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Publicly Available Published by De Gruyter March 10, 2018

Kollaboratives Forschungszentrum (Sonderforschungsbereich, SFB) 1286 „Quantitative Synaptologie“

  • Konstantin Schubert

    Konstantin Schubert studiert Humanmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen, wobei er sich besonders für das Fach der Neuro- und Sinnesphysiologie interessierte. Er absolvierte sein erstes Staatsexamen im Jahr 2016. Momentan ist er an der Forschung an Synapsen im Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie beteiligt. Dort studiert er die Nanoanatomie von Synapsen mithilfe der STED-Mikroskopie. Sein Forschungsziel ist ein quantitativer Vergleich zwischen verschiedenen Gehirnarealen bezüglich ihrer Proteinausstattung.

    and Silvio O. Rizzoli

    Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli studierte an der Universität Bukarest und erlangte dort im Jahr 2000 seinen Bachelor-Abschluss für Biochemie. In der Folge wechselte er an die Medizinische Fakultät der University of Colorado in Denver (USA) und erhielt dort im Jahr 2004 den Doktorgrad (PhD) für Physiologie. Im Rahmen seines PhD-Programms forschte er im Labor von Prof. William Betz die Mechanismen Wiederverwertung von synaptischen Vesikeln in neuromuskulären Synapsen. Danach arbeitete er als Post-Doktorand am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, wo er im Labor von Prof. Reinhard Jahn synaptische Endosomen und die Verteilung synaptischer Proteine analysierte. Des Weiteren arbeitete er gemeinsam mit Prof. Stefan Hell an Möglichkeiten der Anwendung von superhochauflösender Mikroskopie in der Neurobiologie. 2007 wurde er Gruppenleiter am Europäischen Institut für Neurowissenschaften Göttingen. Seine Arbeitsgruppe spezialisierte sich auf die Synapsenforschung. Er setzt seine Arbeit an der Synapsenanalyse am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen fort, wo er 2014 zum Leiter des Instituts ernannt wurde.

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From the journal Neuroforum

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat im Juli 2017 ein neues Kollaboratives Forschungszentrum der Neurowissenschaften in Göttingen (SFB 1286) mit dem Namen „Quantitative Synaptologie“ gegründet. In dem neuen Zentrum (Referent Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli von der Universitätsmedizin Göttingen) sollen die Nanoanatomie und -physiologie von Synapsen erforscht werden. Hierfür arbeiten Wissenschaftler aus verschiedenen Institutionen Göttingens zusammen. Dazu zählen die Universitätsmedizin Göttingen, die Georg-August-Universität Göttingen (Fakultät für Physik, Fakultät für Chemie), das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, das Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, das Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation sowie das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.

Es ist allgemeiner Konsens, dass Synapsen die zentralen Infomationsverarbeitungseinheiten des Gehirns sind. Ihre Funktionalität, Effektivität und Plastizität nehmen eine Schlüsselposition in sämtlichen Gehirnfunktionen ein und beeinflussen so das daraus hervorgehende Verhalten. Im Umkehrschluss ist eine Dysfunktion von Synapsen die Ursache für viele neurologische und psychiatrische Störungen. Das oberste Ziel des SFB 1286 ist es, die synaptische Weiterleitung in ausreichendem Detail zu verstehen, sodass man in der Lage ist, eine voll funktionstüchtige virtuelle Synapse in silico zu erzeugen. Diese soll sowohl prä- als auch postsynaptische Kompartimente beinhalten.

