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Aktivitäten beinhalten (z. B. Vorlesen) (Kluczniok 2018). Das Modell geht davon aus, dass die Struktur- und Orientierungsqualität, vermittelt über die Prozessqualität und den Familienbezug, auf die Kompetenzen von Kindern wirken. Das Gros nationaler und internationaler Studien weist auf positive Zusammenhänge zwischen Prozessqualität und insbesondere kognitiv-leistungsbezogenen Entwicklungsbereichen bei Kindern hin (Ulferts und Anders 2016). Selbst im Alter von zehn Jahren lassen sich noch positive Auswirkungen einer qualitativ hochwertigen institutionellen Kindertagesbetreuung auf beispielsweise den Leistungsfortschritt im Lesen feststellen (Sammons et al. 2008). Ein niedriges oder mittleres Qualitätsniveau hat hingegen keine längerfristigen positiven Effekte bei Kindern.

4.1 Sprachspezifische Qualität in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen

Internationalen Befunden zufolge profitieren insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund in ihrer sprachlichen Entwicklung von einer qualitativ hochwertigen institutionellen Kindertagesbetreuung (Burchinal et al. 2000). Die Übertragbarkeit auf Deutschland ist jedoch aufgrund der bislang unzureichenden Datenlage noch unklar. Nur vereinzelt indizieren Studien mögliche kompensatorische Effekte bei Kindern mit Migrationshintergrund, beispielsweise beim rezeptiven Wortschatz (Mayer et al. 2013). Erschwerend kommt für Deutschland hinzu, dass die Inanspruchnahme qualitativ hochwertiger institutioneller Kindertagesbetreuung sehr selektiv ist: Kinder mit Migrationshintergrund haben tendenziell weniger Zugang zu Kindertageseinrichtungen mit hoher Qualität als Kinder ohne Migrationshintergrund (Lehrl et al. 2014; Leu und Schelle 2009). Forschungsbefunde weisen ferner darauf hin, dass Kinder von Eltern mit nichtdeutscher Familiensprache im Vergleich zu Kindern von Eltern mit deutscher Familiensprache häufiger Kindertageseinrichtungen besuchen, in denen der Großteil der Kinder ebenfalls eine nichtdeutsche Familiensprache aufweist (Becker und Schober 2017). Dieser Umstand ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Familien mit Migrationshintergrund stärker als deutsche Familien den vorgegebenen Möglichkeiten an institutioneller Kindertagesbetreuung in ihrem ethnisch segregierten Wohnumfeld folgen. Aus dem Besuch einer Kindertageseinrichtung mit hohem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund resultieren wiederum unterschiedliche Möglichkeiten für die Sprachentwicklung im Deutschen, da der Zugang zur deutschen Sprache leichter gelingt, je mehr Kinder Letztere beherrschen und nutzen (Becker 2010). Ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Kindergartengruppen ist zudem häufig mit einer geringeren Prozessqualität assoziiert (Kuger und Kluczniok 2009), die sich ebenfalls negativ auf die Entwicklung der deutschen Sprachkenntnisse auswirken kann (Ebert et al. 2013; Tietze et al. 2013). Dabei erweist sich ein hoher Migrantenanteil als besonders hinderlich für die Sprachentwicklung von Kindern mit Migrationshintergrund, wohingegen diese bei Kindern ohne Migrationshintergrund relativ unabhängig vom Migrantenanteil zu sein scheint (Niklas et al. 2011). Auch im Hinblick auf Aspekte der Struktur- und Orientierungsqualität erfahren in der Regel Kinder mit Migrationshintergrund geringere Qualitätsniveaus (Stahl et al. 2017).

4.2 Messung sprachspezifischer Prozess- und Strukturqualität

Im Rahmen des strukturell-prozessualen Modells pädagogischer Qualität kann zwischen globalen und bereichsspezifischen Prozessmerkmalen unterschieden werden (Sylva et al. 2006). Die globale Prozessqualität umfasst bereichsübergreifend die Gesamtheit der Interaktionen des Kindes mit seiner physischen Umgebung, mit Erwachsenen und Peers, wohingegen sich die bereichsspezifische Prozessqualität auf die Förderqualität in spezifischen Inhaltsbereichen wie Sprache oder Mathematik bezieht. Die sprachspezifische Prozessqualität ist als curriculumsnaher Entwicklungsbereich für die spätere Bildungskarriere von Kindern besonders wichtig. Im Rahmen dieser werden Prozesse angeregt, die für die Entwicklung und Festigung sprachlicher Kompetenzen bei Kindern konstitutiv sind (z. B. über das regelmäßige gemeinsame Lesen).

Bereichsspezifische Prozessmerkmale werden in der frühkindlichen Forschung häufig mit standardisierten Beobachtungsverfahren wie der Kindergarten-Skala-Erweiterung (KES-E) erfasst. Dieses Instrument hat sich international und national aufgrund guter Inter-Rater-Reliabilität und Validität bewährt (Kuger und Kluczniok 2009; Sylva et al. 2006). Obwohl das Instrument vorwiegend Prozessmerkmale erfasst, beinhalten die Inhaltsbereiche (wie bei Sprache) auch einzelne Strukturmerkmale. Für Deutschland zeigen Studien mit der KES‑E, dass die bereichsspezifische Qualität niedriger ausfällt als die globale Qualität (Tietze et al. 2013). In der Evaluation zum Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen der sprachspezifischen Prozessqualität und der Wortschatzentwicklung bei Kindern, jedoch blieben Effekte beim Satzverständnis aus (Roßbach et al. 2016). Andere Studien weisen auf das niedrige sprachspezifische Qualitätsniveau in Kindertageseinrichtungen hin und die damit ausbleibenden positiven Wirkungen auf die sprachlichen Kompetenzen von Kindern (Ebert et al. 2013). Ein anderes international bewährtes Beobachtungsinstrument zur Erfassung der Prozessqualität stellt das Classroom Assessment Scoring System dar (CLASS; Pianta et al. 2008), das in Untersuchungen Überschneidungen zu den interaktions- und sprachspezifischen Subskalen der Kindergarten-Skala aufzeigte (vgl. La Paro et al. 2004).

Eine relativ neue Beobachtungsskala, die als Ergänzung zu den KES-Skalen entwickelt wurde und diesen vom Aufbau sehr ähnelt, ist die „Sustained Shared Thinking and Emotional Well-Being (SSTEW)“-Skala von Siraj et al. (2015). Im Rahmen dieses Instruments wird das Konzept der gemeinsam geteilten Denkprozesse fokussiert. Demzufolge sollen pädagogische Interaktionen im Hinblick auf die Förderung der sozioemotionalen sowie der kognitiven Entwicklung (mit einem Schwerpunkt auf der sprachlichen Entwicklung) erfasst werden (Anders und Wieduwilt 2018). Internationale Studien weisen auf sehr hohe Inter-Rater-Reliabilität und eine sehr gute Validität hin (Otero und Melhuish 2015). Die durchschnittlich gemessene Qualität liegt im mittleren bzw. guten Bereich, wobei die sprachspezifische Prozessqualität etwas höher ausfällt (Otero und Melhuish 2015). In Deutschland kam das Instrument erstmals bei der Evaluation zum Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ zum Einsatz (Anders et al. 2019). Es zeigte sich im Vergleich zu den genannten internationalen Studien eine geringere Gesamtqualität, wobei auch hier die sprachspezifische Prozessqualität besser ausfiel. Diese Unterschiede könnten auf die unterschiedlichen frühpädagogischen Traditionen beider Länder zurückgeführt werden, da in Großbritannien eine stärkere Ausrichtung auf das frühpädagogische Curriculum und auf akademische Vorläuferfähigkeiten gelegt wird.