Unsere Vision: Nanophysiologie am Computer erforschen

Eines der Hauptziele der Zellbiologie ist es, die Aktivität von Zellen vorhersagen zu können. Voraussetzung hierfür ist ein quantitatives Verständnis aller zellulären Phänomene, um parallel dazu ein Modell aller zellulären Reaktionen zu konstruieren. Dieses Ziel scheint, zumindest innerhalb des nächsten Jahrzehnts, nicht in unserer Reichweite zu liegen. Das liegt vor allem an einem Mangel an Wissen über die Funktionsprinzipien von vielen zellulären Elementen. Ohne dieses Wissen ist es schwierig, Informationen über die Zellstruktur, egal wie detailliert diese sein mögen, in funktionelle Modelle zu überführen. Nichtsdestotrotz gibt es einen Teil der Zelle, der ausreichend gut verstanden ist, um ein quantitatives Modell in der näheren Zukunft zu ermöglichen: die Synapse. Die Synapse ist klein, beinhaltet einen begrenzten Pool an Proteinen und Organellen und hat nur eine essenzielle Hauptfunktion: Die Freisetzung von Neurotransmitter an der präsynaptischen Seite sowie dessen Rezeption an der postsynaptischen Seite. Daher sollte es möglich sein, die Zusammensetzung einer Synapse im quantitativen Maßstab zu entschlüsseln und so ihre Funktion in silico nachzubauen. Gleichzeitig jedoch ist die Synapse ausreichend komplex, um als Musterbeispiel für die allgemeine Zellfunktion zu dienen. Dies stellt sicher, dass die aus ihr abgeleiteten Prinzipien für viele andere Bereiche der Zellbiologie von Relevanz sind. Unsere Vision ist es daher, eine virtuelle Synapse zu erzeugen, die sowohl das prä-, als auch das postsynaptische Kompartiment darstellt. In dieser Hinsicht arbeiten wir nicht nur an einem strukturellen Modell, da dieses, egal wie detailreich, von geringem Nutzen wäre. Stattdessen streben wir ein dynamisch-funktionelles Modell an, das wir als Werkzeug zur Erforschung von synaptischer Funktion und Dysfunktion verwenden können.

Die Bedeutung dieser Art der Analyse wird unterstrichen durch die Tatsache, dass die durchschnittliche Präsynapse im ZNS ein sehr geringes Zytoplasmavolumen hat (ca. 0,25 µm3). In diesem Volumen benötigt ein Protein nur ca. 150 Kopien, um die Konzentration von 1 µM zu erreichen. Diese Konzentration liegt für viele relevante Enzyme um oder über der Affinitätskonstante. Demzufolge können bereits geringe Veränderungen der Protein-Kopienzahl oder -Lokalisation signifikante funktionelle Auswirkungen haben.

In einer ersten Finanzierungsperiode werden wir Bildgebung, Biochemie, Molekularbiologie und Modellierung kombinieren, um ein strukturelles und teilweise funktionstüchtiges Modell der Synapse zu erstellen. Dieses Modell wird die allgemeine Organisation der Synapse sowie die funktionellen Prinzipien verschiedener synaptischer Nano-Mechanismen, wie etwa das synaptische Vesikel oder die aktive Zone, wiedergeben. Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass die eine „Durchschnittssynapse“ nicht existiert und dass jede einzelne Synapse des Organismus‘ individuelle Eigenschaften besitzt, die sie von allen anderen Synapsen unterscheidet. Allerdings kann eine quantitative Beschreibung von einer Vielzahl von Synapsentypen, aufgrund der schieren Arbeitsmenge, nicht auf dem von uns angestrebten, detaillierten Level erfolgen. Deshalb werden wir mit zwei „Modellsynapsen“ arbeiten: Einerseits der von Hippocampusneuronen, die sehr gut für bildgebende Experimente geeignet ist, und andererseits Synaptosomen (isolierte Synapsen aus dem Kortex), die sich sehr gut für biochemische Studien eignen. Indem wir die Informationen aus diesen Modellen kombinieren, werden wir die quantitative molekulare Organisation von einer, idealisierten Synapse (Prä- und Postsynapse) ableiten. Die Modellsynapse wird auf einer kleinen glutamatergen Präsynapse, gekoppelt an eine glutamaterge Postsynapse, basieren. Diese stellt mit ca. 90% den häufigsten Synapsentyp in sowohl den hippocampalen Neuronen als auch den Synaptosomen dar. Wir werden dieses strukturelle Modell mit funktionellen Parametern ergänzen, wie z. B. den Prinzipien von der Instandhaltung der Identität von Organellen, der Mobilität von synaptischen Organellen und Proteinen, oder den Prinzipien der Bildung von Membranprotein-Domänen oder postsynaptischen Verdichtungen. Die Bildung postsynaptischer Rezeptordomänen wird momentan am besten anhand von GABAergen Modellen erforscht. Daher werden wir diese Forschungsrichtung in unseren SFB einbeziehen, trotz seiner allgemeinen Ausrichtung auf die exzitatorische Signalweiterleitung durch Glutamat. Wir werden die daraus hervorgehenden quantitativen Daten nutzen, um in silico Parameter der synaptischen Aktivität und Plastizität zu eruieren. Außerdem werden wir einen Vergleich von zwei Modellen synaptischer Erkrankungen anstellen: Zum einen ein Modell, das starke phänotypische Veränderungen vom Kindheitsalter an zeigt (Autismus), zum anderen ein Modell zu neurodegenerativen Vorgängen (M. Parkinson). Die Kombination aus Plastizitäts- und Krankheitsstudie wird es uns ermöglichen, den Nutzen der quantitativen Information festzustellen. Dazu wollen wir überprüfen, ob die Kenntnis über die quantitative Organisation der Synapse uns dazu befähigt, die synaptische Plastizität sowie die Ausbildung von Erkrankungen vorherzusagen.