Der Messung der sprachförderlichen Raum- bzw. Materialausstattung als Aspekt der Strukturqualität wurde im Gegensatz zur sprachförderlichen Prozessqualität in der frühkindlichen Forschung bislang etwas weniger Beachtung geschenkt. Obwohl die sprachförderliche Raum- bzw. Materialausstattung als eine Dimension mit theoretisch begründetem Einfluss auf die kindliche Entwicklung verstanden wird (Smith und Dickinson 2002), wird ihre Berücksichtigung ebenso wie die der kultursensiblen Raum- bzw. Materialausstattung in der Regel in Beobachtungsinstrumenten zur Erfassung pädagogischer Prozessqualität erhoben (z. B. KES‑R, KES-E). Eine Beobachtungsskala, die ausschließlich die sprach- und kultursensible Raumgestaltung in Kindertageseinrichtungen fokussiert, gibt es bis dato noch nicht. Mit Blick auf die Wahrnehmung von Förder- bzw. Handlungsmöglichkeiten in diesen Bildungsbereichen beziehen sich Fachkräfte vornehmlich auf direkte pädagogische Interaktionen. Indirekte Formen der Sprachanregung über die Raumgestaltung werden eher selten berücksichtigt (Faas 2013).

5 Forschungsanliegen

Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang von multikulturellen und assimilativen Überzeugungen mit der sprachspezifischen Prozess- und Strukturqualität. Wir gehen davon aus, dass ausgeprägte multikulturelle Überzeugungen mit der sprachspezifischen Prozess- und Strukturqualität assoziiert sind. So sollten sich kultursensitive frühpädagogische Fachkräfte um die Bewahrung kultureller Integrität der Kinder bemühen und sich an deren unterschiedlichen sprachlich-kulturellen Voraussetzungen orientieren. Diese Umgangsweise basiert auf ähnlichen Prämissen wie alltagsintegrierte Sprachförderstrategien, im Rahmen derer responsiv auf die Charakteristika der Kinder eingegangen wird und alle Kinder als interessengeleitete Akteure in Interaktionsprozessen miteinbezogen werden. Auf der anderen Seite könnten gerade Fachkräfte mit ausgeprägten assimilativen Überzeugungen in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen einen stärkeren Fokus auf eine kompensatorische Sprachförderung haben als Fachkräfte mit multikulturellen Überzeugungen, da Erstere einen größeren Fokus auf das Erlernen der gemeinsamen Verkehrssprache Deutsch legen. Auf Basis dieser Überlegungen lassen sich folgende forschungsleitende Fragestellungen ableiten: Hängen multikulturelle und assimilative Überzeugungen frühpädagogischer Fachkräfte – neben ausgewählten Struktur- und Fachkraftmerkmalen – mit der beobachteten sprachspezifischen Prozess- und Strukturqualität zusammen (Forschungsfrage 1)? 2. Sind multikulturelle Überzeugungen für bestimmte Qualitätsaspekte bedeutsamer als assimilative Überzeugungen oder umgekehrt (Forschungsfrage 2)?

6 Methode

Die Daten für die vorliegenden Analysen stammen aus einer Beobachtungsstudie in 107 ausgewählten Kindertageseinrichtungen zur Erfassung der pädagogischen Qualität, die im Rahmen der Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ durchgeführt wurde (BMFSFJ 2018). Die Einrichtungen, regional unterschiedlich gestreut (Ost/West, ländlich/Mittelstadt/Großstadt), wiesen einen hohen Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache auf. Insgesamt füllten 206 frühpädagogische Fachkräfte die Fragenbogen zu den migrationsbezogenen Überzeugungen aus und konnten für die Analysen berücksichtigt werden.

6.1 Stichprobe und Erhebungsdesign

Die frühpädagogischen Fachkräfte (87,4 % weiblich) waren im Durchschnitt 41 Jahre alt (SD = 12,3; Range: 21–62 Jahre) und verfügten über 14,2 Jahre Berufserfahrung in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung (SD = 12,3; Range: 0–45 Jahre). Der Anteil an frühpädagogischen Fachkräften mit einem (Fach‑)Hochschulstudium lag bei knapp 11 % und war damit fast doppelt so hoch wie der aktuelle Anteil an akademisch ausgebildeten Fachkräften im Bundesdurchschnitt (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2021). Der Anteil der beobachteten Fachkräfte mit nichtdeutscher Familiensprache lag im Durchschnitt bei 12 %. In den beobachteten Gruppen der 107 Kindertageseinrichtungen war der Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache mit 43 % (SD = 29,1; Range: 0–100 %) vergleichbar hoch wie der Anteil auf Einrichtungsebene (M = 42 %; SD = 27,1; Range: 0–100 %), jedoch doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt (20 %; Destatis 2019). Der Anteil an Kindern unter drei Jahren war mit 21 % ähnlich hoch wie der auf Bundesebene (19 %; Destatis 2019). Im Durchschnitt hat eine pädagogische Fachkraft während der Beobachtung im Laufe des Vormittags acht Kinder betreut. Der überwiegende Teil der Einrichtungen befand sich in Großstädten mit einer Bevölkerungszahl von über 100.000 (44 %), gefolgt von Einrichtungen in mittelgroßen Städten mit einer Bevölkerungszahl von 20.000 bis 100.000 (32 %). Einrichtungen, die in ländlichen bzw. kleinstädtischen Regionen mit einer Bevölkerungszahl von unter 20.000 lokalisiert sind, machten mit 25 % den kleinsten Anteil aus.

Die Beobachtung in den Kitagruppen erfolgte am Vormittag und dauerte pro Einrichtung circa fünf Stunden. Je zwei Personen, die vorab eine mehrtägige Schulung mit einem Reliabilitätscheck von mindestens 80 % Übereinstimmung mit dem Masterrater erfolgreich absolvieren mussten, führten die standardisierten Beobachtungen in den Kitagruppen durch. In Einrichtungen, die nicht in Stammgruppen arbeiten, wurde der pädagogische Alltag in mehreren Räumen beobachtet. In zwanzig Einrichtungen wurden zudem während der Feldphase Doppelerhebungen durchgeführt, um die Beobachterübereinstimmung zu testen. Diese kann als gut bezeichnet werden (ICC unjustiert: SSTEW: 0,78; KES-E: 0,88; SKR: 0,79).

6.2 Instrumente

Es werden zunächst die zwei Qualitätsmaße vorgestellt, anhand derer die sprachspezifische Prozessqualität in den beobachteten Kitagruppen eingeschätzt wurde. Anschließend wird auf ein weiteres Qualitätsmaß eingegangen, das die sprachspezifische Strukturqualität in den beobachteten Kitagruppen abbildet. Die Orientierungsqualität umfasst die migrationsbezogenen Überzeugungen der frühpädagogischen Fachkräfte, die sich wiederum in multikulturelle und assimilative Überzeugungen unterteilen. Auf Fachkraftebene gingen als Kontrollvariablen die Ausbildung ((Fach‑)Hochschulstudium vorhanden/nicht vorhanden), Berufserfahrung in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung (in Jahren) sowie die wahrgenommenen Fortbildungen in den letzten zwölf Monaten zu inklusiver Pädagogik (in Tagen) ein.