Jenes Modell einer Durchschnittssynapse, das aus diesen Experimenten abgeleitet werden kann, wird für keine reale, einzelne Synapse repräsentativ sein können. Allerdings wird es die Eigenschaften und molekularen Mechanismen, die für hippocampale Synapsen und Synaptosomen typisch sind, verallgemeinert zusammenfassen können. Wir werden zusätzlich diese Form der Charakterisierung erweitern und einen Typ von spezialisierten Synapsen untersuchen, nämlich die Held’sche Calyx. Diese wird Inhalt von zwei Projekten sein, in denen sich diese Synapsen am besten erforschen lassen, um ihre konkreten molekularen Prinzipien zu verstehen. Allerdings werden wir nicht versuchen, die vergleichende Analyse unterschiedlicher Synapsen weiter zu verfolgen. Unserer Ansicht nach könnten andere Forschungseinrichtungen unsere Daten über den „durchschnittlichen“ Aufbau einer Synapse ausweiten. Auf der ganzen Welt können dann alle verschiedenen Arten von Synapsen erforscht werden, indem die von uns entwickelten quantitativen Bildgebungsverfahren und Analysetechniken angewendet werden.

Die erste Finanzierungsperiode soll also eine biochemische und morphologische Sicht auf die Synapse zeigen. Wir haben dies als Fokus der ersten Finanzierungsperiode gewählt, weil das quantitative biochemische Verständnis der Synapse deutlich dem funktionellen Verständnis der Synapse hinterherhängt. Wir haben die Absicht, den Aufbau der Synapse im quantitativen Maßstab zu verstehen. Auch die Veränderungen in der Physiologie der Synapse bei neuronaler Stimulation sollen analysiert werden. Die Verbindung zwischen der biochemischen Sicht auf die Synapse und ihrer Funktionalität wird in einigen wenigen Projekten der ersten Finanzierungsperiode erforscht werden. Dies soll insbesondere durch die Kooperation von experimentellen Forschungsgruppen und mathematisch-theoretischen Modellierungsgruppen geschehen. Allerdings soll erst während der zweiten Finanzierungsperiode der Fokus auf diese Verbindung gelegt werden. Dann soll nämlich das Modell der „idealen Durchschnittssynapse“ weiterentwickelt werden, indem es mit weiteren Krankheitsmodellen verglichen und unter verschiedenen Manipulationen der synaptischen Aktivität und Plastizität untersucht wird. In dieser zweiten Finanzierungsperiode werden wir uns außerdem darauf konzentrieren, sämtliche Methoden der Elektrophysiologie, Optogenetik und aktivitätsbezogener Bildgebung (z. B. Ca2+-gekoppelte Bildgebung) auszunutzen, um die funktionellen Aspekte der Synapse vollständig und abschließend zu quantifizieren. Die daraus hervorgegangenen Ergebnisse sollen dann mit denen aus der ersten Finanzierungsperiode sowie mit den diversen Ergebnissen aus der Literatur über synaptische Funktion und Plastizität verknüpft werden. Genetische Manipulation und Pharmakon-Anwendung sollen darüber hinaus genutzt werden, um verschiedenartige Veränderungen von synaptischen Parametern zu bestimmen. Somit soll die Aussagekraft unserer Vorhersagen über das Verhalten von Synapsen erhöht werden. Wir werden die in-silico-Modelle weiter verbessern und weitere quantitative Aspekte hinzufügen. Dies wird uns erlauben, Vorhersagen zu Parametern wie etwa synaptischer Turnover, Veränderungen in der Protein- und Organellen-Ausstattung (z. B. synaptische Vesikel-Pools oder postsynaptische Rezeptoren) oder synaptische Alterungsprozesse zu treffen. Des Weiteren werden wir in der ersten Finanzierungsperiode beginnen, die Modellierungstechniken zu entwickeln, die dafür benötigt werden, sämtliche Daten in ein großes Synapsenmodell zusammenzuführen.