6.2.1 Prozessqualität

Die in den Untersuchungsgruppen beobachtete Prozessqualität wurde anhand von zwei bereichsspezifischen Qualitätsmaßen bzw. Ratingskalen eingeschätzt: der Subskala „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ der Skala zum Sustained Shared Thinking und zum emotionalen Wohlbefinden in Gruppen von 2–5-jährigen Kindern (SSTEW; Siraj et al. 2015; deutsche Fassung von Anders et al. 2017Footnote 2), die als reines Interaktionsmaß (prozessorientiert) fungiert, und von der Subskala „Sprache“ der Kindergarten-Skala-Erweiterung (KES‑E; Sylva et al. 2006; deutsche Fassung von Roßbach und Tietze 2018), die auch strukturorientierte Aspekte abbildet.

SubskalaUnterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“. Die SSTEW-Skala ist ein neues Instrument zur Erfassung pädagogischer Qualität in Kindertageseinrichtungen, die das Konzept der gemeinsam geteilten Denkprozesse in den Blick nimmt (Anders und Wieduwilt 2018). Dieses Konzept berücksichtigt verstärkt den kindlichen Entwicklungsstand bei der Bereitstellung von Lerngelegenheiten und misst dem Aufgreifen und Weiterführen kindlicher Interessen und Gedankengänge große Relevanz bei. Entscheidend dabei ist, eine Balance zwischen den von der Fachkraft geleiteten und den vom Kind geleiteten Aktivitäten und Erfahrungen sicherzustellen. Die SSTEW-Skala wurde als Ergänzung zu bereits etablierten Beobachtungsskalen (z. B. Kindergarten-Skala (KES-R)) entwickelt. Die Subskala „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ bezieht sich auf Interaktionen, die bei Kindern effektives Sprachlernen unterstützen und die kognitive Entwicklung im Bereich Sprache fördern. Die Subskala besteht aus vier Merkmalen, deren Einschätzung auf einer 7‑stufigen Ratingskala erfolgt (Beispielmerkmal: „Fachkräfte unterstützen den Sprachgebrauch der Kinder“). So reichen die Qualitätsstufen von 1 „unzureichende Qualität“ (Beispielaspekt: „Die Fachkräfte sprechen oft so, dass die Kinder sie nicht verstehen“) bis 7 „ausgezeichnete Qualität“ (Beispielaspekt: „Die Fachkräfte fördern die Sprachentwicklung auf individueller Ebene durch korrektives Feedback“).

Subskala Sprache der Kindergarten-Skala-Erweiterung“. Die Subskala „Sprache“ der Kindergarten-Skala-Erweiterung bezieht sich ausschließlich auf den bereichsspezifischen Aspekt der Sprachförderung. Die Skala umfasst sechs Merkmale (Beispielmerkmal: „Schrift im Alltag: Buchstaben und Wörter“). Diese Merkmale bilden konzeptionelle Aspekte, Aspekte der räumlich-materialen Ausstattung und ihrer Nutzung ab, aber insbesondere auch Aspekte von bildungs- und entwicklungsfördernden Interaktionen zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Kindern sowie den Kindern untereinander. Demnach wird unter pädagogischen Prozessen all das verstanden, was den konkreten Bildungs- und Erfahrungsraum eines Kindes in der Kindertageseinrichtung unmittelbar beeinflusst. Alle Merkmale werden ebenfalls auf einer 7‑stufigen Skala von 1 (unzureichende Qualität) bis 7 (ausgezeichnete Qualität) von geschulten Beobachterinnen und Beobachtern eingeschätzt. „Unzureichende Qualität“ bedeutet, dass die in dem Merkmal angesprochenen Qualitätsaspekte ein erhebliches Entwicklungspotenzial aufweisen (Beispielaspekt: „Keine beschrifteten Bilder für die Kinder sichtbar“). Eine „ausgezeichnete Qualität“ drückt hingegen aus, dass Kinder zu einer unabhängigen Auseinandersetzung mit den durch das Merkmal angesprochenen Qualitätsaspekten angeregt werden und individuell auf einzelne Kinder abgestimmte Planungen der Fachkräfte ersichtlich sind (Beispielaspekt: „Es finden Gespräche statt über den Zusammenhang zwischen gesprochenen und geschriebenen Wörtern (z. B. darüber, wie die auf einem T‑Shirt aufgedruckten Wörter gelesen werden)“).

6.2.2 Strukturqualität

Die in den Untersuchungsgruppen beobachtete sprachspezifische Strukturqualität wurde anhand der Skala „Sprach- und kultursensible Raumgestaltung“ (SKR) eingeschätzt. Sie fokussiert ausschließlich auf die Raumgestaltung und Materialausstattung.

SkalaSprach- und kultursensible Raumgestaltung“. Die Skala zur sprach- und kultursensiblen Raumgestaltung wurde als Ergänzung zur SSTEW-Skala und zur KES‑E im Rahmen der Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ entwickelt (Anders et al. 2019). Ziel der Skala ist es, die Qualität, bezogen auf eine sprach- bzw. kultursensible Raumgestaltung und Materialausstattung – losgelöst von pädagogischen Interaktionen –, einzuschätzen. Die Skala erfasst, ob in Kindertageseinrichtungen die migrationsbezogene Diversität der Kinder und Familien strukturell berücksichtigt wird oder ob die räumliche Ausgestaltung auf eine Homogenisierung von Sprache und kulturellen Normen ausgerichtet ist. Eine kultursensible Raumgestaltung und Materialausstattung ermöglicht Sprachanlässe, die im Kita-Alltag eine Bewusstheit für Mehrsprachigkeit und migrationsbezogene Diversität anregen. Diesem Konzept zufolge bildet eine Beschäftigung mit räumlich-materialen Gegebenheiten das Wissen darüber, dass frühkindliche Bildungsprozesse durch die Auseinandersetzung der Kinder mit ihrer Umwelt getragen werden. Ferner kann über die bewusste Gestaltung der Umwelt indirekt Einfluss auf die kindliche (Sprach‑)Entwicklung genommen werden. Die Skala besteht aus den zwei Subskalen „Raumgestaltung unterstützt konzentriertes und eigenständiges Spiel der Kinder“ und „Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit und kultureller Diversität“, die sich jeweils aus zwei Merkmalen zusammensetzen (Beispielmerkmal Subskala 1: „Struktur und Ordentlichkeit“; Beispielmerkmal Subskala 2: „Bewusstheit für Mehrsprachigkeit und kulturelle Diversität in der räumlichen Ausgestaltung“). Ein Merkmal der Subskala „Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit und kultureller Diversität“ beinhaltet vier Aspekte des Merkmals „Bewusstheit für kulturelle Vielfalt“ der Subskala „Individuelle Förderung“ der KES‑E, die sich auf räumlich-materiale Gegebenheiten beziehen. Die Einschätzung der einzelnen Merkmale erfolgt analog zu der SSTEW-Skala sowie zu der KES‑E auf einer 7‑stufigen Ratingskala (Beispielaspekt für unzureichende Qualität: „Es gibt keine Bücher oder sonstige Materialien in einer anderen Sprache als Deutsch“; Beispielaspekt für ausgezeichnete Qualität: „Es sind zusätzliche Materialien zur Förderung der unterschiedlichen nichtdeutschen Familiensprachen der Kinder vorhanden“).