Im letzten Schritt sollen in einer dritten Finanzierungsperiode die gesammelten Daten in einem Modell zusammengebracht werden. Dieses Modell wird genutzt werden, um offen gebliebene Fragen in Bezug auf synaptische Funktion und Dysfunktion anzugehen. Es wird Aufschluss geben über Synaptopathien, insbesondere solche, die durch synaptische Degeneration (z. B. durch Proteinakkumulation, synaptische Überladung oder andere Pathomechanismen) hervorgerufen werden. Das Synapsenmodell soll neue, zentrale Funktionsschritte identifizieren, die dann das Ziel weiterführender Forschung sein werden. Gleichzeitig wird ein solches Modell einen eheblichen Beitrag zur Pharmakotherapie leisten, indem es als Leitfaden für die Prävention und/oder Therapie synaptischer Dysfunktion dient. In anderen Worten: Unser Synapsenmodell wird verdeutlichen, welche Prozesse sinnvollerweise durch Therapiemaßnahmen anvisiert werden sollten und wie dies geschehen kann.

Vorausgegangene Beiträge zum Forschungsfeld

Obwohl die Art unserer Arbeit bisher nur sehr spärlich durchgeführt wurde, so hat sie dennoch bereits ihren Wert bewiesen. Es sollen im Folgenden zwei Beispiele beschrieben werden, bei denen uns das Wissen über Kopienzahlen von (Vesikel-)Proteinen in der Synapse geholfen hat, ihre Funktion zu verstehen. Beide der folgenden Projekte wurden von Mitgliedern des SFB 1286 durchgeführt.

Ein bedeutendes Projekt zur molekularen Anatomie wurde von Reinhard Jahrn (Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie), Henning Urlaub (Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie und Universitätsmedizin Göttingen) und Kollegen im Jahr 2006 publiziert: Die Organisation des synaptischen Vesikels (Takamori et al., 2006). Diese Publikation gab grundlegende Einsicht vor allem in die Engstellen von Freisetzung und Recycling von synaptischen Vesikeln. So sind zum Beispiel Vesikel-Fusionsproteine (SNAREs), Kalziumsensoren und Neurotransmitter-Transporter in großer Anzahl in einer Synapse vorhanden (10-70 pro Vesikel). Daher ist es unwahrscheinlich, dass diese die maximale Erregungsfrequenz der Synapse limitieren. Im Gegensatz dazu enthalten synaptische Vesikel durchschnittlich eine bis zwei Protonenpumpen. Dies lässt vermuten, dass es sich bei der Ansäuerung und Transmitterbeladung der Vesikel um eine Engstelle der synaptischen Weiterleitung handelt, da bereits der Verlust von sehr wenigen Molekülen dazu führt, dass Vesikel nicht mehr mit Neurotransmittern beladen werden können.

Die sich anschließende Quantifizierung von Proteinen in der durchschnittlichen Synapse (Synaptosom) durch Silvio Rizzoli (Universitätsmedizin Göttingen), Henning Urlaub und Kollegen gab außerdem Aufschluss über die Prozesse des Vesikelrecyclings (Wilhelm et al., 2014). Die durchschnittliche Synapse (mit ca. 380 Vesikeln) hat nur eine begrenzte Menge an Endozytosefaktoren zur Verfügung, zum Beispiel nur etwa 4000 Kopien der schweren und leichten Ketten von Clathrin. Bei ca. 150-300 benötigten Clathrinmolekülen zur Endozytose von einem Vesikel genügen diese 4000 Moleküle für das Recycling von 10-20 Vesikeln gleichzeitig. Diese Erkenntnis beendete eine Jahrzehnte andauernde Debatte über die Gründe und Bedeutung von langsamer Endozytose als Folge von starker Erregung: Sie ist einfach die Konsequenz einer begrenzten Anzahl an Endozytose-Cofaktoren. Ein weiterer andauernder Diskurs, nämlich der über die Rolle von Endosomen im Vesikel-Recyclingprozess, wurde auf ähnliche Art gelöst: Synapsen enthalten nur einige hundert Kopien von endosomalen SNARE-Proteinen (im Gegensatz zu den zehntausenden Kopien von exozytotischen SNAREs), was darauf schließen lässt, dass nur einige ausgewählte Vesikel via Endosomen recycelt werden können. Diese zwei quantitativen Studien sind heute im Standardlehrbuch für zelluläre und molekulare Biologie, „Molecular Biology oft he Cell“ von Alberts und Kollegen (Garland Science, 2014, 6. Edition), enthalten.

Die praktische Organisation des Projekts

Unser Projekt ist sehr interdisziplinär geprägt und benötigt daher die Expertise von Spezialisten aus den Feldern der Neurobiologie, Medizin, Physik, Chemie und Bioinformatik. Die Projekte, an denen sie arbeiten sind in drei Projektfelder A, B und C eingeteilt, die mit den drei Hauptzielen korrelieren, die wir für die erste Finanzierungsperiode formuliert haben:

  1. A: einen quantitativen Überblick über das synaptische Kompartiment erhalten

  2. B: die Prinzipien von synaptischer Funktion und Dysfunktion besser verstehen

  3. C: in-silico-Modelle zu synaptischer Transmission und Plastizität initiieren

Die grafische Übersicht über den SFB 1286 (Abbildung 1) zeigt die unterschiedlichen Projekte, an denen wir arbeiten. Sie konzentrieren sich auf die präsynaptische Seite (9 von 23 Projekten), die postsynaptische Seite (6 Projekte) oder sowohl die prä- als auch die postsynaptische Seite (8 Projekte). Jede Forschungsgruppe wird einen separaten Aspekt der synaptischen Struktur und/oder Funktion charakterisieren. Von der Zusammenführung aller Projekte erhoffen wir uns den umfangreichsten Überblick über die Synapse, der je erstellt wurde.

Abb. 1: Grafische Vorstellung der Projekte des SFB. Die drei Hauptgebiete des SFB sind in rot (A, quantitative Daten zur Struktur), blau (B, quantitative Daten zur Funktion) und grün (C, Modelle) beschrieben.
Abb. 1:

Grafische Vorstellung der Projekte des SFB. Die drei Hauptgebiete des SFB sind in rot (A, quantitative Daten zur Struktur), blau (B, quantitative Daten zur Funktion) und grün (C, Modelle) beschrieben.

Ausblick

Dieser SFB wird das erste funktionstüchtige Modell eines entscheidenden Elements der Nervenzelle erstellen. Uns sind keine konkurrierenden Projekte bekannt. Viele Gruppen beschäftigen sich momentan mit der allgemeinen Organisation des Gehirns, z. B. mit neuronaler Konnektivität. Allerdings erforschen, wenn überhaupt, nur wenige Gruppen die quantitative Organisation auf subzellulärer Ebene. Deshalb wird die Arbeit, die wir vorschlagen, einen einzigartigen Einfluss auf die Welt der Neurowissenschaften haben. Die quantitativen Parameter, die wir erhalten, werden Antworten auf eine große Spannweite von lange unbeantworteten Fragen der Nervenzellbiologie geben. Beispielsweise kann die Dynamik von Kalziumströmen in der Synapse besser verstanden werden, wenn die Anzahl und relative Position der Kalziumkanäle zueinander, die Kalzium-Puffermoleküle und -Speicherorte bekannt sind. Auf ähnliche Weise können elektrophysiologische Parameter der Plasmamembran besser dargestellt werden, wenn die Anzahl und Position der relevanten Kanäle bekannt sind. Die morphologischen Veränderungen der Synapse, die mit ihrer Funktion in Verbindung stehen, können im Detail verstanden werden. Zudem kann die molekulare Organisation von Zellteilen, die nicht durch Zellfraktionierung analysiert werden können, aufgedeckt werden. Dies beinhaltet auch Teile von Axonen und Dendriten, den Raum um Vesikelcluster, Mitochondrien sowie den synaptischen Spalt.