Die Strukturmerkmale der Kindertageseinrichtungen und ihrer einzelnen Gruppen wurden mithilfe von standardisierten Fragebögen erfasst, die die Einrichtungsleitungen beantworteten. Auf Einrichtungsebene wurde in den vorliegenden Analysen der Anteil an Kindern unter drei Jahren sowie die regionale Zuordnung der Einrichtung berücksichtigt. Die regionale Zuordnung der Kindertageseinrichtungen wurde anhand der Einwohnerzahl des Ortes operationalisiert und umfasst drei Kategorien von ländlich bis großstädtisch (siehe Stichprobe). Die Kategorien der regionalen Zuordnung zu einer Mittel- und einer Großstadt fungieren als Referenzgruppe, die nicht separat in die Modelle aufgenommen wurden, da wir davon ausgegangen sind, dass sich Einrichtungen in ländlichen bzw. kleinstädtischen Regionen stärker von anderen unterscheiden und daher eher Effekte zu erwarten sind. Auf Gruppenebene gingen der Fachkraft-Kind-Schlüssel und der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in die Analysen ein.

6.2.3 Orientierungsqualität

Die Orientierungsqualität wurde über die migrationsbezogenen Überzeugungen der Fachkräfte operationalisiert. Das Instrument zur Erfassung der migrationsbezogenen Überzeugungen wurde für die vorliegende Studie auf Basis bestehender Skalen für den frühkindlichen Bereich angepasst (Hachfeld et al. 2011). Die Skala setzt sich aus insgesamt zwei Subskalen zusammen, die sich jeweils auf die multikulturellen und assimilativen Überzeugungen der Fachkräfte beziehen. Beide Skalen umfassen fünf Items, die auf einer fünfstufigen Antwortskala von stimme überhaupt nicht zu (1) bis stimme voll und ganz zu (5) beantwortet werden konnten. Die Skalen korrelieren mit −0,23 (p < 0,01) miteinander.

Multikulturelle Überzeugungen. Die Skala zu den multikulturellen Überzeugungen schließt Fragen ein, die Rückschlüsse auf einen kultursensitiven Umgang mit Kindern bzw. Familien mit Migrationshintergrund zulassen (Beispielitem: „Im Rahmen der Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund ist es wichtig, auch auf Unterschiede von verschiedenen Kulturen einzugehen“). Die interne Konsistenz der Skala zu den multikulturellen Überzeugungen lag bei α = 0,80.

Assimilative Überzeugungen. Im Kontrast zu multikulturellen Überzeugungen repräsentieren assimilative Überzeugungen eine Haltung, bei der die Zugehörigkeit zur Eigengruppe positiver bewertet wird als zur Fremdgruppe („Viele Konflikte mit Kindern mit Migrationshintergrund entstehen, weil ihre Familien zu sehr an Gepflogenheiten ihrer Herkunftsländer festhalten“). Die interne Konsistenz der Skala zu den assimilativen Überzeugungen lag bei α = 0,73.

6.3 Analysen

Die Forschungsfragen wurden mithilfe von Strukturgleichungsmodellen in Mplus 7,4 (Muthén und Muthén 1998–2015) untersucht. Da die Fachkräfte in unterschiedlichen Kindertageseinrichtungen geschachtelt sind, wurde ein möglicher Clustering-Effekt mithilfe des Befehls „type = complex“ berücksichtigt (Raudenbush und Bryk 2002). Die multikulturellen und assimilativen Überzeugungen der Fachkräfte sowie die einzelnen Qualitätsmaße gingen latent in die Modelle ein. Die restlichen kontinuierlichen Variablen wurden vor der Modellierung z‑standardisiert, um die Modellkoeffizienten besser interpretieren zu können. Die Skalierung der dichotomen Variablen wurde beibehalten.

Bei den Analysen wurde ein schrittweises Vorgehen gewählt, indem zunächst Prädiktoren auf Einrichtungs- und Gruppenebene getrennt von Fachkraftmerkmalen in die Modelle mit aufgenommen wurden. Da sich im Vergleich zu den Gesamtmodellen, in denen sowohl Prädiktoren auf Einrichtungs- bzw. Gruppenebene als auch Prädiktoren auf Fachkraftebene enthalten sind, keine nennenswerten Änderungen zeigten, werden im Ergebnisteil nur die Gesamtmodelle berichtet. Die Modellgüte wurde anhand von drei Indizes eingeschätzt (Comparative Fit Index [CFI]; Root Mean Square Error of Approximation [RMSEA] sowie Standardized Root Mean Square Residual [SRMR]) und auf Basis der Kriterien von Hu und Bentler (1999) bewertet. Ferner wurden der Chi-Quadrat-Wert und die dazugehörigen Freiheitsgrade (df) berücksichtigt. Um die Validität der Ergebnisse zu erhöhen, wurden fehlende Werte über das Full-Information-Maximum-Likelihood-(FIML)-Verfahren geschätzt (FIML; Arbuckle 1996). Auf Einrichtungs- bzw. Gruppenebene lag der Anteil an fehlenden Werten für die Angabe zu der regionalen Zugehörigkeit der Kindertageseinrichtung bei 9,7 %, bei allen anderen Variablen bei 3,9 % oder weniger. Auf Fachkraftebene betrug der Anteil an fehlenden Werten für die Anzahl an Fortbildungstagen zu inklusiver Pädagogik (bezogen auf die vergangenen zwölf Monate) 29,6 %, bei allen anderen Variablen 10,2 % oder weniger.

7 Ergebnisse

7.1 Deskriptive Ergebnisse

In Tab. 1 sind die deskriptiven Ergebnisse zu den drei bereichsspezifischen Qualitätsmaßen sowie die zu den multikulturellen und assimilativen Überzeugungen der beobachteten frühpädagogischen Fachkräfte aufgeführt. Für die Beurteilung der Qualitätswerte hat sich international ein Maßstab etabliert, demzufolge Werte kleiner als 3 eine unzureichende Qualität, Werte zwischen 3 und 5 eine mittelmäßige und Werte von 5 und größer eine gute Qualität widerspiegeln (Kuger und Kluczniok 2009). Der Mittelwert der SSTEW-Subskala – die die Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation fokussiert – lag für die vorliegende Stichprobe mit M = 4,0 im Bereich mittelmäßiger Qualität. Die Standardabweichung von SD = 1,4 und die Spannweite von 1,3 bis 7 indiziert, dass sich das Spektrum der Qualität in den Gruppen zum Teil erheblich voneinander unterschied. Der Mittelwert der KES‑E Subskala „Sprache“ lag ebenfalls im Bereich mittelmäßiger Qualität, allerdings im Vergleich zur SSTEW Subskala mit einem Wert von M = 3,4 etwas niedriger. Die Spannweite von 1,7 bis 5,7 verdeutlicht, dass in keiner der beobachteten Gruppen eine völlig unzureichende noch gänzlich ausgezeichnete Qualitätsstufe ermittelt werden konnte. Im Vergleich zu diesen beiden Subskalen fiel die Qualität im Bereich der sprach- und kultursensiblen Raumgestaltung mit einem Mittelwert von M = 3,2 am niedrigsten aus. Die Standardabweichung ist analog zur KES‑E Subskala „Sprache“ (SD = 0,9), wohingegen die Spannweite von 1 bis 6,8 sowohl Gruppen mit der niedrigsten Qualitätsstufe aufzeigt als auch Gruppen, in denen ein großer Wert auf die Berücksichtigung von migrationsbezogener Diversität und Mehrsprachigkeit in der Raumgestaltung und Materialauswahl gelegt wird.

Tab. 1 Deskription der drei bereichsspezifischen Qualitätsmaße und der multikulturellen und assimilativen Überzeugungen der beobachteten frühpädagogischen Fachkräfte

Die deskriptiven Ergebnisse zeigen außerdem ausgeprägte multikulturelle Überzeugungen. Der Mittelwert lag bei M = 4,4. Demnach stimmten die Fachkräfte multikulturellen Überzeugungen eher oder vollständig zu. Die Standardabweichung fiel mit SD = 0,6 relativ gering aus, was darauf hindeutet, dass die Fachkräfte im Durchschnitt ähnliche Überzeugungen aufwiesen. Die Spannweite von 2,6 bis 5 verdeutlicht ferner, dass keine der Fachkräfte eine gänzlich ablehnende Haltung gegenüber einem kultursensitiven Umgang einnahm. Im Vergleich dazu verdeutlicht der Mittelwert von M = 3,2 bei den assimilativen Überzeugungen, dass die frühpädagogischen Fachkräfte die assimilativen Überzeugungen weder völlig ablehnten noch ihnen voll und ganz zustimmten. Sie entschieden sich somit im Durchschnitt für die Antwortkategorie „teils/teils“. Die Standardabweichung fiel analog zu den multikulturellen Überzeugungen aus, wobei die Spannweite von 1,6 bis 5 darauf hindeutet, dass einige Fachkräfte eine ablehnende Haltung gegenüber den Aussagen zu den assimilativen Überzeugungen einnahmen. Multikulturelle und assimilative Überzeugungen unterscheiden sich signifikant voneinander (t = 18,2, df = 205, p < 0,01).

7.2 Der Zusammenhang zwischen multikulturellen Überzeugungen und beobachteter Prozess- bzw. Strukturqualität

In Tab. 2 sind die Strukturgleichungsmodelle mit den standardisierten Ergebnissen zum Zusammenhang zwischen den strukturellen Bedingungen der Kita und der Gruppe, den Fachkraftmerkmalen, den multikulturellen Überzeugungen sowie der sprachspezifischen Prozess- bzw. Strukturqualität abgebildet, die in den drei unterschiedlichen Modellen jeweils die abhängige Variable bildet. Es könnte vermutet werden, dass die Beziehung zwischen den multikulturellen Überzeugungen und der sprachspezifischen Prozess- bzw. Strukturqualität vom Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in einer Gruppe abhängt. Eine Prüfung des entsprechenden Interaktionsterms ergab allerdings bei keinem Qualitätsmaß einen signifikanten Effekt (SSTEW: β = −0,18, p < 0,10; KES-E: β = 0,01, p = 0,94; SKR: β = −0,03, p = 0,60, ohne Tabelle).

Tab. 2 Strukturgleichungsmodelle zum Zusammenhang zwischen strukturellen Bedingungen der Kita und der Gruppe, den Fachkraftmerkmalen, den multikulturellen Überzeugungen und der beobachteten Prozess- sowie Strukturqualität

Subskala Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“. In Modell 1 wurde die sprachspezifische Prozessqualität anhand der Subskala „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ der SSTEW gemessen. Auf Einrichtungsebene zeigt sich ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil an Kindern unter drei Jahren und der sprachspezifischen Prozessqualität (β = −0,37, p < 0,01). Auf Gruppenebene weist der Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache einen tendenziell signifikant negativen Zusammenhang zu der sprachspezifischen Prozessqualität auf (β = −0,24, p < 0,10). Auf Fachkraftebene ist die Hochschulausbildung tendenziell signifikant mit der sprachspezifischen Prozessqualität assoziiert (β = 0,13, p < 0,10). Dies trifft jedoch nicht auf die multikulturellen Überzeugungen der frühpädagogischen Fachkräfte zu, die in keinem signifikanten Zusammenhang zur sprachspezifischen Prozessqualität stehen (β = −0,04, p = 0,60). Das Modell fällt signifikant aus (p < 0,05) und die berücksichtigten Prädiktoren erklären 14 % der Varianz.

Subskala Sprache der Kindergarten-Skala-Erweiterung“. In Modell 2 wurde die sprachspezifische Prozessqualität anhand der Subskala „Sprache“ der KES‑E eingeschätzt. Auf Einrichtungs- bzw. Gruppenebene zeigt sich ein tendenziell signifikant negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache in der Gruppe und der sprachspezifischen Prozessqualität (β = −0,28, p < 0,10). Auf Fachkraftebene sind ausschließlich die multikulturellen Überzeugungen signifikant positiv mit der sprachspezifischen Prozessqualität assoziiert (β = 0,24, p < 0,01). Das Modell fällt nicht signifikant aus (p = 0,07) und die berücksichtigten Prädiktoren erklären 12 % der Varianz.

SkalaSprach- und kultursensible Raumgestaltung“. In Modell 3 wurde die sprachspezifische Prozessqualität anhand der Skala „Sprach- und kultursensible Raumgestaltung“ gemessen. Auf Einrichtungs- und Gruppenebene zeigen sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen den Strukturmerkmalen und der sprachspezifischen Strukturqualität. Auf Fachkraftebene hingegen sind die drei Prädiktoren Hochschulausbildung (β = 0,20, p < 0,05), multikulturelle Überzeugungen (β = 0,15, p < 0,05) sowie Fortbildungen zu inklusiver Pädagogik (β = 0,12, p < 0,05) signifikant mit der sprachspezifischen Strukturqualität assoziiert. Das Modell fällt signifikant aus (p < 0,05) und die berücksichtigten Prädiktoren erklären mit 23 % der Varianz mehr als die beiden anderen Modelle.

7.3 Der Zusammenhang zwischen assimilativen Überzeugungen und beobachteter Prozess- bzw. Strukturqualität

Tab. 3 zeigt die Ergebnisse der Modelle, bei denen der Prädiktor der multikulturellen Überzeugungen durch den der assimilativen ersetzt wurde.

Tab. 3 Strukturgleichungsmodelle zum Zusammenhang zwischen strukturellen Bedingungen der Kita und der Gruppe, den Fachkraftmerkmalen, den assimilativen Überzeugungen und der beobachteten Prozess- sowie Strukturqualität

Subskala Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“. In Modell 4 zeigt sich auf Einrichtungsebene der gleiche signifikant negative Zusammenhang zwischen dem Anteil an Kindern unter drei Jahren und der sprachspezifischen Prozessqualität (β = −0,37, p < 0,01) wie in Modell 1 (mit den multikulturellen Überzeugungen). Auch auf Gruppenebene bleibt der tendenziell signifikant negative Zusammenhang zwischen dem Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache und der sprachspezifischen Prozessqualität bestehen (β = −0,25, p < 0,10). Der β-Koeffizient fällt im Vergleich zum Modell 1 minimal negativer aus. Auf Fachkraftebene ist wie in Modell 1 ausschließlich die Hochschulausbildung tendenziell signifikant mit der sprachspezifischen Prozessqualität assoziiert (β = 0,13, p < 0,10). Es zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen den assimilativen Überzeugungen der frühpädagogischen Fachkräfte und der sprachspezifischen Prozessqualität (β = 0,01, p = 0,98). Das Modell ist signifikant (p < 0,05) und erklärt 14 % der Varianz.