Die von uns beabsichtigte Arbeit wird uns helfen, die Organisation von Proteinen, die im Zuge von neurodegenerativen Prozessen akkumulieren, zu verstehen. Es wird möglich sein, die Rolle von Amyloid-Vorläuferproteinen und Amyloid-beta bei M. Alzheimer oder die von alpha-Synuklein bei M. Parkinson endgültig aufzuklären. Ihre Effekte auf die Synapsenphysiologie werden außerdem in einen funktionellen Kontext gestellt werden. Auf ähnliche Weise wird die Anordnung von neuronalen Membranproteinen aufgeklärt werden, z. B. die räumliche Anordnung von Fusionsproteinen (SNAREs). Wir werden die Organisation der Proteinabbau-Maschinerie (Proteasomen, Lysosomen) und ihre Rolle in lokalen Proteolyseprozessen in Prä- und Postsynapse verstehen. Letztlich soll auch Einsicht in die lokale Proteinbiosynthese in der Synapse gewonnen werden. Dafür sollen die Position und Anzahl von mRNAs für diverse Proteine, die räumliche Organisation von Ribosomen sowie die Orte, an denen Proteine aus verschiedenen synaptischen Kompartimenten translatiert werden, untersucht werden.

Abschließend wollen wir feststellen, dass unser Versuch, die Nanophysiologie durch einen umfassenden, quantitativen Ansatz zwar zugegebenermaßen schwierig, jedoch durchaus vielversprechend ist. Er könnte elementare und innovative Ergebnisse liefern, die das hohe Risiko unserer angestrebten Forschung zu rechtfertigen vermögen.

About the authors

Konstantin Schubert

Konstantin Schubert studiert Humanmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen, wobei er sich besonders für das Fach der Neuro- und Sinnesphysiologie interessierte. Er absolvierte sein erstes Staatsexamen im Jahr 2016. Momentan ist er an der Forschung an Synapsen im Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie beteiligt. Dort studiert er die Nanoanatomie von Synapsen mithilfe der STED-Mikroskopie. Sein Forschungsziel ist ein quantitativer Vergleich zwischen verschiedenen Gehirnarealen bezüglich ihrer Proteinausstattung.

Silvio O. Rizzoli

Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli studierte an der Universität Bukarest und erlangte dort im Jahr 2000 seinen Bachelor-Abschluss für Biochemie. In der Folge wechselte er an die Medizinische Fakultät der University of Colorado in Denver (USA) und erhielt dort im Jahr 2004 den Doktorgrad (PhD) für Physiologie. Im Rahmen seines PhD-Programms forschte er im Labor von Prof. William Betz die Mechanismen Wiederverwertung von synaptischen Vesikeln in neuromuskulären Synapsen. Danach arbeitete er als Post-Doktorand am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, wo er im Labor von Prof. Reinhard Jahn synaptische Endosomen und die Verteilung synaptischer Proteine analysierte. Des Weiteren arbeitete er gemeinsam mit Prof. Stefan Hell an Möglichkeiten der Anwendung von superhochauflösender Mikroskopie in der Neurobiologie. 2007 wurde er Gruppenleiter am Europäischen Institut für Neurowissenschaften Göttingen. Seine Arbeitsgruppe spezialisierte sich auf die Synapsenforschung. Er setzt seine Arbeit an der Synapsenanalyse am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen fort, wo er 2014 zum Leiter des Instituts ernannt wurde.

Literatur

Takamori, S., Holt, M., Stenius, K., Lemke, E. A., Grønborg, M., Riedel, D., Urlaub, H., Schenck, S., Brügger, B., Ringler, P., Müller, S. A., Rammner, B., Gräter, F., Hub, J. S., De Groot, B. L., Mieskes, G., Moriyama, Y., Klingauf, J., Grubmüller, H., Heuser, J., Wieland, F. and Jahn, R. (2006). Molecular anatomy of a trafficking organelle. Cell 127, 831–846.10.1016/j.cell.2006.10.030Search in Google Scholar PubMed

Wilhelm, B. G., Mandad, S., Truckenbrodt, S., Kröhnert, K., Schäfer, C., Rammner, B., Koo, S. J., Claßen, G. A., Krauss, M., Haucke, V., Urlaub, H. and Rizzoli, S. O. (2014). Composition of isolated synaptic boutons reveals the amounts of vesicle trafficking proteins. Science 344, 1023–1028.10.1126/science.1252884Search in Google Scholar PubMed

Published Online: 2018-03-10
Published in Print: 2018-05-25

© 2018 by De Gruyter

Downloaded on 4.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/nf-2017-0056/html
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