Subskala Sprache der Kindergarten-Skala-Erweiterung“. In Modell 5 zeigt sich – wie in Modell 2 – auf Einrichtungs- bzw. Gruppenebene nur ein tendenziell negativer Zusammenhang zwischen dem Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache in der Gruppe und der sprachspezifischen Prozessqualität (β = −0,25, p < 0,10). Der Zusammenhang fällt im Vergleich zum Modell mit den multikulturellen Überzeugungen jedoch etwas schwächer aus. Auf Fachkraftebene sind weder die assimilativen Überzeugungen noch andere Prädiktoren mit der sprachspezifischen Prozessqualität assoziiert. Das Modell ist nicht signifikant (p = 0,17) und die berücksichtigten Prädiktoren erklären 9 % der Varianz der sprachspezifischen Prozessqualität, gemessen über die Subskala „Sprache“ der KES‑E. Dies entspricht 3 % weniger Varianzaufklärung im Vergleich zu Modell 2.

Skala Sprach- und kultursensible Raumgestaltung“. In Modell 6 zeigen sich weder auf Einrichtungs- noch auf Gruppenebene signifikante Zusammenhänge zwischen den Strukturmerkmalen und der sprachspezifischen Strukturqualität. Die Ergebnisse der β-Werte sind nahezu deckungsgleich zu Modell 3. Auch auf Fachkraftebene sind wie in Modell 3 die Hochschulausbildung (β = 0,21, p < 0,05) sowie Fortbildungen zu inklusiver Pädagogik (β = 0,12, p < 0,05) signifikant mit der sprachspezifischen Strukturqualität assoziiert, jedoch nicht die assimilativen Überzeugungen der frühpädagogischen Fachkräfte. Das Modell ist signifikant und die berücksichtigten Prädiktoren erklären 21 % der Varianz.

8 Zusammenfassung und Diskussion

Die aktuelle frühkindliche Bildungsdebatte konkretisiert sich zunehmend um die Frage, wie die Qualität in Kindertageseinrichtungen mit besonderen sprachpädagogischen Herausforderungen erhöht werden kann (OECD 2021). Die im Rahmen dieser Studie durchgeführten Qualitätsbeobachtungen ermöglichten einen vertieften Einblick in die sprachpädagogische und integrative Bildungsarbeit kulturell diverser Kindertageseinrichtungen. Die Ergebnisse sprechen für die Nutzung unterschiedlicher Qualitätsmaße. Während die Ergebnisse für die sprachspezifische Prozessqualität, gemessen mit der Subskala „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ der SSTEW-Skala, ähnlich wie in internationalen Studien (Howard et al. 2018) im mittleren Bereich lag, fiel sie für die Subskala „Sprache“ der KES‑E etwas geringer aus, jedoch ähnlich wie in anderen deutschen Studien, z. B. NUBBEK (Tietze et al. 2013) oder BiKS (Kuger und Kluczniok 2009). Die unterschiedlichen Werte bei der sprachspezifischen Prozessqualität zwischen SSTEW und KES‑E in unserer Studie lassen sich vermutlich auf unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen der beiden Beobachtungsskalen zurückführen: Die SSTEW fokussiert das Konzept des „Sustained Shared Thinking“, über das qualitativ hochwertige Interaktionen im Kontext alltagsintegrierter sprachlicher Bildung identifiziert werden können (Anders und Wieduwilt 2018). Ferner wird besonderer Wert auf einen sensiblen Umgang der Fachkräfte mit den Kindern und auf deren emotionales Wohlbefinden gelegt, da diese Aspekte entscheidende Ankerpunkte für positive Dialogsituationen markieren. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass in den untersuchten Einrichtungen durchaus ein Fokus auf eine angemessene sprachpädagogische Bildungsarbeit gelegt wird, die dem Aufgreifen und Weiterführen kindlicher Interessen und Gedankengänge größere Relevanz beimisst.

Die sprachspezifische Prozessqualität wird bei der KES‑E hingegen weitreichender ausgelegt, da sie neben den bildungs- und entwicklungsfördernden Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern sowie zwischen den Kindern untereinander auch konzeptionelle Aspekte und Aspekte der räumlich-materialen Ausstattung und ihrer Nutzung berücksichtigt (vgl. Roßbach und Tietze 2018). Folglich fasst die KES‑E unter sprachspezifischer Prozessqualität all das auf, was den konkreten sprachlichen Bildungs- und Erfahrungsraum von Kindern in Kindertageseinrichtungen unmittelbar gestaltet und beeinflusst. Hinsichtlich dieser Aspekte scheint es weiterhin Verbesserungspotential zu geben, was sich auch in den Ergebnissen zur sprach- und kultursensiblen Raumgestaltung (Strukturqualität) niederschlägt, die ähnlich niedrig ausfiel. Da diese Beobachtungsskala von uns neu entwickelt wurde, liegen noch keine Vergleichswerte vor. Das von uns gemessene Qualitätsniveau deutet darauf hin, dass in vielen Einrichtungen das räumlich-materiale Arrangement zur Förderung der sprachlichen Kompetenzen insbesondere von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache noch ausbaufähig ist. Dabei sind insbesondere diese Kinder auf eine anregende Lernumgebung in Kindertageseinrichtungen angewiesen, da sie für ihre spätere Lese- und Schreibsozialisation präliterale und erste literale Erfahrungen benötigen (Bertschi-Kaufmann et al. 2006). Eine anregende Lernumgebung zeichnet sich beispielswiese durch beschriftete Regale bzw. Gegenstände, mehrsprachige Bilder- und Textbücher oder Materialien zum gestalterischen Entdecken sowie Ausprobieren von Mitteilungen in Zeichen und Schrift aus.

Die in der vorliegenden Studie untersuchten frühpädagogischen Fachkräfte zeichneten sich ihren eigenen Angaben zufolge durch ausgeprägte multikulturelle Überzeugungen aus, die auf einen kultursensitiven Umgang schließen lassen, wie er in den Bildungsplänen zur multikulturellen Bildung gefordert wird (vgl. Diskowski 2008). Im Gegensatz zu den multikulturellen Überzeugungen wiesen die Fachkräfte wesentlich geringer ausgeprägte assimilative Überzeugungen auf. Im Rahmen der Strukturgleichungsmodelle erwiesen sich die multikulturellen Überzeugungen als positiver Prädiktor für die sprachbezogene Prozessqualität und die sprach- und kultursensible Raumgestaltung. Die assimilativen Überzeugungen standen hingegen mit keinem der Qualitätsmaße in einem signifikanten Zusammenhang. Diese Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass frühpädagogische Fachkräfte mit assimilativen Überzeugungen keinen positiven Einfluss auf die sprachpädagogische Bildungsarbeit in kulturell diversen Kindergartengruppen haben und somit auch keine kompensatorische Sprachförderung bewirken. Womöglich nehmen Fachkräfte mit assimilativen Überzeugungen migrationsbezogene Diversität als Belastung war, die nicht förderlich für einen kultursensiblen Umgang im frühpädagogischen Alltag ist (vgl. Gebauer und McElvany 2020; Makarova und Herzog 2013).

Durch den Einsatz der drei unterschiedlichen Qualitätsmaße wurde zudem deutlich, dass der Zusammenhang zwischen multikulturellen Überzeugungen und dem Verhalten der frühpädagogischen Fachkräfte komplex und vielschichtig ist. So zeigte sich bei den Maßen zur sprachspezifischen Prozessqualität ein positiver Zusammenhang zur Subskala „Sprache“ der KES‑E, nicht jedoch zur Subskala „Unterstützung und Förderung der Sprache und Kommunikation“ der SSTEW-Skala. Dieses Ergebnis war für uns zunächst überraschend, da den Überzeugungen in der Literatur eine handlungsleitende Bedeutung zugesprochen wird (vgl. Castro 2010; Kurucz et al. 2020), die in der SSTEW stärker zum Tragen kommen sollte als in der KES‑E. Denn anders als die KES‑E verfolgt die SSTEW einen stärker situationsorientierten Ansatz, anhand dessen das spontane Verhalten der frühpädagogischen Fachkräfte besser nachvollzogen werden kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in den pädagogischen Alltagssituationen, die sprachliche Anregungsmöglichkeiten für den beiläufigen und spielerischen Kompetenzerwerb der Kinder bieten, die multikulturellen Überzeugungen der Fachkräfte nicht in gleicher Weise zum Tragen kommen wie bei konzeptioneller sprachlicher Bildungsarbeit. Pädagogische Fachkräfte wissen möglicherweise nicht immer, wie sie ihre Überzeugungen in die Praxis umsetzen können (Dubberke et al. 2008) und bisweilen sind sie ihnen auch nicht immer direkt zugänglich (Kunter und Trautwein 2013). Dieser Umstand könnte in Kindertageseinrichtungen mit besonders herausfordernden Ausgangsbedingungen für die sprachförderliche Bildungsarbeit noch schwerer wiegen. Überzeugungen können durch diverse kognitive und motivationale Prozesse gefärbt sein, die beispielsweise auf selektiven Informationen beruhen und situationsspezifisch einem subjektiven Bias unterliegen können (Ajzen und Fishbein 2000). Die migrationsbezogenen Überzeugungen des Teams und deren voraussichtliche Beurteilung des Verhaltens einer frühpädagogischen Fachkraft sowie die eigenen Selbstwirksamkeitserwartungen und weitere Kontrollüberzeugungen können auch bei ausgeprägten multikulturellen Überzeugungen das überzeugungskonforme Verhalten einer Fachkraft einschränken oder unterbinden (vgl. Buehl und Beck 2015).

Der Zusammenhang der multikulturellen Überzeugungen sowohl zur Subskala „Sprache“ als auch zur Skala „Sprach- und kultursensible Raumgestaltung“ spiegelt womöglich ein längerfristiges geplantes Verhalten der frühpädagogischen Fachkräfte wider, dessen sie sich unmittelbar bewusst waren. Dieses konzeptionelle Verständnis kann sich zum einen beispielsweise in der räumlichen Ausgestaltung widerspiegeln, die durch ihre klare Struktur insbesondere Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache eine Orientierung bietet und damit auch ein konzentriertes und eigenständiges Spiel der Kinder unterstützt. Im Hinblick auf die Ausstattung bieten beispielsweise zweisprachige Bücher, die auch Bezug auf die Familiensprachen der Kinder nehmen, die Möglichkeit, die Familien- und die Verkehrssprache kognitiv zu verknüpfen und ein erhöhtes Sprachbewusstsein zu entwickeln (vgl. Edele und Stanat 2016). Das konzeptionelle Verständnis eines integrativen Bildungsprozesses kann sich zum anderen in geplanten Aktivitäten, wie z. B. täglichen Vorlesesituationen, ausdrücken, die von der frühpädagogischen Fachkraft durchdacht und mit der Intention der Sprachförderung der Kinder vorbereitet werden kann. Sofern das Erzählen aus Büchern mit Bildern unterlegt werden kann, haben auch Kinder mit weniger weit elaborierten Deutschkenntnissen die Möglichkeit, kognitive Verknüpfungen von sprachlichen Äußerungen und der eigenen Vorstellungswelt herzustellen.

Auf Ebene der Fachkräfte erwies sich ferner der Bildungsabschluss als positiver Prädiktor für die sprachbezogene Prozessqualität (gemessen mit der SSTEW) sowie für die sprach- und kultursensible Raumgestaltung, obgleich der Zusammenhang zur Prozessqualität nur tendenziell signifikant ausfiel. Forschungsbefunde zeigen hier ein unklares Bild auf: So gibt es sowohl Studien, die einen bedeutenden Effekt der Fachkraftqualifikation auf die Prozessqualität feststellen konnten (Ulferts und Anders 2016), als auch Untersuchungen, die keinen direkten Zusammenhang fanden (Early et al. 2007). Es wäre denkbar, dass die anspruchsvolle Umsetzung der gemeinsam geteilten Denkprozesse, die der SSTEW-Skala zugrunde liegt, frühpädagogischen Fachkräften mit einem akademischen Hintergrund tendenziell leichter fällt. Der signifikante Zusammenhang zwischen dem Qualifikationsniveau und der sprach- und kultursensiblen Raumgestaltung lässt sich in Relation zu anderen Forschungsbefunden setzen, nach denen eine stärkere Akzeptanz von Menschen anderer kultureller Herkunft mit einem höheren Bildungsniveau einhergeht (van de Vijver et al. 2008). Dieser Umstand könnte durch eine mögliche positive Selektion aus dem frühpädagogischen Feld verstärkt worden sein, da das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ aufgrund seiner unterstützenden Ausrichtung gegenüber Kindern und Familien mit Migrationshintergrund eher Fachkräfte mit einer positiven Haltung gegenüber dieser Personengruppe ansprach.

Die Häufigkeit interner Fortbildungen zu inklusiver Pädagogik, die den wertschätzenden Umgang mit Kindern und Familien unterschiedlicher soziokultureller Herkunft thematisieren, hing ebenfalls positiv mit der sprach- und kultursensiblen Raumgestaltung zusammen, nicht aber mit der sprachbezogenen Prozessqualität. Obwohl es mittlerweile eine Reihe von Weiterbildungsformaten gibt, um (früh)pädagogische Fachkräfte im Umgang mit migrationsbezogener Diversität zu unterstützen, ist über deren Wirkungsweisen noch recht wenig bekannt (Slot et al. 2017b). Kammermeyer et al. (2019) weisen bei ihrer Analyse von Weiterbildungen auf die Anwendung von Sprachförderstrategien in Kindertageseinrichtungen einen direkten Wirkungspfad von Weiterbildungen auf das Verhalten von Fachkräften auf. In ihrer Literaturstudie stellt Slot (2018) berufliche Fortbildungen als einflussreichstes Strukturmerkmal im Zusammenhang mit der Prozessqualität in Kindertageseinrichtungen heraus. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Fortbildungen einen positiven Einfluss auf die kultursensible Raumgestaltung und Materialausstattung haben können und sie somit eine Bewusstheit für Mehrsprachigkeit und migrationsbezogener Diversität anregen können. Damit Fortbildungen jedoch einen direkten Einfluss auf die Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen erzielen können, bedarf es womöglich tiefergehender Maßnahmen, wie beispielsweise die Möglichkeit zur Supervision und Selbstreflexion, da der adäquate Umgang mit migrationsbezogener Diversität nicht nur unter Fachkräften ein sensibles Thema darstellt, das durch öffentliche Debatten normativ stark aufgeladen ist.

8.1 Limitationen

In Bezug auf die multikulturellen Überzeugungen zeigte sich eine relativ geringe Varianz, da die meisten Fachkräfte multikulturellen Überzeugungen (eher) zustimmten. Dieses Ergebnis ist jedoch wenig überraschend, wenn in Betracht gezogen wird, dass die Stichprobe aus dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ stammte und dass gezielt im Umgang mit migrationsbezogener Diversität sowie in der sprachpädagogischen Bildungsarbeit weiterqualifiziert wurde. Die ausgeprägten multikulturellen Überzeugungen könnten daher auch für den Erfolg des Bundesprogramms sprechen, zumal die Datenerhebung erst circa drei Jahre nach Programmbeginn erfolgte. Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ verfolgt u. a. das Ziel, einen wertschätzenden Umgang mit migrationsbezogener Diversität in den Einrichtungen zu etablieren. Dieser Fokus bildet sich womöglich in der unterschiedlichen Gewichtung zwischen multikulturellen und assimilativen Überzeugungen ab. Aufgrund der spezifischen Weiterqualifizierung der Fachkräfte im Rahmen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ und der Tatsache, dass der Anteil an akademisch ausgebildeten Fachkräften in der vorliegenden Studie mit 11 % fast doppelt so hoch ausfällt wie der Anteil an akademisch ausgebildeten Fachkräften im Bundesdurchschnitt (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2021), sind die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf andere Einrichtungen übertragbar. Eine weitere Limitation, die die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt, ist der mit 41 % überdurchschnittlich hohe Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache in den beobachteten Einrichtungen (Destatis 2019). Um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu überprüfen, sollte die Studie auf Basis von Kindertageseinrichtungen außerhalb des Bundesprogramms repliziert werden. Die weiterführende Forschung sollte qualitative Zugänge nutzen und indirekte Maße zur Erfassung von Überzeugungen berücksichtigen, um mögliche Unterschiede zwischen impliziten und expliziten Überzeugungen besser nachvollziehen zu können. Ferner ließen sich durch einen qualitativen Fokus Schnittmengen und sogar Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Überzeugungsfacetten, wie beispielsweise transkulturellen und multikulturellen, egalitären sowie assimilativen Überzeugungen, tiefgreifender erfassen (vgl. Edelmann 2006).

Weitere Einschränkungen betreffen die Messung pädagogischer Qualität mit den von uns eingesetzten Beobachtungsskalen. So wird die Skalenstruktur der ECERS‑R bzw. KES‑R von einigen Autoren kritisiert (Mayer und Beckh 2016). Die zukünftige Forschung sollte daher überprüfen, ob diese Kritik auch auf die Erweiterungsskala KES‑E zutrifft und ob alternative Erfassungsmöglichkeiten (wie beispielsweise Einschätzungen von Fachkräften) die pädagogische Qualität präziser bestimmen können, um darüber wiederum die kindliche Entwicklung vorherzusagen (Kluczniok 2018). Grundsätzlich bleibt bei Ratingverfahren via Beobachtungen unklar, ob die beobachtete Qualität charakteristisch für das pädagogische Verhalten und die Interaktionen zwischen Fachkraft und Kindern in der jeweiligen Einrichtung bzw. Gruppe ist. Diese Kritik trifft in erster Linie auf die beobachtete Prozessqualität und weniger auf die Strukturqualität zu. So ist denkbar, dass die Prozessqualität zum Beobachtungszeitpunkt besser ausgefallen ist als üblich, da die frühpädagogischen Fachkräfte vor externen Ratern ihre bestmögliche Arbeitsleistung erbringen wollten. Ebenso ist es möglich, dass die Prozessqualität zum Beobachtungszeitpunkt besonders niedrig ausgefallen ist, da die Fachkräfte aufgrund von Nervosität oder Unsicherheit nicht ihre normale Arbeitsleitung erbringen konnten.

Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass alle von uns eingesetzten Beobachtungsinstrumente einem bestimmten Bild von Kita-Qualität unterliegen (Tietze et al. 2013). Entsprechend bewirkt der evaluative Anspruch des Modells, dass alternative Qualitätsvorstellungen aufgrund der einseitigen Ausrichtung der Messinstrumente schlechter bewertet und im schlimmsten Fall sogar abgewertet werden (Stamm und Edelmann 2013). Die Beurteilung dessen, was eine hohe (früh)pädagogische Qualität in einer Gesellschaft ausmacht, ist letztlich ein Aushandlungsprozess in den Feldern der Wissenschaft, Politik und Praxis.

8.2 Implikationen für die frühpädagogische Praxis

Eine hochwertige sprachbezogene Qualität spielt für die sprachliche Entwicklung von Kindern im Allgemeinen, für Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache aber im Besonderen, eine wichtige Rolle. Entscheidend scheint dabei zu sein, inwieweit frühpädagogische Fachkräfte Kinder mit weniger elaborierten Sprachkenntnissen zu Sprachanlässen motivieren und in die Gruppe integrieren können (Beckh et al. 2014). Da der Erwerb einer neuen Sprache Unsicherheiten bei Kindern hervorrufen kann, nimmt eine kultursensible Haltung eine umso wichtigere Rolle ein. Eine von assimilativen Überzeugungen geprägte Haltung frühpädagogischer Fachkräfte sollte für die pädagogische Praxis in kulturell diversen Kindertageseinrichtungen hinterfragt werden, da sie zum einen – wie unsere Studie zeigt – nicht mit einem sprachförderlichen Verhalten der Fachkräfte einhergeht und sie zum anderen die kulturelle Identität und das Selbstkonzept von Kindern mit Migrationshintergrund weniger berücksichtigt. Aufgrund ihrer eher defizitären Ausrichtung erweisen sich assimilative Überzeugungen als kaum vereinbar mit einem inklusiven Werteverständnis (Prengel 2019).

Demgegenüber könnten multikulturelle Überzeugungen – vor dem Hintergrund einer zunehmenden migrationsbezogenen Diversität in Kindertageseinrichtungen – als pädagogisches Leitbild fungieren. Obwohl auch bei ausgeprägten multikulturellen Überzeugungen Spannungen im pädagogischen Alltag von kulturell diversen Kindertageseinrichtungen nicht ausbleiben, helfen sie doch, die eigene kulturelle Gebundenheit besser nachzuvollziehen, um darüber Hinweise auf pädagogisch angemessenes Verhalten ableiten zu können. Sich an den individuellen Interessen und Stärken der Kinder zu orientieren, bietet vielfältige Anregungen zum Kennenlernen der kindlichen Lebenswelt und für die sprachpädagogische Förderung. Bisher fehlten Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen multikulturellen Überzeugungen und einem kultursensiblen Verhalten, das sich in einer erhöhten Prozessqualität ausdrückt, belegen. Unsere Studie ist unseres Wissens eine der ersten, die diesen Nachweis erbringt: Multikulturelle Überzeugungen von Fachkräften erwiesen sich als relevant für eine qualitativ hochwertige sprachpädagogische und integrative Bildungsarbeit mit Kindern unterschiedlicher Herkunft und wirkten sich auch auf eine sprachsensible Raumgestaltung aus.